gegartenSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. Oktober 2020, Teil 5

N.N.

London (Weltexpresso) - DER GEHEIME GARTEN von Frances Hodgson Burnett wurde in Buchform erstmals im Jahr 1911 veröffentlicht, nachdem die Geschichte zunächst von November 1910 bis August 1911 als Serie in The American Magazine abgedruckt worden war. Der in Yorkshire angesiedelte Roman wurde zu einem der meistgelesenen in der Karriere von Hodges und gilt gemeinhin als Klassiker der englischen Kinderliteratur.

In seiner originalen periodischen Fassung wurde DER GEHEIME GARTEN indes an die erwachsene Leserschaft vermarktet – nur wenige Kinder blätterten jemals durch The American Magazine und man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man festhält, dass die anhaltende, zeitlose Beliebtheit dem Umstand geschuldet ist, dass alle Generationen Gefallen an dem Stoff finden können.

Bei der Ausarbeitung der Geschichte verfolgte Burnett einen unorthodoxen Ansatz. Sie nahm das traditionelle Konzept einer verwaisten Hauptfigur, machte aus ihr aber ein launisches, verwöhntes und unfreundliches Mädchen, Mary Lennox. Im ersten Satz des Romans heißt es, alle Leute sagten, „einem so unangenehm aussehenden Kind seien sie noch nie begegnet“. Ein Literaturkritiker merkt an: „Mary (...) ist kein freundliches, ausgenutztes Wesen nach Vorbild eines Oliver Twist oder Aschenputtel“. Sie ist keine Jane Eyre. Keine Heidi. Im Alter von sechs Jahren, schrieb Burnett, war Mary tyrannisch und selbstsüchtig.

Auf diesen ungewöhnlichen Anfang baut sich die Geschichte auf. Durch ihre Interaktion mit einem magischen Garten lernt Mary, sich selbst zu heilen. Es gibt keine Rettung durch romantische Liebe. Dies ist eine Geschichte der Selbstverwandlung, in der Themen wie Behinderung und die heilende Kraft der Natur thematisiert werden. Es ist eine Abenteuergeschichte für junge Leser, deren Komplexität die meisten Kindergeschichten transzendiert.

Die Produzenten Rosie Alison und David Heyman von Heyday Films gefiel, dass diese Geschichte Menschen jeden Alters anspricht. „Die Geschichte hat unverkennbar eine Zeitlosigkeit, die uns immer wieder zu ihr zurückkehren lässt“, sagt Alison. „Da steckt etwas ganz Simples und doch Allgemeingültiges in diesem Konzept eines geheimen Gartens – und der Idee eines einsamen Kindes in einem winterlichen Haus, das diesen versteckten Garten entdeckt, ein verlorener Ort mit der Kraft, ihr Leben durch Natur und Freundschaft wieder zu richten und zu heilen.“

Sie fährt fort: „Es ist eine sehr intime Geschichte. Ich denke, jeder kann die Grundidee eines verlorenen geheimen Ortes nachvollziehen, zu dem man einfach nur die Tür zu öffnen braucht und alles ist auf einmal sonnendurchflutet und strahlend und blühend. Den eigenen Weg zu einem verlorenen inneren Hafen zu finden, ist etwas, wovon sich jeder angesprochen fühlen kann.“

„Es ist eine der großen Fabeln über Wiedergutmachung, in vielerlei Hinsicht eine sehr erwachsene Geschichte. Und obwohl ein Mädchen im Mittelpunkt steht und die Erzählung unverkennbar weiblich ist, waren wir doch sehr überrascht, wie oft wir bei unseren Befragungen von Männern hörten, wie sehr sie DER GEHEIME GARTEN mochten.“ Als Beispiel nennt die Produzentin Colin Firth (der als Marys Onkel Archibald Craven zu sehen ist), der von dem von David Heyman in Auftrag gegebenen Drehbuch so bewegt war, dass er eine fest geplante Auszeit verkürzte, um zur Besetzung des Films hinzustoßen zu können. „Colin las das Drehbuch und konnte einfach nicht widerstehen“, sagt Rosie Alison. „Die Reinheit der Geschichte ging ihm sehr nahe.“

