Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22.10. 2020, Teil 1
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Die Grundschullehrerin Antoinette (Laure Calamy) freut sich auf die Ferien, hofft sie doch etwas Zeit mit ihrem heimlichen Geliebten Vladimir (Benjamin Lavernhe) verbringen zu können, dem Vater einer ihrer Schülerinnen. Doch jetzt teilt er ihr mit, dass er keine Zeit hat, denn er wird mit seiner Frau und seiner Tochter in den Cevennen einen Wander-Urlaub unternehmen.
Spontan bucht Antoinette ebenfalls eine Trekking-Tour im Nationalpark der Cevennen. Als sie mit großem Gepäck am Startpunkt ankommt, merkt sie, dass sie im Eifer des Gefechts einen Begleit-Esel mit gebucht hat - zum Gespött der anderen Wanderer. Die wundern sich, wieso die Mittvierzigerin allein auf die Trekking-Tour geht. Deshalb erzählt sie ihnen bereitwillig, dass sie hofft ihren Liebhaber unterwegs zu treffen. Das führt zwar zum Naserümpfen bei einigen der Wanderer, wird sie aber auch unterwegs bekannt machen.
Am nächsten Tag lernt sie dann ihren tierischen Begleiter mit Namen Patrick kennen. Der Esel erweist sich anfangs als etwas störrisch aber er entwickelt sich dann doch als ziemlich guter Begleiter, denn er trägt nicht nur das Gepäck, sondern Antoinette erkennt auch, dass Patrick besser läuft, wenn man sich mit ihm unterhält. Sie kann dem stummen Zuhörer ihren gesamten Liebeskummer anvertrauen.
Da Antoinette doch einige Zeit braucht, um sich an die Eigenheiten des Esels zu gewöhnen, wandert sie nicht mit der Gruppe, sondern macht sich allein auf den Stevenson Wanderweg durch die Cevennen. Dummerweise führt das auch dazu, dass sie sich am zweiten Tag verläuft und eine Nacht zusammen mit Patrick im Wald verbringen muss.
Doch an der nächsten Übernachtungsstelle tauchen auch Vladimir und seine Familie auf, die ebenfalls einen Esel als Begleitung gebucht haben. Ganz zum Unwillen von Vladimir wollen dessen Ehefrau und vor allen seine Tochter jetzt gemeinsam mit Antoinette und den Eseln weiterziehen. Dabei gibt es auch ein Gespräch zwischen Vladimirs Ehefrau und Antoinette, das nicht so ganz nach deren Geschmack ist.
Als Antoinette dann mit Patrick zusammen Reißaus nehmen will, wird der Esel doch etwas zu schnell, dadurch kommt Antoinette gehörig aus dem Tritt und verstaucht sich den Knöchel.
In der nächsten Herberge trifft sie auf eine Gruppe von Bikern, die sie mit zu einem Zug durch die Kneipen des Ortes nehmen und sie fragen, ob sie nicht mit ihnen mitfahren will. Doch sie entschließt sich, mit Patrick allein ans Ende ihrer Wanderung zu gehen, denn sie erkennt, dass für sie der Weg das Ziel ist. Auch merkt sie, dass ihr das Grautier doch sehr ans Herz gewachsen ist, deshalb will sie sich am letzten Morgen unbedingt noch von Patrick verabschieden...
Antoinette wandert mit dem Esel Patrick auf dem mittleren Teil GR 70 Fernwanderweg - Robert-Louis-Stevenson-Weg. Der berühmte schottische Autor wanderte 1878 zusammen mit seiner Esel-Dame Modestine eine Strecke von 227 Kilometer von Le Monastier-sur-Gazeille bis nach Saint-Jean-du-Gard in 12 Tagen. Seine Erlebnisse hat er dann 1879 in seinen Reiseerinnerungen Travels with a Donkey in the Cévennes (deutsch: Eine Reise mit dem Esel durch die Cevennen) veröffentlicht.
1993 wurde der befestigte und ausgewiesene Fernwanderweg angelegt, der in Puy en Velay in der Auvergne beginnt und über ca. 250 km bis nach Alès in Languedoc-Roussillon führt. Die Esel-Wanderungen finden immer auf dem mittleren Stück des Fernwanderweges statt und dauern 7 Tage.
