f kanger2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. März 2020, Teil 5

Dani Levy

Berlin (Weltexpresso) - Ich muss ehrlich gestehen, dass ich von den „Känguru-Chroniken“ nichts gehört hatte, bis sie etwa 2015 via Hörbuch-CDs meiner Kinder in mein Leben schwappten. Und zwar massiv. Was meine damals neun- und 16-jährigen Kinder von den vielen Themen verstanden, war mir ein Rätsel, aber sie hören mit Begeisterung zu. Und wie könnte man Kinder und Jugendliche besser für politische und gesellschaftliche Themen begeistern?

Es war dann doch überraschend, dass mich Stefan Arndt und Uwe Schott für die Regie der Verfilmung ansprachen, vielleicht weil ich schon seit meinen Anfängen als „Spezialist“ für Berliner Underdog-Geschichten gelte. Umso mehr fand ich das Angebot doch ziemlich aufregend: „Die Känguru-Chroniken“ werden von einem Millionenpublikum gelesen und gehört, der Film sollte auf jeden Fall kommerziell werden und die Fans nicht enttäuschen (und am allerwenigsten meine kritischen Kinder...). Die filmische Umsetzung würde komplex und aufwendig sein, ein deutsches „Paddington“ oder „Peter Hase“ hatte es so in Deutschland noch nicht gegeben.

Aber wie sagt man so schön? Man wächst mit seinen Aufgaben. Für uns alle war die Aufgabe ein Fest. Technisch, inhaltlich und filmisch. In der engen Zusammenarbeit mit Marc-Uwe Kling wurde schnell klar, dass wir keinen hochglänzenden, niedlichen Animationsfilm drehen wollen, sondern versuchen, die eigenwillige und raue Vorlage entsprechend kantig auf die Leinwand zu bringen. Die größte Frage war allerdings, wie wir die episodenhaften, in sich abgeschlossenen Mosaikstücke zu einer fließenden Filmhandlung bekommen. Basierend auf den Figuren, Themen und Handlungselementen aus allen vier Büchern entstand eine neue, bewusst krude Handlung. Da wir beide Comic-Verfilmungen lieben, haben wir eine ironisch durchsetzte „Kampf-gegen-Bösewicht-Geschichte“ entwickelt.

Die Figur Jörg Dwigs aus den Büchern wurde zu einem rechtspopulistischen Autokraten und Bau-Milliardär, Bezüge gibt es ja heute genug, der Vormarsch der rechtsnationalen Parteien in ganz Europa zu einem dystopischen Szenario. Aber was wären „Die Känguru-Chroniken“ ohne ihre ironischen und versponnenen Meta-Witze? Die Zitate und Verweise auf alle möglichen Kult-Filme und Musiken wollten wir auf jeden Fall in den Film mitnehmen.

Das größte Abenteuer war allerdings die Erschaffung der Hauptfigur. An der Seite von TRIXTER, die nicht zuletzt auch „Rocket“ für „Guardians of the Galaxy“ erschaffen hatten, betrat ich ein für mich völlig neues Territorium. Ich wollte den Film aus der Hand, wild und entfesselt drehen, die computergesteuerten Kamerabewegungen, die ich aus vielen VFXFilmen kannte, passten in meiner Vorstellung nicht zu der anarchistischen Geschichte eines Slackerpaares in Berlin Kreuzberg. Die Weiterentwicklung der VFX-Technik kam uns dafür zu Hilfe. Das Känguru konnte von einem Schauspieler, dem Komödianten Volker Zack, in einem Motion Capture Suit gespielt werden. Dadurch hatten die anderen Schauspieler einen echten Spielpartner, und damit die Chance, emotional spontan und impulsiv zu agieren.

Im folgenden Jahr wurde das Känguru Stück für Stück, Shot für Shot, in den Film hinein animiert, während Volker Zack in gleichem Maße verschwand. Von ihm bleibt sein Timing, seine Bewegungen, aber vor allem seine Känguru-Energie, die sich im Spiel der anderen Schauspieler, allen voran von Dimitrij Schaad, spiegeln. Das Resultat, das wir heute auf der Leinwand haben, ist für mich ein Wunder. Wie selbstverständlich bewegt sich ein ungezügeltes Beuteltier durch einen Berliner Straßenfilm. Die komplexe, hoch aufwendige VFX-Technik verschwindet hinter der Stilistik eines alltäglichen Anti-Helden-Films.

Die aber entscheidende Motivation für dieses besondere Projekt, war meine Begeisterung, für ein breites Publikum einen politischen Film zu machen. Unterhaltungskino mit Substanz und Subversion. Auch wenn die politischen Vorgänge weder neu noch profund sind, so setzen „Die Känguru-Chroniken“ doch einen klaren Kontrapunkt in der Landschaft der Mainstreamfilme, als ein ungehobelter, unerzogener Film gegen Nazis, Rechtspopulisten und die Zerstörung der Städte. Für einmal wird kein gigantischer Weltuntergang abgewendet,sondern nur ein Kreuzberger Haus gerettet und ein korrupter rechter Politiker gestoppt. Das ist in der heutigen Traumfabrik doch ein Anfang. 

Foto:
© X-Verleih

Info:
„Die Känguru-Chroniken“, D 2020, 93 Minuten, FSK ab 0 freigegeben
Regie Dani Levy mit Henry Hübchen, Bettina Lamprecht, Dimitrij Schaad und anderen.