Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. Juli 2021 Teil 9
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - 1960 hält Regierungschef Nikita Chruschtschow (Vladimir Chuprikov) eine Rede zum Einsatz von Atombomben gegen die USA von Kuba aus, die auch der Geheimdienstoberst Oleg Penkowski (Merab Ninidze) mit hört. Daraufhin bittet Penkowski über die amerikanische Botschaft die CIA um Kontaktmöglichkeiten.
Da die CIA nicht direkt mit Penkowski in Verbindung treten möchte, bittet sie den britischen Geheimdienst MI6 um Amtshilfe. Deshalb laden die CIA-Agentin Emily Donovan (Rachel Brosnahan) und der MI6-Mitarbeiter Dickie Franks (Angus Wright) dessen ehemaligen Klassenkameraden - den britischen Geschäftsmann Greville Wynne (Benedict Cumberbatch) - zum Lunch ein. Da Wynne gute Geschäfte mit den osteuropäischen Staaten macht, fragen sie ihn, ob er seine Handelsgeschäfte nicht auch in die Sowjetunion ausdehnen möchte.
Nachdem Wynne erst einmal unsicher war, willigt er letztendlich ein. Wynne soll sich mit Penkowski in Moskau treffen. Der fragt ihn als erstes, ob er trinkfest sei. Wynne lernt dann einige russische Mitarbeiter kennen und versucht ihnen seine technischen Produkte zu verkaufen. Penkowski gibt im Laufe der Zeit immer wieder Informationen über das sowjetische Atomprogramm an Wynne weiter, weil er hofft, auf diese Weise einen Nuklearkrieg zwischen der UdSSR und den USA abzuwenden, da die USA Atomraketen in der Türkei stationiert hat und die UdSSR eigentlich weiterhin deutlich weniger entwickelte Atomraketen haben.
Im Laufe der Zeit entsteht zwischen den beiden Männern, die jeweils eine Frau und ein Kind haben, eine immer intensiver werdende Freundschaft, die auch zu gegenseitigen Besuchen in London und Moskau der jeweiligen Familien führt. Allerdings hat Greville Wynne immer wieder Probleme mit seiner Frau, die hinter Wynnes immer häufigeren Reisen in die Sowjetunion nicht nur etwas berufliches, sondern auch etwas persönliches vermutet (da es vorher schon einmal einen Seitensprung ihres Mannes gegeben hat).
Während 1962 die Kubakrise ihren Höhepunkt erreicht, ahnen die beiden Männer nicht, dass auch in den Reihen des MI6 Agenten für die Gegenseite spionieren und der KGB über einen Spion informiert worden ist, der Unterlagen an das MI6 weitergibt. Als dann die Gefahr besteht, dass Oleg Penkowski in Moskau aufzufliegen droht, entscheidet Wynne, dass er versuchen muss, seinen Freund zu warnen und fliegt entgegen aller Warnungen von CIA und MI6 nach Moskau, auch auf die Gefahr hin, selbst vom KGB als Spion verhaftet zu werden...
Regisseur von "Der Spion", der im Englischen besser "The Courier" heißt, ist Dominic Cooke, nach einem Drehbuch von Tim O’Connor. Das Biopic hat als Hintergrund die wahre Geschichte des englischen Ingenieurs und Geschäftsmannes von Elektroartikeln Greville Wynne (1919 - 1990) und des sowjetischen Kriegshelden und Geheimdienstoffizier Oleg Vladimirovich Penkovsky (1919 - 1963), der Alex genannt werden wollte.
Wynne wurde übrigens in Wahrheit nicht wie im Film auf dem Flughafen in Moskau verhaftet, sondern in Budapest vom sowjetischen Geheimdienst gekidnappt. Er kam 1964 wieder frei, im Austausch gegen den russischen Spion Konon Molody (aka Gordon Lonsdale). Wynne kehrte nach seiner Haft zwar zu seinen Geschäften zurück, litt aber unter Depressionen und Alkoholismus. Er setzte sich - zusammen mit seiner zweiten Frau - auf Mallorca zur Ruhe und verfasste eine Autobiografie und mehrere Spionage-Bücher. Er verstarb 1990 in London im Alter von 70 Jahren an Kehlkopfkrebs.
