deutschstunde 4Der Film "Deutschstunde" ist jetzt als DVD bereit für das Heimkino

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Ein halbes Jahr nach dem Kinostart kommen - wie zum Schutz der Kinos gesetzlich festgelegt - auch erst die DVD und der Download des Films „Deutschstunde“ in den Handel. Der Film orientiert sich am gleichnamigen Bestseller von Sigfried Lenz aus dem Jahr 1968.

Das langsam erzählte Filmdrama beginnt mit den Erinnerungen Siggis (Tom Gronau) im Jugendarrest, nachdem er sich - scheinbar - weigert, den Schulaufsatz „Die Freuden der Pflicht“ zu schreiben. Zum Maßregeln wird er in eine Zelle gesperrt, dort schreibt er ein Heft nach dem anderen mit Erinnerungen an den Maler Max Nansen (Tobias Moretti) und seinen autoritären Vater Jens Jepsen (Ulrich Noethen) voll, der immer nur seine Pflicht erfüllte: In dem abgelegenen Landstrich am Meer setzt der Polizist ein Berufsverbot gegen den „entarteten Künstler“ durch, obwohl der ihm einst das Leben rettete. Siggi wird hin- und hergerissen, den Maler im Auftrag seines Vaters zu bespitzeln und ihn gleichzeitig zu schützen, denn er will von beiden geliebt werden.

Als Siggis Vater aus der Haft der englischen Besatzungstruppe entlassen wird, macht er genau da weiter, wo er am Ende der Naziherrschaft aufhören musste: Er verbrennt Gemälde seines früheren Malerfreundes Nansen. „Man muss seine Pflicht erfüllen, auch wenn sich die Zeiten ändern“, brüllt er und schlägt brutal seinen groß gewordenen Sohn Siggi nieder, der sich ihm in den Weg stellt. Der klaut daraufhin Gemälde Nansens um sie zu verstecken und landet im Heim.

Die spannenden Erzählungen Siggis werden im Film zu dramatischen Rückblenden. Im Unterschied zum Roman ist das cineastische Werk stark gekürzt und verdichtet, bewahrt aber dennoch den Geist der Vorlage. Während der Vater im Buch emotional zu schwanken scheint, setzt er sich im Film vehementer gegen die eigene Familie und den Künstler durch. Auch weitere Figuren, wie Siggis Schwester oder die Mutter, werden vom Regisseur Christian Schwochow anders gewichtet. Der verfilmte vor Jahren bereits Uwe Tellkamps „Der Turm“ und stellte - zur Freude des überzeugten Autors - bereits literarische Gestalten verändert dar.

Zum Kinostart bemängelten Kritiker, der Spielfilm sei unpolitisch und erkläre nicht den Faschismus. Auch der Maler, hinter dem sich angeblich Emil Nolde verberge, sei verklärt und nicht als Anhänger der Nazis angeprangert worden. Das wurde bereits 1968 beim Erscheinen des Buches beanstandet, obwohl alle Figuren eindeutig frei erfunden waren. Damals spottete ein Kritiker über seine Kollegen, sie „sollten doch schon mal vom Unterschied  zwischen einer realen und einer fiktiven Figur gehört haben“ (Willi Winkler). Auch Schwochow zieht mit der Form des Spielfilms eine klare Trennung zwischen möglicher Realität und Fiktion. Der abgelegene Spielort am Meer ist wie ein Laboratorium: Deutlich wird der Polizist als „autoritärer Charakter“ - im Sinne Erich Fromms - entwickelt und dem anarchischen, lebenslustigen Maler gegenübergestellt, dessen politische Ansichten keine Rolle spielen.

Lenz erzählt die Geschichte mit kraftvoller Sprache und gelegentlich recht surrealen Passagen. Der Regisseur nutzt dagegen gewaltige Landschaftsaufnahmen am Meer für die düstere Atmosphäre des Streifens und erzeugt bisweilen nur leicht traumhafte Unterströmungen. Was das Buch mit ausladenden großartigen Worten erzählt, wird im Film durch berührende Bilder sowie das Spiel der Akteure unmittelbar ausgedrückt.

Der Begriff der Werktreue gilt in der modernen Filmrezeption längst als überholt: So macht Schwochow keine Literaturverfilmung, sondern eine Adaption mit cineastischen Mitteln: Licht, Kameraperspektiven, Schnitt, Musik... Er interpretiert das Buch, gebraucht die Geschichte als Material und passt sie so seinen Vorstellungen an. Beim Vergleich der „Deutschstunde“ als Text und Film können die diversen künstlerischen Mittel sehr deutlich werden.

Anmerkung:
Im Gegensatz zu manchen Deutschlehrern oder Literaturfreunden, meint der Verfasser dieser Zeilen, dass man möglichst immer zuerst den Film sehen und dann das (oft) umfangreichere Buch lesen sollte: Denn die Lektüre vertieft meistens die Filmgeschichte. Eine angebliche Fantasieentwicklung durch die Priorität des Buches ist noch nie belegt worden.Und es bleibt ja immer noch die Frage, woher und wie kommt "die Fantasie" eigentlich in die Köpfe? Aus meiner Erfahrung spricht nichts dagegen, sich beim Lesen der „Deutschstunde“ den Polizisten wie Ulrich Noethen oder den Maler wie Tobias Moretti vorzustellen.

Foto:
Maler Max Nansen (Tobias Moretti) und Polizist Jens Jepsen (Ulrich Noethen) © Network Movie / Wild Bunch / Georges Pauly

Info:
DVD und Donwload des Films sind ab 3. April über  Versandhandel oder  Streamingdienste zu beziehen.