DVD 3D SuicideTouristEin Film von Jonas Alexander Arnby bei Leonine ab 11. Dezember auf DVD

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Alle Filme haben und hatten es im Jahr 2020 sehr schwer. Darum sind die Veröffentlichungen auf DVDs und anderen Geräten segensreich, erstens damit die fertigen Werke zur Freude der Macher gezeigt werden können, zweitens, damit die Zuschauer sie sehen können und auch Freude daran haben oder nicht. Selbstmordtouristen sind auf jeden Fall ein Thema der Zeit.

Verstehen Sie den Titel? Ich mußte da zuerst an die bisherige Situation denken, als Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer das Leben nehmen wollten, ins Ausland, hauptsächlich die Schweiz gefahren sind, ihren erwünschten Tod bei einem Verein angemeldet hatten, ein Hotel mieteten, Touristen waren, die dort blieben. Dazu gibt es eine eindringliche Kurzgeschichte von Daniel Kehlmann. Das müßte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar des Jahres, daß geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung verfassungskonform ist, auch in Deutschland möglich sein und sicher mit entsprechenden Wohneinrichtungen einen touristischen Anstrich erhalten. Das galt bisher für einen Selbstmord aus Gründen des durch Krankheit nahenden Todes, dessen letzte Phase und die Schmerzen man sich ersparen will.

Das Thema Selbstmord bewirkt ja durch GOTT, das Theaterstück von Ferdinand von Schirach, durch die TV Ausstrahlung längst einen weiteren Diskurs, wo es ja um einen völlig Gesunden Menschen geht, der wegen des Todes seiner Frau nicht mehr leben will, trotz Kindern und Kindeskindern. Wird das Mode, werden die Selbstmordtouristen zunehmen und die Selbstmordeinrichtungen anschwellen. Und zunehmen wird auch die ethische Frage, wer der oder die Helfer mit welchen Mitteln beim erlaubten Selbstmord sein sollen. Ein Film also zur rechten Zeit. Ja und nein. Denn, nachdem ich – wie es einfach bei einem solchen Thema ist – ernst und konzentriert dem Film folgte, war ich auf einmal in mehreren Filmen, die die Frage der Sterbehilfe aber nicht berührten, um so mehr die Art und Weise ihrer Durchführung, mehrere Filme, deren Funktion und Zusammenspiel ich nicht mehr rund bekam. Fangen wir von vorne an.


Im Film von Jonas Alexander Arnbyer  ist der Versicherungsmakler und Ehemann Max Isksen (Nikolaj Coster-Waldau), ein gestandener Typ,  krank, schwer krank. Wir lernen ihn kennen, wenn er ein Video aufnimmt, in dem er seinen Tod ankündigt. Daß nicht linear erzählt wird, und ich mir das Folgende zusammenreime, finde ich angesichts des total auserzählenden amerikanischen Kinos eher gut. Durch den Arzt, die Bilder und das MRT erkennt man, daß er einen Hirntumor hat, einen bösartigen, der weit fortgeschritten ist. Er erfährt zudem, daß er nicht nur unheilbar krank ist, sondern der Tumor progressiv sein Wesen in Kürze verändern wird. Seine Versuche, seine vagen kleinen Versuche, dies seiner warmherzig erscheinenden Frau Lærke (Tuva Novotny) mitzuteilen, ihr mit der Diagnose die Wahrheit zu sagen, gehen ins Nichts. Er kann einfach nicht. Er kann sich aber ob seiner Zukunft selbst umbringen. Dessen sind wir Zeuge. Der Versuche. Die gehen jedoch schief, was eine gewisse Komik entwickelt, wenn der Strick reißt und man sich nicht selbst ertränken kann.

Immer wieder nimmt er den Anlauf, mit seiner Frau zu reden, die vielen gemeinsamen Essen wären auf jeden Fall die Gelegenheiten, aber sie verstreichen. Da wird er abgelenkt. Und zugelenkt gleichzeitig. Denn er bekommt einen Fall vorgelegt, der sehr viel mit ihm zu tun hat. Eine Kundin vermißt ihren Mann, der sich mit einem Selbstmordhotel, ein HOTEL AURORA beschäftigte, wo auf freiwilliger Basis Menschen in den Tod begleitet werden, wo irgendetwas nicht koscher ist. Aus mehreren, dem Zuschauer einsichtigen Gründen interessiert sich Max für diese Luxuseinrichtung sofort. Und fährt hin. Aha, das hatten wir doch schon in A Cure for Wellness, wo es um ein unheimliches Sanatorium ging, wo auch die Menschen verschwanden. Aber es kommt völlig andersw.

