Bildschirmfoto 2020 07 26 um 00.19.203. Juli bis 6. August 2020 im Zeughauskino Berlin

Redaktion

Berlin ((Weltexpresso) - Das Zeughauskino in Berlin vereint viele Funktionen. Einerseits setzt es die Traditionen fort, die mit den Kommunalen Kinos (Hilmar Hoffmann) begannen und die Filme aus allen Zeiten zeigen, wobei inhaltliche Zusammenhänge hergestellt werden, seien es monographische, z.B. Schauspielerserien oder Filme von bestimmten Regisseuren oder Kinohemen. Dann aber gibt es auch Serien, die  mit den Ausstellungen im Deutschen Historischen Museum korrespondieren, denn das Zeughauskino ist nicht nur im Haus des Deutschen Historischen Mjseums untergebracht, sondern Teil des Ensembles.

Diesmal kann das Kinob begleitend zur Ausstellung Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert, die noch bis zum 18. Oktober 2020 im Deutschen Historischen Museums zu erleben ist,  eine Retrospektive zeigen, die Hannah Arendt und dem Prozess gegen Adolf Eichmann gewidmet ist. Zu sehen sind Filme und Fernsehsendungen, die die Bedeutung des Eichmann-Prozesses für den sich wandelnden Umgang mit der Shoah beleuchten. Im Fokus stehen die Bundesrepublik, wo der Prozess gegen Adolf Eichmann das einsetzende Ende einer Phase der Verdrängung markierte, und Israel, wo viele der Überlebenden zuvor oft auf Unglauben gegenüber ihren Erfahrungen gestoßen waren.

Zahlreiche Vorführungen werden von Einführungsvorträgen begleitet. Referenten sind unter anderem die Filmwissenschaftler Thomas Tode und Götz Lachwitz, der die Filmreihe mitkuratiert hat. Am 17. Juli um 19 Uhr präsentieren Studierende des Studiengangs Public History gemeinsam mit der Filmwissenschaftlerin Judith Keilbach und der Historikerin Irmgard Zündorf die DDR-Dokumentation Eichmann und Andere sowie eine Auswahl von Fernsehbeiträgen aus Ost und West. Im Anschluss an die Vorführung des vielbeachteten Interviews, das Günter Gaus 1964 mit Hannah Arendt führte, findet am 30. Juli ein Gespräch mit der Journalistin Bettina Gaus und der Kuratorin Kristina Jaspers statt. Die Moderation hat Claudia Christophersen.


HANNAH ARENDT UND DER EICHMANN-PROZESS

Mit dem Prozess gegen Adolf Eichmann rückte die Shoah in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit. Als Leiter des Referats für „Judenangelegenheiten“ war Eichmann während der NS-Zeit zuständig für die Organisation der Deportation der europäischen Jüdinnen und Juden und deshalb mitverantwortlich für die Ermordung von sechs Millionen jüdischen Kindern, Frauen und Männern. Nach Kriegsende floh Eichmann nach Argentinien. 1960 vom israelischen Geheimdienst entführt, wurde er nach Israel gebracht, vor Gericht gestellt und schließlich zum Tode verurteilt.

Hannah Arendts Reportage über den Prozess gilt als einer ihrer bekanntesten Texte. Eichmann in Jerusalem erschien zunächst im Magazin The New Yorker und wurde anschließend als Buch publiziert. Arendt beschrieb darin den Eindruck, den der Angeklagte auf sie gemacht hatte: Eichmann präsentierte sich vor Gericht als Befehlsempfänger ohne eigene Motive – ein Eindruck, der Arendt zu ihrer These von der „Banalität des Bösen“ führte. Ihre Überlegungen stießen auf massive Kritik und handelten ihr den Vorwurf ein, die Shoah und das Leiden der Opfer zu verharmlosen.

Neuere Auseinandersetzungen mit dem Prozess haben Eichmanns Auftreten vor Gericht als Inszenierung entlarvt. Hannah Arendts Überlegungen aber wirkten nachhaltig. Ebenso einflussreich war das Täter-Bild, das mittels des Prozesses von Eichmann entstand. Der Angeklagte mit der großen Brille, der im Gerichtssaal aus Sicherheitsgründen in einer kugelsicheren Glaskabine untergebracht war, wurde zur Symbolfigur des „Schreibtischtäters“.

In Israel gab es zwar 1961 noch kein Fernsehen, aber sehr wohl ein Bewusstsein für die Möglichkeiten des Mediums. Als internationales Fernsehereignis angelegt, wurde der gesamte Prozess unter Leitung des Regisseurs Leo Hurwitz von der amerikanischen Produktionsfirma Capital Cities Broadcasting aufgezeichnet. Auf dieser Grundlage konnte weltweit über den Prozess berichtet werden. So rückte das Ausmaß der an den europäischen Jüdinnen und Juden begangenen Verbrechen in die mediale Weltöffentlichkeit.