Die Dreharbeiten zum Film fanden in London und in Prag und Umgebung statt. Die tschechischen Lokalitäten dienten verschiedenen Orten in der UdSSR als Kulisse, so z.B. dem Bolschoi-Theater, dem Kreml und dem Flughafen Moskau-Scheremetjewo. Die Dreharbeiten begannen Mitte Oktober 2018 in London und endeten im Dezember 2018. Nachdrehs erfolgten dann im März 2019, da Benedict Cumberbatch für die Szenen während Wynnes Gefängnisaufenthalt drei Monate Zeit benötigte, um an Gewicht zu verlieren, damit er die physische Transformation von Wynne glaubhaft darstellen konnte.
Die Story beruht zwar auf realen Gegebenheiten wurde aber doch in mancherlei Hinsicht geändert. Dies beginnt schon mit dem Hintergrund von Greville Wynne, der während des 2. Weltkrieges bereits für den britischen Geheimdienst gearbeitet hatte, sowie den Details aus dem Privatleben der Hauptrollen. Auch einzelne Personen wie die CIA-Agentin Emily Donovan wurden dazuerfunden.
Aber es ist dennoch ein spannend inszenierter Film entstanden, in dem es dem Regisseur hervorragend gelungen ist, die Atmosphäre und auch die Ängste der frühen Sechzigerjahre lebendig werden zu lassen. Dies gilt auch für die Lokalitäten, die von dem Oscar-nominierten Kameramann Sean Bobbitt hervorragend eingefangen wurden.
Der Film lebt allerdings vor allen Dingen von der Interaktion der beiden Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch und dem georgischen Schauspieler Merab Ninidze, der seit 1994 in Österreich lebt. Cumberbatch verkörpert Greville Wynne auf geradezu fantastische Weise, und nicht nur, in den Gefängnisszenen, wenn er beinahe ausgehungert aussieht.
Die übrigen Darsteller haben dagegen nur kleinere Rollen, können darin aber auch überzeugen. Dies gilt sowohl für Rachel Brosnahan als CIA-Mitarbeiterin Emily Donovan, Jessie Buckley als Wynnes Ehefrau Sheila, die immer noch daran knappert, dass ihr Mann sie einmal betrogen hat, oder Angus Wright als Wynnes alter Bekannter und MI6-Mitarbeiter Dickie Franks. Der russische Schauspieler Kirill Pirogov schafft es dem KGB-Offizier Gribanov die nötige Gefährlichkeit und Undurchsichtigkeit zu verleihen.
"The Courier" ist eine wahre Geschichte einer unwahrscheinlichen Freundschaft zweier Männer, die möglicherweise einen Krieg verhindert haben, in einer Zeit, als die Welt am Rande eines Atomkrieges stand. "Der Spion" hat sicher das Spionage-Genre nicht neu erfunden, aber es ist ein grundsolider Film entstanden, der inhaltlich zur gleichen Zeit spielt wie Steven Spielbergs "Bridge of Spies" (2015).
Insgesamt ist "Der Spion" ein unkonventioneller Spionagethriller zwischen Mauerbau und Kubakrise, der selbst wenn man das Ende schon kennt, spannend bleibt, dessen Plus aber vor allem seine hervorragenden Darstellern sind. Schon allein aus diesem Grund sollte man sich den Film im Kino ansehen.
Foto 1: Die beiden Kollegen Oleg Penkowski (Merab Ninidze) und Greville Wynne (Benedict Cumberbatch) © Telepool
Foto 2: CIA Agentin Emily Donovan (Rachel Brosnahan) und Greville Wynne (Benedict Cumberbatch) © Telepool
Info:
Der Spion (Großbritannien, USA 2020)
Originaltitel: The Courier
Genre: Spionage, Thriller, Drama, Biopic
Filmlänge: ca. 112 Min.
Regie: Dominic Cooke
Drehbuch: Tim O’Connor
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Merab Ninidze, Rachel Brosnahan, Jessie Buckley, Vladimir Chuprikov, Angus Wright, Kirill Pirogov u.a.
Verleih: Telepool
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 01.07.2021