Bis dahin kann man dem Geschehen gut folgen. Die Aufnahmebedingungen dieser Selbsthilfeeinrichtung, die sich Aurora Hotel nennt, für das man sehr viel zahlen muß, aber auch ein herrliches Ambiente mit luxuriöser Ausstattung, einem durch Vollverglasung traumhaften Blick über den See in tiefe norwegische Landschaft als Äquivalent erhält, enthält bei Vertragsabschluß, denn nur dann kommt man hinein, für die Selbstmordtouristen eine Bedingung: die Unterschrift ist nicht rückziehbar, also nicht reversibel, sozusagen, um auf einen aktuellen Filmtitel einzugehen. Wer freiwillig unterschreibt, stirbt, auch wenn er anderen Sinnes wird.

Aber der kranke Max wollte ja sterben. Kommt jetzt der Kriminalfall, wird das jetzt mit ES GIBT KEIN ENTKOMMEN, angekündigt?Wir sprachen ja von den mehreren Filmen, denn einerseits geht es mit den Selbstmordversuchen weiter – oder sind es Mordversuche, denn Max ist ja dort in doppelter Funktion. Er sucht nach dem verschwundenen Mann seiner Kundin und er sucht nach seinem Tod. Viel Rätselhaftes passiert. Dazwischen taucht aber immer wieder seine Frau auf, die weiterhin so liebevoll ist, der er aber nichts sagen kann. Dann passieren merkwürdige Dinge. Träumt er die, sind die wirklich? Und was war das eben? Befinden wir uns in einer anderen Zeitebene. Auch wenn ich das Mitdenken gerne habe, komme ich nicht ganz mit.

Das Rätselhafte nimmt zu, das Verständnis ab. Sehr gut vermittelt sich eine verstörende Atmosphäre, nur weiß man nicht wozu, wohin. Eigentlich wähnt man Max etliche Male tot, so am Schluß, als er selbstgewollt weit aufs Eis geht und einbricht, tief unter Wasser gezogen wird, das Eis über ihm, immer tiefer. Schnitt. Da ist er einfach in einer Szene vollständig angezogen wieder lebendig. Die Szenen sind oft rätselhaft, die Gespräche, die er im Hotel mit den anderen Gästen, den anderen Selbstmordwilligen sind wirr. Ist Max noch bei Sinnen? Sollen die Gespräche seinen Hirnschwund zeigen, oder dreht da jemand und zwingt ihm die Selbsteinschätzung, daß es mit ihm zu Ende geht, auf?

Und was ist mit dem Mann der Kundin, der verschwand? Was wird mit ihm? Irgendwie zu viele Fragen. Dabei ist das Thema wirklich eines der Zeit. Und die Szenerie und die Schauspieler passen perfekt. Aber das Drehbuch, das würden wir gerne mal lesen: es ist von Rasmus Birch.

Daß man auf diese Weise jedoch wieder einmal Johanna Wokalek sehen darf, die eine Rolle im Aurora spielt, freut einen, das nur nebenbei.

Foto:
Cover

Info:
Titel
Suicide Tourist - Es gibt kein Entkommen (2019)
Originaltitel
Selvmordsturisten
Internationaler Titel
Suicide Tourist
Deutscher Titel 
Es gibt kein Entkommen
FSK 12 

Regie      Jonas Alexander Arnby
Drehbuch.   Rasmus Birch

Darsteller
Nikolaj Coster-Waldau, Tuva Novotny, Kate Ashfield, Robert Aramayo

DVD
Laufzeit 86 Min. 
Bild 2.40:1
Ton: Dolby Digital 5.1
Sprache: Deutsch, Dänisch
Untertitel: Deutsch
Vertrieb: Leonine