Brexit TV1Geschichtsdrama am 3. April 2021 bei ONE

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - 2015 verkündet der britische Premierminister David Cameron, dass es 2016 ein Referendum zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union geben soll. Deshalb versucht der konservative politische Stratege Matthew Elliott (John Heffernan) Dominic Cummings (Benedict Cumberbatch) als Chef der Kampagne zu gewinnen. Der legt sich erst einmal mit Douglas Carswell (Simon Paisley Day), dem einzigen Abgeordneten der UK Independence Party (UKIP) an. Cummings nimmt den Job aber nur unter der Bedingung an, dass er die alleinige Kontrolle der "Vote Leave" Kampagne hat.

Zur gleichen Zeit versuchen der Vorsitzende der UKIP und Europaabgeordnete Nigel Farage (Paul Ryan) und sein Geldgeber der Geschäftsmann Arron Banks (Lee Boardman) Leave.EU zu installieren und mit Cummings zusammen zu arbeiten. Der lässt allerdings Farage abblitzen, da er ganz andere Vorstellungen von einer Kampagne hat. Cummings stößt auch immer wieder konservative Tory Abgeordnete vor den Kopf, indem er seine geplante Strategie durchziehen will, während seine Geldgeber eine traditionelle Kampagne erwarten.

Cummings trifft sich auch mit Zack Massingham (Kyle Soller), einem kanadischen Analysten und Gründer von AggregateIQ, einem politischen Beratungs- und Technologieunternehmen. Massingham erklärt deutlich, dass sein Konzept darin besteht aus personenbezogenen Daten politische Slogans zu personalisieren und an die entsprechenden Benutzer zu senden, mit dem Ziel, die jeweiligen Personen gemäß den Vorgaben zum Handeln zu bringen.

Während die Gruppe um Boris Johnson (Richard Goulding), Nigel Farage und Arron Banks mit der Kampagne "Leave.EU" starten, entwickelt Cummings den Slogan "Vote Leave, Take Control Back", der bei der Bevölkerung Englands deutlich besser ankommt, da er das Gefühl der nicht bereits festgelegten Wähler anspricht und dadurch auch deren Unzufriedenheit mit ihrer gegenwärtigen Situation. Das wird dann letztendlich auch zu deren Wahlverhalten führen.

Zur gleichen Zeit versucht Craig Oliver (Rory Kinnear) als politischer Stratege von "Britain Stronger in Europe" seine Landsleute vom Verbleib in der EU zu überzeugen. Er meint, dass seine Strategie der zum verhinderten Austritt Schottlands aus dem britischen Königsreich entsprechen sollte und befragt Befürworter und Ablehner nach ihren Vorstellungen. Dabei meint er, dass die wichtigste Botschaft "Jobs und Ökonomie" für die unentschlossenen Wähler seien, während Cummings erkennt, auch durch seine Besuche in Pubs und in abgelegenen Gegenden und durch Gespräche mit der dortigen Bevölkerung, dass vor allem der Slogan "Verlust der Kontrolle" bei dieser Wählergruppe ankommt.

Kurz vor dem Referendum treffen sich Dominic Cummings und Craig Oliver auf einem U-Bahnhof, haben einen Drink zusammen und besprechen die Folgen. Dabei bemerkt Cummings: "Der Zug, der hier fährt, ist nicht der, den Sie erwartet haben. Er ist nicht einmal derjenige, der angekündigt wurde. Es ist nicht einmal der Zug, den ich mir vorgestellt habe. Aber ich akzeptiere das. Sie können das Ergebnis nicht aufhalten." Darauf antwortet ihm Oliver: "Seien Sie vorsichtig, was Sie sich wünschen. Sie werden es auch nicht kontrollieren können."

Nach dem für Cummings siegreichen Referendum am 23. Juni 2016 verlässt er noch während der Siegerfeier das Wahlbüro.

Die Schlusssequenz zeigt Cummings bei den Ermittlungen über das Fehlverhalten AggregateIQ, Cambridge Analytica und Leave.EU (zu der er in Wahrheit nicht erschienen ist). Er fühlt sich von dem politischen System angewidert.


Brexit TV2"Brexit - Chronik eines Abschieds" ist ein britischer Fernsehfilm von Regisseur Toby Haynes nach dem Drehbuch von James Graham, der in Großbritannien von Channel 4 am 7. Januar 2019 gezeigt wurde und im April 2019 in Deutschland auf DVD erschienen ist. Jetzt kann man ihn auch erstmals im deutschen Fernsehen am Samstag, dem 03.04.2021 um 20:15 Uhr bei ONE ansehen.

Er beschäftigt sich vor allem mit den Strategen und Strategien, die hinter der "Vote Leave" Kampagne steckten. In der Hauptrolle des Dominic Cummings konnte Regisseur Toby Haynes Benedict Cumberbatch gewinnen, mit dem er bereits bei der Sherlock - Folge "The Reichenbach Fall" (2012) zusammen gearbeitet hat.

