f narziss6Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. März 2020, Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein gewaltiges Unterfangen, diesen ausufernden Jugend- und Erweckungsroman, der beispielsweise in den 70er Jahren das Literaturland Deutschland mit dem Namen Hermann Hesse in der ganzen Flower-Power-Welt bekannt machte, ein gewaltiges Unterfangen, einen solchen Roman, der genauso Mythos wie gestaltete Literatur ist, verfilmen zu wollen.

Erst einmal also Respekt vor dem Unterfangen, mit dem sich ein so ausgezeichneter Regisseur wie Stefan Ruzowitzky – damit beziehen wir uns auf seinen Auslandsoscar für DIE FÄLSCHER, (2008) aber auch auf einen so ambitionierten Film wie DAS RADIKAL BÖSE von 2013, ein Film, der viel zu wenig gewürdigt wurde – einer so typisch deutschen bildungsbürgerlichen wie weltläufigen Geschichte annimmt, die 1930 gleich groß einschlug , den Autor berühmt machte, der aber erst 1946 den Nobelpreis erhielt. Bei Literaturverfilmungen ist immer die Frage, welchen Mehrwert eine Verfilmung bringt. Aber es ist leider die falsche Frage, weil umgekehrt die finanzielle Frage vorgeht, denn ein bekanntes Buch bringt zufriedene Leser ins Kino, unabhängig davon, wie die das dann finden. Also, sagen wir mal so: Es hätte viel schlimmer kommen können!

Ausgangspunkt sind die bildlich hervorragend wiederzugebenden unterschiedlichen Charaktere Goldmund und Narziß, die in der klösterlichen Erziehungsanstalt wie zwei Seiten einer Medaille, eines einzigen Menschen wirken. Mit Sabin Tambrea haben wir einen Narziß wie aus dem Bilderbuch. Eine durchgeistigte Person, eher Neutrum denn Mann, beseelt von der Suche nach Gott, die aber auch etwas Zwanghaftes hat, so als ob er dort oben Hilfe suche gegen die Phantasien seiner Natur. Er muß einfach auf Goldmund ‚fliegen‘ und ihn gleichzeitig meiden. Denn Goldmund verkörpert all das, was das sinnliche Leben angeht. Verführung pur. Und dies nicht willkürlich, sondern tief von innen heraus. Er ist der blonde Naturjunge, mit natürlichem Charme gegen jeden, handwerklich, ja künstlerisch begabt, frei in seinen Entscheidungen, auch in seinen Lebensverhältnissen, mit der Chance, anderen gut zu tun, mit dem Verderbnis, also Egomane anderen zu schaden.

Das Buch wandert mit Goldmund durchs Leben und die Welt. Der Film vollzieht das nach. Um die langen Passagen seiner Streifzüge durch Land und mit Leuten zu strukturieren, wendet das Drehbuch einen filmüblichen Trick an, indem es eine Rahmenhandlung als Ausgangspunkt nimmt, wo durch Rückblenden die jeweiligen ausgewählten Episoden uns vor Augen kommen. Davon sind die wichtigsten seine Ausbildung als Schnitzer, als Bildhauer bei einem großen Meister und anders als andere in der Spätgotik, muß er, um Meister zu werden, nicht die Witwe heiraten, sondern darf die blühende Tochter ehelichen. Doch, diese Kunstwerke, die als seine Werke gezeigt werden, sind wirklich schön, leuchtend und im Stil der Zeit. Die Besessenheit eines Künstlers ist glaubwürdig vermittelt und die Idee mit der Muttergottes als Bild der Mutter, die er nie gekannt hat, ist packend und das leere Antlitz der Madonna, in dem sich alle Mütter aller Welt in den Augen ihrer Kinder, besser: der Söhne wiederfinden, genial. Und dann die Überblendung mit der weiblichen Vulva ist sicher nicht in Hesses Interesse, aber durchaus in unserem. Denn so wird der schwülen unterschwelligen Homoerotik mehr Weiblichkeit untergepackt. Ganz im Sinne des Mittelalters also.

Andererseits ist das ein geschöntes Mittelalter, oder besser: ein Abklatsch des sinnlich, fetzigen, brutalen, bunten, vitalen Mittelalters, wie wir es uns inzwischen vorstellen, weil es ein Gegenmodell ist zu späteren langweiligen bürgerlichen Zeiten. Aber nicht die damalige Wirklichkeit, sondern unsere Fantasie. Irgendwo heißt es, daß es kein reines Mittelalter sein soll, zum Beispiel auch die Kleider nicht entsprechend gefertigt, sondern Fantasieprodukte seien. Wenn man das ausdrücklich feststellt, kann man so verfahren und ein Phantasiemittelalter kreieren. Ehrenrührig wäre das nur, wenn man so täte als ob.

Jannis Niewöhner muß die gesamte Handlung tragen, was er zwar kann, wo er aber auch an Grenzen stößt, nicht deshalb, weil er arg gebeutelt als halber Krüppel mit einem Auge vor uns erscheint. Man ist dann richtig froh, wenn beide wieder aufeinandertreffen, denn man möchte gar zu gerne diesen interessanten Narziß erleben, was aus ihm geworden ist und wie er sein asketisches Leben durchleidet, denn ein tiefer resignativer Zug prägt sein Wesen von Beginn an. Die Homoerotik liegt in der Luft. Mehr nicht. War für uns auch nicht nötig.

Fotos:
© Verleih

Info:

DIE FILMEMACHER
Regie          STEFAN RUZOWITZKY
Drehbuch    STEFAN RUZOWITZKY
(Ko-Autor:   ROBERT GOLD)
Produktion  CHRISTOPH MÜLLER
HELGE SASSE

DIE BESETZUNG
Goldmund     JANNIS NIEWÖHNER
Narziss           SABIN TAMBREA
Lothar            ANDRÉ M. HENNICKE
Lene              HENRIETTE CONFURIUS
Lydia              EMILIA SCHÜLE
Julia               ELISA SCHLOTT
Meister Niklaus    UWE OCHSENKNECHT
Anselm                 KIDA KHODR RAMADAN
Rebekka              JESSICA SCHWARZ
Gräfin                   SUNNYI MELLES
Lisbeth                 ROXANE DURAN
Burgherr               MATTHIAS HABICH