seltenSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. Oktober 2020, Teil 7

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Das Festival fiel mit der Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident zusammen – und damit auch mit dem ersten „Women’s March on Washington“. Da Trump angekündigt hatte, Richter zu ernennen, die die Grundsatzentscheidung von „Roe vs. Wade“ für nichtig erklären würden, spielten Frauenrechte bei den weltweiten Solidaritätsmärschen eine wichtige Rolle. Hittman, die am Women’s March in Sundance teilnahm, dachte an das Filmprojekt zum Thema Abtreibung zurück, das sie Jahre zuvor ausgearbeitet hatte: „Ich verspürte den Wunsch, die damals entstandenen Treatments noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.“


In den folgenden Monaten nahm Hittman Kontakt zu drei Frauen auf, die sie bei dem Projekt unterstützen sollten: den Produzentinnen Adele Romanski und Sara Murphy von PASTEL (Moonlight, Beale Street) und Rose Garnett, der Leiterin von BBC Films. Garnett hatte Beach Rats kurz nach der Premiere in England gesehen. Nachdem sie auch
Hittmans Debütfilm It Felt Like Love gesichtet hatte, wollte sie sich unbedingt mit der Regisseurin treffen, um neue Projekte zu besprechen. „Elizas Filme waren aufregend“, so
Garnett. „Ich habe mich sofort in den von ihr geschaffenen Welten verloren. Sie bringt ein Einfühlungsvermögen für ihre Figuren mit, das man nicht oft auf der Leinwand sieht.“
In der Regel unterstützt BBC Films Filmprojekte, die eine Verbindung zu Großbritannien aufweisen. Dennoch stellt Garnett klar, dass der Mission des Unternehmens geographisch keine Grenzen gesetzt sind. „Entwicklung ist das Herzstück unserer Arbeit“, so Garnett. „Dies ist ein Film, den wir gemeinsam mit Eliza vom ersten Tag an entwickelt haben. Was die Form und den Ort für die Geschichte angeht, haben wir ihr völlig freie Hand gelassen. Letztendlich geht es im Filmgeschäft um grenzenlose, globale Konversationen.“

Auch Romanski und Murphy sahen der Zusammenarbeit mit Hittman begeistert entgegen. „Adele und ich sind seit It Felt Like Love Fans von Eliza“, schwärmt Murphy. „Das Unglaubliche an Eliza ist ihr lebensnaher, humanistischer und unbeirrbarer Blick als Filmemacherin. Sie ist entschlossen, die Wahrheit zu finden, sei es beim Casting, bei den Drehorten oder der Garderobe. Sie sie sucht immer nach Dingen, die real sind. Das ist das Ziel.“

Um dieses Ziel zu erreichen, musste Hittman unter anderem für weitere Recherchen nach Pennsylvania zurückkehren. Dazu gehörte auch der erneute Besuch diverser
Schwangerschaftszentren. Im Laufe ihrer früheren Nachforschungen war sie auf die Idee gekommen, die Heimat ihrer Hauptfiguren in den Kohleabbaugebieten des
Mittelatlantikstaates zu verorten. „Zentral-Pennsylvania ist nur zwei oder drei Stunden von New York entfernt, aber es fühlt sich an, als befinde man sich dort in einem anderen Zeitalter“, bemerkt Hittman. „Ich war fasziniert von diesen kleinen Bergbaustädtchen, die damals entstanden und mit dem Aufkommen des Kohleabbaus immer weitergewachsen sind. Heute sind die Minen geschlossen und die kleinen Orte liegen irgendwie isoliert in der Mitte von Nirgendwo.“


Die Reisen nach Pennsylvania halfen Hittman dabei, ihre Charaktere zu zeichnen und ihre genauen Lebensumstände zu konkretisieren. „Ich habe mir oft die jungen Frauen in diesen Städten angeschaut, um mich inspirieren zu lassen“, sagt sie. „Wo arbeiten sie, wo liegen ihre Interessen? Auch wenn wir im Film keine konkrete Stadt nennen, war es mir als Autorin sehr wichtig, diese Dinge anzusprechen.“ Hittmans Hauptfigur Autumn ist Schülerin an der örtlichen High-School und jobbt als Kassiererin in einem Lebensmittelgeschäft. Die genaueren Umstände ihrer Schwangerschaft werden nie erklärt; nur eine Handvoll Szenen geben Einblicke in ihr Familienleben. Viele frühe Szenen zeigen Autumn stattdessen allein, sei es auf dem Heimweg nach einem Auftritt bei einem Talentwettbewerb, beim Aufwachen in ihrem Zimmer oder wenn sie realisiert, dass sich ihr Körper durch die Schwangerschaft verändert.

