fdie schunstenAb heute geht das Kino wieder los! Die anlaufenden Filme vom 2. Juli, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Fangen wir mit den KÄNGURU-CHRONIKEN  an. Die sind eigentlich am 5. März angelaufen und sind auch im WELTEXPRESSO besprochen worden, wie PARIS CALLIGRAMMES oder JENSEITS DES SICHTBAREN - HILMA AF KLINT. Während letzterer so interessanter Film ein spezielles Publikum findet, wenden sich die Känguru-Chroniken an ein breites Publikum, weshalb der Neubeginn des Kinos in Deutschland am 2. Juli auch solche Filme wieder bringt, die in der Zwischenzeit nicht von den Interessierten besucht werden konnten. Das heißt, die Kinos werden ein buntes Programm bieten und nicht nur die anlaufenden Filme zeigen, sondern eben auch die der Zeit vor Corona, von denen man annimmt, daß das Publikum sie unbedingt sehen will.

Letzteres gilt sicher für die opulente Hermann Hesse Verfilmung NARZIß UND GOLDMUND mit den Darstellern Jannis Niewöhner und Sabin Tambrea, auch für die köstliche, ganz schön subtile Komödie DIE PERFEKTE KANDIDATIN, beide Filme liefen offiziell am 12. März an. Mit Maryam lernen wir eine junge Ärztin in einer Kleinstadt in Saudi-Arabien kennen die uns mehrfach überrascht. Erstens, daß sie überhaupt als Ärztin arbeitet, denn wir hören fast immer von Frauen, die hinter ihren Schleiern verborgen sind. Das Komische an diesem Film sind nicht die großen Fragen des Lebens, sondern die Alltäglichkeiten, die das Leben und Arbeiten so ätzend machen. Hier kann Maryam einfach nicht verstehen, warum der Krankenwagen nicht direkt vor das Hospital fahren kann und damit das Bett direkt ins Krankenhaus gerollt werden kann. Denn Regen und falsche Wassersystem haben den Boden vor dem Krankenhaus in Schlamm verwandelt, durch den die Notfälle auf der Bahre geschoben werden und den Dreck ins Krankenhaus tragen. An dieser Maryam kann man wunderbar erkennen, was uns alle zu politischen Menschen macht. Mißstände zu beseitigen, das Gute zuwegezubringen, das Schlechte zu beseitigen. Politik fängt genau bei den Alltagsproblemen und dem Inangriffnehmen, dem Suchen von Lösungen an. Und so wird Maryam in die Politik gehen...

Und jetzt zu den neu nanlaufenden Filmen. Am stärksten warten die Leute auf UNDINE, denn dieser Film von Christian Petzold hat auf der Berlinale große Beachtung gefunden und seiner Hauptdarstellerin Paula Beer einen Bären als beste Darstellerin eingebracht. WELTEXPRESSO hatte auf der Berlinale berichtet und wird die Tournee, die Regisseur Christian Petzold mit seinem Film durch bundesdeutsche Kinos unternimmt, ebenfalls extra würdigen.

DIE SCHÖNSTEN JAHRE EINES LEBENS
haben eine höchst ungewöhnliche Ausgangslage. Vor 52 Jahren hatte Regisseur Claude Lelouch mit EIN MANN UND EINE FRAU einen Kinoklassiker kreiert, was untrennbar mit seinen Hauptdarstellern Anouk Aimée und Jean-louis Trintignant zusammenhing, die glaubwürdig sich am Strand von Deauville verliebten. Aber es ging nicht gut aus. Das hat sie noch in Erinnerung, als der Sohn des ehemaligen Geliebten sie motivieren will, den im Altersheim lebenden Vater zu besuchen. Der Sohn hofft, daß sich die Erinnerungen des alles vergessenden Vaters wieder einstellen. Doch er erkennt die ehemalige Geliebte nicht, erinnert sich auch nicht an damals, aber instinktiv weiß er, daß sie ihm bekannt vorkommt - und vor allem funktionieren seine Sinne noch. Sie ist auch im Alter eine schöne Frau und entfacht seinen Eroberungstrieb. Das Berührende am Film ist, daß nach so langer Zeit die drei Personen erneut einen gemeinsamen Film gemacht haben.

DIE TOCHTER DES SPIONS geht einer wahren Geschichte nach. Es wird ja so getan, als ob es Spione überhaupt nicht mehr gibt - oder anders: als ob sie überall seien: Industriespionage, überhaupt Wirtschaftsspionage, aber nach dem Ende des Kalten Krieges und einer unübersichtlichen Welt, die nicht mehr nur zwei politische Lager kennt, gibt es eine ganze Reihe von Spionen, die alles und nichts herausbekommen wollen. Hier gehen in diesem deutsch-lettischen Film die Regisseure Gints Grube und Jaak Kilmi auf die wahre Geschichte des lettischen Spions im Kalten Krieg, der in New York in der Uno Angestellter der Sowjets war. Daß er Doppelagent war, also gleichzeitig für die USA die Sowjetunions ausspionierte, ist nicht mal das Interessanteste an diesem Film. Das ist ganz eindeutig die im Filmtitel angesprochene Tochter. Denn der Vater war in zweiter Ehe in New York verheirtet, als die in Riga mit der Mutter lebende Tochter ihn 1960 besuchte und er sie überredete mit Hilfe eines FBI-Schutzprogramms in den USA zu bleiben. Sie war 19 Jahre und lebte ab da mit einem Schuldgefühl der in Riga verbliebenen Mutter gegenüber. Und als der Eiserne Vorhang fiel, ging sie 1991 ins nun eigenständige Lettland zurück, wo sie noch heute lebt. Andererseits bleibt in diesem Film doch sehr vieles offen, auch um den Tod des Vaters 1985 ranken sich Gerüchte, die der Film nicht klärt.

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