Überlebende wie Simon Srebrnik, die in Jerusalem ausführlich über ihre Erfahrungen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern sprachen, trugen dazu bei, dem mit der Shoah verbundenen Leid Gesichter und Stimmen zu geben. Die Bedeutung des Prozesses liegt aus zeithistorischer Sicht daher auch in der „Entstehung des [Zeit‑]Zeugen“ als „Träger der Geschichte“ (Annette Wieviorka).

Mit einem Fokus auf die Bundesrepublik, wo der Prozess das einsetzende Ende einer Phase der Verdrängung markierte, und auf Israel, wo viele der Überlebenden zuvor oft auf Unglauben gegenüber ihren Erfahrungen gestoßen waren, versammelt die in Zusammenarbeit mit Götz Lachwitz entstandene Retrospektive, die die Ausstellung Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert begleitet, vor allem Filme und Fernsehsendungen, die die Bedeutung des Prozesses für den sich wandelnden Umgang mit der Shoah beleuchten. Die Filme vermitteln eine Stimmung, in der auch Hannah Arendt arbeitete und über Adolf Eichmann nachdachte. (Götz Lachwitz)

Gezeigt wird Zichronot Mishpat Eichmann mit freundlicher Genehmigung des Yad Vashem Visual Center, der Perlov Familie und von KANN 11 – Israeli Broadcasting Corporation.


FILM
AUF DEN SPUREN DES HENKERS. ADOLF EICHMANN – SEIN LEBEN IN DOKUMENTEN
BRD 1961, R: Joachim Besser, Peter Schier-Gribowsky
Freitag, 03. Juli 202021.00 Uhr


FILM
EINE EPOCHE VOR GERICHT
BRD 1961/1962, R: Joachim Besser, Peter Schier-Gribowsky, Gösta von Uexküll
Samstag, 04. Juli 202021.00 Uhr


FILM
HANNAH ARENDT
D/FR/IL 2013, R: Margarethe von Trotta
Sonntag, 05. Juli 202020.30 Uhr


FILM
AUF DEN SPUREN DES HENKERS. ADOLF EICHMANN – SEIN LEBEN IN DOKUMENTEN
BRD 1961, R: Joachim Besser, Peter Schier-Gribowsky
Freitag, 10. Juli 202021.00 Uhr


FILM
EINE EPOCHE VOR GERICHT
BRD 1961/1962, R: Joachim Besser, Peter Schier-Gribowsky, Gösta von Uexküll
Samstag, 11. Juli 202021.00 Uhr


FILM
EICHMANN UND DAS DRITTE REICH
CH/BRD 1961, R/B: Erwin Leiser
Sonntag, 12. Juli 202020.30 Uhr


FILM
DER EICHMANN-PROZESS IN DER DEUTSCH-DEUTSCHEN MEDIENBERICHTERSTATTUNG
Vortrag mit Filmbeispielen
Freitag, 17. Juli 202019.00 Uhr


FILM
EICHMANN UND DAS DRITTE REICH
CH/BRD 1961, R/B: Erwin Leiser
Samstag, 18. Juli 202018.00 Uhr


FILM
HANNAH ARENDT
D/FR/IL 2013, R: Margarethe von Trotta
Samstag, 18. Juli 202021.00 Uhr


FILM
HA'MAKAH HA'SHMONIM VE'AHAT | DER 81. SCHLAG
IL 1975, R/B: David Bergman, Haim Gouri, Jacques Ehrlich, Miriam Novitch, Zvi Shner
Sonntag, 19. Juli 202021.00 Uhr


FILM
LE DERNIER DES INJUSTES | DER LETZTE DER UNGERECHTEN
FR/AT 2013, R/B: Claude Lanzmann
Dienstag, 21. Juli 202019.00 Uhr


FILM
HA'MAKAH HA'SHMONIM VE'AHAT | DER 81. SCHLAG
IL 1975, R/B: David Bergman, Haim Gouri, Jacques Ehrlich, Miriam Novitch, Zvi Shner
Donnerstag, 23. Juli 202019.00 Uhr


FILM
LE DERNIER DES INJUSTES | DER LETZTE DER UNGERECHTEN
FR/AT 2013, R/B: Claude Lanzmann
Samstag, 25. Juli 202018.00 Uhr


FILM
WAS BLEIBT? ES BLEIBT DIE MUTTERSPRACHE
BRD 1964, Redaktion: Günter Gaus
Donnerstag, 30. Juli 202019.00 Uhr


FILM
NACHT UND NEBEL | HENCHMAN GLANCE
FR 1955, R: Alain Resnais
Dienstag, 04. August 202019.00 Uhr


FILM
ZICHRONOT MISHPAT EICHMANN | MEMORIES OF THE EICHMANN TRIAL
IL 1979, R: David Perlov
Donnerstag, 06. August 202019.00 Uhr

Foto:
WAS BLEIBT? ES BLEIBT DIE MUTTERSPRACHE
BRD 1964, Redaktion: Günter Gaus
© Verleih