„Es war wichtig, dass wir Zeit mit Autumn allein verbringen und gerade durch ihr einzelgängerisches Verhalten eine Verbindung zu ihr herstellen“, so Hittman. „Ich wollte, dass das Publikum das Gefühl hat, dass sie eine Geschichte in sich trägt, und auch eine gewisse Dunkelheit.“ Autmuns engste Freundin ist ihre Cousine Skylar, ebenfalls High-School-Schülerin und Teilzeit-Kassiererin. Die aufgeweckte und fürsorgliche Skylar erkennt schnell, dass ihr beste Freundin in Schwierigkeiten steckt. Nachdem Autumn sich ihr endlich anvertraut hat, übernimmt Skylar die Führung und organisiert die Reise nach New York. Hittman hat die Cousinen bewusst als gegensätzliche Persönlichkeitstypen angelegt. „Skylar ist in gewisser Weise eine Kontrastfigur zu Autumn. Sie ist unschuldig und optimistisch. Skylar hat zwar auch keine Patentlösung für die Situation, doch dank ihrer Energie sind sie und Autumn in der Lage, die Reise gemeinsam zu bewältigen.“

Die Reise gestaltet sich jedoch komplizierter als erwartet, als die jungen Frauen in New York eintreffen. In der Klinik in Brooklyn erfahren sie, dass sie insgesamt zwei Tage und Nächte in der Stadt verbringen müssen. Zwischen Autumns Terminen ziehen die beiden also mit dem Rollkoffer durch die Häuserschluchten, Wartehallen, U-Bahn-Stationen und Züge dieser riesigen, unbekannten, einschüchternden Stadt. Im Herbst 2018 stellte Hittman das Drehbuch fertig. Dessen Präzision beeindruckte die Produzentinnen Murphy und Romanski nachhaltig: Hittmans Darstellung der prekären Situation ihrer Figuren ließen das Script emotional eindringlich und packend zugleich wirken. „Die Magie bestand darin, dass man nicht wusste, was vor einem liegt“, so Murphy. „Bestimmte Details der Erzählung stellt Eliza im Laufe des Films immer wieder infrage, sodass der Zuschauer in gewisser Weise beunruhigt wird. Bei jedem Schritt gibt es eine Wendung. Es geht weniger um die Entscheidung, die Autumn trifft, sondern vielmehr um die Reise und die Hindernisse, denen sie begegnet.“

Romanski zeigt sich von der Darstellung der tiefen und beständigen Verbindung zwischen den beiden jungen Frauen sehr bewegt. „Die Beziehung zwischen Autumn und Skylar ist deshalb so schön, weil sie von bedingungsloser Unterstützung geprägt ist“, so die Produzentin. „Die Frage nach dem Warum und dem Geschehenen kommt überhaupt nicht auf. Skylar stellt Autumns Entscheidung niemals infrage. Ich finde, das ist eine sehr schöne Sache. Und es ist vielleicht ein Aspekt, der bei solchen Erfahrungen ein wenig zu kurz kommt.“

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Info:
BESETZUNG
Rolle                          Schauspieler                                Synchronstimme
Autumn                      SIDNEY FLANIGAN                     Siri Wiedenbusch
Skylar                        TALIA RYDER                               Léa Mariage
Jasper                       THÉODORE PELLERIN                Max Felder
Autumns Mutter        SHARON VAN ETTEN                  Nadia Schönfeldt
Autumns Stiefvater   RYAN EGGOLD                            Tim Knauer

Abdruck aus dem Presseheft