David Heyman ist ebenfalls davon überzeugt, dass ihre Adaption, wie die von ihm produzierten Harry Potter-Filme, einen ganz universellen Reiz besitzt. „Wir haben einen Film für ein Publikum gemacht, das von sieben Jahren bis viel älter, als ich es bin, reicht, Menschen in ihren Sechzigern und Siebzigern und darüber hinaus“, meint er.

Die Popularität von DER GEHEIME GARTEN ist so groß, dass der Stoff bereits vier Mal fürs Kino verfilmt wurde. Zudem inspirierte er ein Broadway-Stück und vier Fernsehadaptionen. Rosie Alison findet, dass dennoch die Zeit reif ist für eine Neuerzählung, die das 21. Jahrhundert fest im Blick hat, zumal die wenigsten Kinder eine der früheren Versionen gesehen haben dürften.

„Seit der letzten Verfilmung sind 27 Jahre vergangen“, erzählt sie. „Eine komplette neue Generation hat DER GEHEIME GARTEN noch nie in Bewegtbild gesehen – und hat deshalb noch nie das Vergnügen dieser geheimnisvollen, unheimlichen und hintergründigen Geschichte gehabt. Außerdem waren wir noch nie weiter entfernt von der Natur als heute. Dabei brauchen wir ihre Vorzüge mehr denn je. Deshalb hat die Idee, durch eine kleine Pforte etwas zu betreten, das unser Innerstes öffnet, nichts von ihrem Reiz verloren.“

Sie erzählt weiter: „Und ich hoffe, dass wir mit unserer Adaption etwas gemacht haben, dass tiefere psychologische Fragen stellt, als wir es bisher gesehen haben, wir befassen uns ganz intensiv damit, wie unsere Beziehung mit der Natur aussehen könnte.“

Um diese Vision zu filmischem Leben zu erwecken, wandten sich Alison und Heyman an den Drehbuchautor Jack Thorne, der sich in seinen gefeierten Arbeiten immer wieder mit den Herausforderungen der Kindheit befasst hat, aber sich auch mit dem Gefühl der Isolation in der Jugend und Behinderung wiederholt beschäftigt. Diese Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch Arbeiten, die so unterschiedlich sind wie Wunder (Wonder, 2017), „Skins“, „Cast Offs“, The Scouting Book for Boys (2009), „Let the Right On In“ und „Harry Potter und das verwunschene Kind“. „Wenn man sich mit DER GEHEIME GARTEN beschäftigt, dann zögert man nur, weil man nicht will, dass man etwas Altmodisches macht“, meint Rosie Alison. „Wir wollten aber einen modernen Film machen, der uns alle trifft und direkt anspricht. Jack hat die richtige Stimme dafür – frisch, zeitgemäß. Er versteht es, wie kaum ein anderer, einzufangen, wie Kinder und junge Leute miteinander reden und umgehen.“

„Und er hat ein untrügliches Gespür für unangepasste Kinder. Er hatte „Let the Right One In“ für das Royal Court Theatre adaptiert. Außerdem ist es ihm ein Anliegen, verschiedenste Formen der Behinderung unter die Lupe zu nehmen. Jack hat ein sehr reines Herz, eine reine Seele. Er strahlt große Wärme aus und hat das Talent, lyrisch und spontan zu sein. Deshalb hofften wir, dass ihn das Projekt packen würde.“

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Info:
Der geheime Garten (Großbritannien 2019)
Regie: Marc Munden
Drehbuch: Jack Thorne nach dem gleichnamigen Roman von Frances Hodgson Burnett (1911)
Darsteller: Dixie Egerickx, Edan Hayhurst, Amir Wilson, Colin Firth, Julie Walters, Isis Davis u.a.