Regisseurin und Drehbuchautorin von "Antoinette dans les Cévennes" - so der Originaltitel - ist Caroline Vignal. Sie hat sich nicht nur Stevensons Buch als Vorlage genommen, sondern auch den Hintergrund für Stevensons Wanderung, denn der damals 28jährige Autor hat die Tour unternommen, da er Liebeskummer hatte, denn seine Angebetete Fanny Osborne war gerade nach San Francisco zurückgefahren. Übrigens liest Antoinette unterwegs auch immer wieder in dem Buch.
Dabei ist Antoinette erst einmal keine unbedingt positive Figur und das nicht nur, weil sie mit einem verheirateten Mann und Vater einer Schülerin schläft. Sie ist auch eine Person, die am Anfang doch wenig auf die Reihe bekommt. Dies wird recht deutlich dargestellt, wenn Antoinette zu Beginn der Wanderung versucht, den Esel in eine von ihr bestimmte Richtung zu schieben. Sie muss erst lernen, wie sie das Tier dazu bekommt, nicht mehr ganz so störrisch zu sein.
Die Regisseurin lässt dabei in ihrem Roadmovie Laure Calamys Antoinette eine innere Wandlung durchmachen, indem diese begreift, dass sie nicht unbedingt einem verheirateten Mann, der möglicherweise noch mit anderen Frauen schläft, hinterherlaufen muss.
Caroline Vignal zeigt daneben aber auch die einzigartige Landschaft in den Cevennen, die wunderbar von Kameramann Simon Beaufils eingefangen wurde.
Natürlich gibt es in "Mein Liebhaber, der Esel & ich" einige Szenen, in denen sich Antoinette zum Affen macht, aber der Zuschauer merkt aber auch recht bald, dass die Begegnung mit der Natur auch zu einer Begegnung mit sich selbst führt. Der Esel Patrick ist dabei ein treuer Begleiter, der nicht nur wie ein Therapeut wirkt, dem sie all ihre Probleme, Gefühle und Gedanken anvertrauen kann, sondern er ist - wie sind schließlich in einer französischen Komödie - auch die Quelle für einige Missgeschicke und für verzweifelte Situationen.
Benjamin Lavernhe, der in Deutschland vor allem als Autist in "Birnenkuchen mit Lavendel" (2015) bekannt geworden ist, hat in dem Film nur eine kleinere Rolle. Er spielt trocken aber doch augenzwinkernd den untreuen Ehemann als selbstverliebten Mistkerl, dem die ganze Geschichte dann doch etwas über den Kopf wächst. Vladimir betrügt ohne Skrupel seine Frau und spielt auch mit den Gefühlen seiner Geliebten, doch das wichtige der Story ist, dass Antoinette ihn letztendlich durchschaut.
Da Robert Louis Stevensons Reiseerinnerungen als Grundlage der Geschichte dienen, hat der eine oder andere Zuschauer sicher Lust, sich das Buch zu besorgen, denn es ist in Deutschland im Buchhandel erhältlich.
Insgesamt ist "Mein Liebhaber, der Esel & ich" eine charmante, unangestrengte aber nicht allzu tiefgründige Liebeskomödie, die besonders von der traumhaften Gegend, in der der Film spielt, profitiert. Natürlich funktioniert auch in diesem Film die altbekannte und bewährte Botschaft, dass der Weg das Ziel ist. Das alles macht den Film unbedingt sehenswert.
Foto: Antoinette (Laure Calamy) mit Esel Patrick © CHAPKA FILMS - LA FILMERIE - FRANCE 3 CINEMA / Wild Bunch Germany
Info:
Mein Liebhaber, der Esel & ich (Frankreich 2020)
Originaltitel: Antoinette dans les Cévennes
Genre: Komödie
Filmlänge: 95 Min.
Regie: Caroline Vignal
Drehbuch: Caroline Vignal
Darsteller: Laure Calamy, Benjamin Lavernhe, Olivia Cote, Marc Fraize, Louise Vidal u.a.
Verleih: Wild Bunch Germany / Capelight Pictures
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 22.10. 2020