Bildschirmfoto 2020 10 24 um 01.05.32Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22.10. 2020, Teil 3

Laure Calamy

Paris (Weltexpresso) - Mit welchen Gefühlen haben Sie das Drehbuch gelesen?

Ich habe das Drehbuch in einem Rutsch gelesen und dachte: “Wahnsinn! Dieser Stoff ist absolut wie für mich gemacht. Diese Autorin muss mich kennen!”. Hier passt einfach alles für mich. Ich wandere leidenschaftlich gerne und fand diese Geschichte mit dem Esel ebenso lustig wie bewegend. Ich hatte beim Lesen wirklich so manche Träne im Auge.


Für Sie bedeutet der Film Ihre erste große Leinwandrolle...

Auf jeden Fall! Und ich bin so froh, dass ich meine erste Hauptrolle in solch einem wunderbaren Film spiele. Als ich die Zusage bekam, habe ich einen echten Freudentanz in meiner Wohnung aufgeführt.


Welche Ähnlichkeiten sehen Sie zu Antoinette, die Sie spielen?

Vor einigen Jahren unternahm ich eine Wanderung von Collioure nach Cadaquès, die zum Schlüsselerlebnis wurde. Es war wie eine wiedergewonnene Kindheit, eine neue Freiheit, eine Wiedergeburt. Zuvor hatte ich mir viel zu selten Zeit genommen, um die Natur zu genießen. Für Antoinette wird diese Wanderung zu einem Weg zu sich selbst. Zu Fuß gehen ist wie zu schreiben: Die Gedanken entwickeln sich als Prozess. Wandern ähnelt der Psychoanalyse. Man denkt über sich selber nach und über jene, die wir lieben. Man philosophiert über das Leben, was durchaus demütig macht. Schon Desproges sagte: "Der Mensch ist nur Staub, daher die Bedeutung des Staubwedels." (lacht)


Konnten Sie während der Dreharbeiten die Natur genießen?

Darauf wollte ich nicht verzichten. Ich liebe diese Gegend der Cevennen. Mit Dominik Moll hatte ich dort schon einmal im Winter „Only the Animals“ (OT:“Seules les Betes”) gedreht. Aber im Sommer ist die Natur ganz besonders reizvoll. Bei den Dreharbeiten verbrachten wir drei Wochen lang auf Bergpfaden und haben dabei nicht getrödelt. Wir brachten es auf zehn bis fünfzehn Kilometer pro Tag, wie der Schrittzähler des KameraAssistenten dokumentiert.


Wie dreht man mit einem Esel als sturem Schauspiel-Partner?

Ich wusste ein wenig über Esel, weil es welche in der Nähe vom Haus meines Freundes gibt. Durch den Film habe ich natürlich viel über diese Tiere gelernt. Unser Patrick war eher ein Einsiedler, der seine Ruhe mag. Zugleich war er aufmerksam, einfühlsam und reagierte auf alles. Er blühte während der Dreharbeiten regelrecht auf. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht und entwickelten wirklich eine Beziehung. Am letzten Drehtag spürte er, dass es Zeit für den Abschied war. Er leckte meine Beine und Hände, was er nie zuvor tat. Ich fing an, mir die Augen auszuweinen. Dieser Esel ist ein wahres Wunderwerk.



Der Stevensonweg

Robert Louis Stevenson, ein schottischer Schriftsteller des viktorianischen Zeitalters, wird bekannt durch Klassiker wie “Die Schatzinsel” oder “Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde”. Vor seinen literarischen Erfolgen beginnt der aus wohlhabenden Verhältnissen stammende Autor eine Affäre mit Fanny Osbourne, einer verheirateten Frau mit zwei Kindern, die er in Frankreich kennenlernt. Die Liebe endet jäh mit der Rückkehr von Fanny nach Kalifornien. Robert versinkt in Depressionen. In der Hoffnung, seinen Schmerz zu vergessen, macht sich der junge Schotte am 22. September 1878 auf den Weg in die Cevennen. In Monastier-sur-Gazeille (Haute-Loire) kaufte er einen kleinen Esel namens Modestine, der ihn auf seiner Reise begleiten wird. In zwölf Tagen legt der Wanderer 220 Kilometer zurück, bevor er am Ziel Saint-Jean-du-Gard ankommt. Seine Erlebnisse bringt Stevenson als Reisebericht zu Papier, der 1879 der unter dem Titel “Travels with a donkey in the Cévennes” erscheint. Das Honorar ermöglicht ihm, zu Fanny nach Kalifornien zu reisen. Seine Herzensdame lässt sich scheiden und heiratet den Autor. Stevensons Reiseerzählungen entwickeln sich zur Kult-Lektüre für Wanderer auf der ganzen Welt. Seine Tourstrecke mit dem Esel durch den Naturpark, der GR 70 Fernwanderweg, ist mittlerweile als “Stevensonweg” bekannt und lockt jedes Jahr über 10.000 Wanderer an - ob mit oder ohne Esel.

Foto:
© Verleih

Info:
Mein Liebhaber, der Esel & ich (Frankreich 2020)
Filmlänge: 95 Min.
Regie: Caroline Vignal
Drehbuch: Caroline Vignal
Darsteller: Laure Calamy, Benjamin Lavernhe, Olivia Cote, Marc Fraize, Louise Vidal u.a.