Dominic Cummings mag nicht allzu bekannt sein, denn er war nicht das Gesicht der Leave-Kampagne, aber er war sicher einer der wichtigsten Vertreter des Brexit hinter den Kulissen. Cumberbatch spielt ihn gerissen und skrupellos. Er ist bereit für einen Sieg jedes Mittel anzuwenden und er weiß genau, die Ängste, Vorstellungen und Wünsche der britischen Bevölkerung anzusprechen. Er erkennt, dass der Slogan nicht heißen muss "Vote Leave, Take Control", sondern "Vote Leave, Take Control Back". Dazu ist er in der Lage nicht nur die normalen Wege zu gehen, um die Wähler anzusprechen, sondern er nutzt ganz gezielt die digitalen Medien.

Der Film macht deutlich, dass es vor allem die Strategie Cummings war, die die Leave-Partei zum Erfolg geführt hat, denn die andere Leave-Gruppe um Boris Johnson und Nigel Farage wird doch als recht dümmlich und unfähig dargestellt. Vor allem Boris Johnson ist nicht in der Lage, wichtige Gründe aufzuzeigen, warum Großbritannien die EU verlassen sollte. Auch andere konservative Abgeordnete werden als eitel dargestellt und es wird gezeigt, dass sie die Strategie Cummings nicht verstehen, aber sehr wohl bereit sind, für den Erfolg alles zu riskieren.

Denn es war eindeutig Cummings Ziel, sich anzuhören, was die britischen Wähler an der EU stört und genau diese Zielgruppe anzusprechen. Denn gerade die Nichtwähler, die sich von der EU nichts versprechen, glaubten den Zahlen, dass Großbritannien viel zu viel Geld in den EU-Haushalt einzahlen würde und das bei einem Austritt dieses Geld im Land bleiben würde und genau dieser Wählerschicht zu Gute kommen würde. Der Film macht aber auch deutlich, dass die Remainer nicht in der Lage waren, der britischen Bevölkerung klar zu machen, dass die Zahlen völlig aus der Luft gegriffenen waren.

Als zweites Bespiel wurde gezeigt, dass die Angst vor der Migration am Beispiel des gar nicht zur Debatte stehenden Beitritts der Türkei geschürt wurde, und dass da mit völlig irrationalen Zahlen gearbeitet wurde, die aber von der angesprochenen Zielgruppe geschluckt wurden.

Aber auch Cummings Gegenspieler Craig Oliver kommt im Film nicht gerade gut weg. Oliver war ein ehemaliger BBC-Journalist und David Camerons Pressechef, der ihn mit der Remain-Kampagne betraut hat. Es wird ihm vorgeworfen, dass seine Pro-EU-Aktionen zu konventionell und zu ideenlos gewesen seien.

"Brexit - The Uncivil War" ist ein ungemein spannender Film, der aber an einigen Stellen - auch durch die Komplexität des Themas - doch recht unübersichtlich ist. Im Film geht es weniger um ein rationales Abwägen von Für- und Wider-Argumenten beim Brexit, sondern es wird an den Beispielen gezeigt, welche Macht in solchen populistischen Strategien stecken und wie die Bevölkerung durch das Ansprechen von Gefühlen und Ängsten und nicht von Fakten verbunden mit einer entsprechenden Medienkampagne getäuscht werden kann.

Trotz der leisen Kritik sollte man sich den Film unbedingt im Fernsehen ansehen. Da der Austritt inzwischen stattgefunden hat, mag er nicht mehr up-to-date sein, aber er wird ganz sicher dazu anregen, sich dann weiter über die Hintergründe und die gezeigten Personen zu informieren und darüber nachzudenken, wie leicht eine Beeinflussung in der Politik ist.

Foto 1: v.l.n.r.: Boris Johnson (Richard Goulding), Dominic Cummings (Benedict Cumberbatch) und Michael Gove (Oliver Maltman) © WDR/Channel 4/House Productions
Foto 2: Craig Oliver (Rory Kinnear, l.) und Dominic Cummings (Benedict Cumberbatch) © WDR/Channel 4/House Productions

Info:
Brexit - Chronik eines Abschieds (Großbritannien 2019)
Originaltitel: Brexit: The Uncivil War
Genre: Polit-Drama, Geschichtsdrama, Biografie
Filmlänge: ca. 93 Minuten
Regie: Toby Haynes
Drehbuch: James Graham
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Rory Kinnear, John Heffernan, Oliver Maltman, Richard Goulding u.a.
FSK: ab 12 Jahren
TV-Start am Samstag, 03.04.2021 um 20:15 Uhr bei ONE. Der Film ist ab dem 4. April 2021 für 30 Tage in der ARD-Mediathek auch in der englischen Originalfassung abrufbar.