nochmal nomadlandSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. Juli 2021, Teil 3

Redaktion

Hollywood (Weltexpresso) - Der Dreh von NOMADLAND erstreckte sich über sechs Monate, beginnend im September 2018 in South Dakota, wo man die Szenen in den Badlands und am Wall Drug drehte. „Um in South Dakota drehen zu können, was ich bereits zweimal gemacht habe, muss es September/Oktober beziehungsweise Mai sein“, erzählt Chloé Zhao. Von dort ging es weiter nach Nebraska.

„Wir fuhren durch Deadwood auf unserem Weg runter nach West-Nebraska, um bei der Rübenernte dabei zu sein“, sagt Produzent Peter Spears. „Danach hatten wir ein bisschen freie Zeit, um uns im Anschluss in Empire, Nevada, in der Nähe der Black Rock Desert, wo jährlich das Burning Man Festival stattfindet, wieder zusammenzufinden.“ Zhao und Frances McDormand hatten Empire als Startpunkt für die Reise ihrer Heldin Fern festgelegt. Dort hatte seinerzeit auch das dem Film zugrunde liegende Buch von Jessica Bruder seinen Ausgang genommen.

„Empire war eine Unternehmersiedlung, in der Generationen von Gips-Minenarbeiter gelebt und gearbeitet hatten, bevor sie von der Großen Rezession in den Jahren 2007 bis 2009 überflüssig gemacht wurde und jeder sein Haus verlassen musste“, sagt Jessica Bruder. „Selbst die Postleitzahl wurde gestrichen.“

Daraufhin ging es für die Produktion weiter in die ehemalige Gegenkultur-Enklave Point Arena, etwas südlich von Mendocino in Nordkalifornien gelegen. Dort wurden die Szenen mit Dave (David Strathairn) und seiner Familie gedreht. „Im Anschluss legten wir eine fünftägige Weihnachtspause ein“, sagt Produzentin Mollye Asher. „Silvester und Neujahr verbrachten wir gemeinsam und fuhren dann nach Yuma, Arizona, um schließlich die letzten Drehtage in Südkalifornien im San Bernardino County zu verbringen.“

Zusätzlich zu Mollye Asher und Peter Spears brachte Chloé Zhao noch Dan Janvey (BEASTS OF THE SOUTHERN WILD) als weiteren Produzenten an Bord. „Chloé kannte Dan persönlich, und er hatte vergleichbare Dreherfahrungen bei seiner Arbeit mit Benh Zeitlin gemacht“, erklärt Asher. Jedes Mitglied des Teams war handverlesen. „Bei einem solchen Dreh, wenn man Communities besucht, die nicht die eigenen sind, muss man in gewisser Weise unsichtbar sein. Wir benötigten also nicht nur Leute, die ihre Jobs gut machten, aber auch die richtige Persönlichkeit mitbringen mussten.“

„Unsere ersten Unterhaltungen drehten sich immer um die Arbeit in verschiedenen Communities und wie sich das auf gemeinschaftliche und respektvolle Weise machen ließe. Es war eine unglaublich aufregende Gelegenheit und ein garantiertes Abenteuer durch den nordamerikanischen Westen mit Chloé, Fran und der besten Gruppe von Mitstreitern, die man sich vorstellen kann“, erklärt Dan Janvey.

„Alles hing davon ab, die richtigen Leute in der Crew zu versammeln, ehrlich“, findet Kameramann Joshua James Richards, der schon bei den beiden vorangegangenen Regiearbeiten von Chloé Zhao das Licht gesetzt hatte. „Manchen mag es wie eine kleine Crew vorgekommen sein, aber für mich waren wir genau die richtige Anzahl von Mitstreitern, und alle waren goldrichtig für ihre Jobs.“

„Chloé und Josh arbeiteten ausgezeichnet mit einer sehr kleinen Anzahl von Leuten, damit sie sich wirklich unter die Menschen der jeweiligen Gemeinden mischen konnten“, sagt Mollye Asher. „Wir arbeiteten aus alten Bussen heraus, die tatsächlich den Nomaden gehören könnten. Und das erlaubte uns grenzenloses Drehen in jede gewünschte Richtung.“

„Als Produzentin wurde ich Mitglied einer eng miteinander verbundenen Gruppe von 23 jungen Filmemacher*innen und reiste mit ihnen, während ich am Film als einer der ihren arbeitete. Ich war nicht dabei, um jemandem etwas beizubringen. Ich war dabei, um etwas zu lernen. Das war das Ethos unserer Reise“, betont Frances McDormand. Insgesamt gehörten 19 Männer und 17 Frauen der Produktionscrew an.

Chloé Zhaos halb-improvisatorischer Ansatz für das Filmemachen bestimmte auch den Dreh. „Anstatt eine genaue Vision zu haben, wie alles aussehen und ablaufen soll, ist Chloé immer offen, während des Drehs Entdeckungen zu machen“, sagt Kameramann Richards.

„Man weiß nie genau, was es ist, wonach Chloé Ausschau hält – das gibt eine große Freiheit, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen“, meint David Strathairn, bekannt aus Filmen wie GOOD NIGHT, AND GOOD LUCK oder LINCOLN, ein alter Bekannter von Frances McDormand und obendrein ihr unmittelbarer Nachbar. „Sie geht nach dem Drehtag nach Hause und sieht sich die Muster an. Am nächsten Morgen erhält man dann schon einmal einen Anruf von ihr und hört sie sagen: „Da ist eine Kleinigkeit, die ich noch hinzufügen würde.“ Das ist nicht die konventionelle Herangehensweise, die Aufnahmen zu bekommen, die man haben will. Aber sie entdeckt den Film tatsächlich erst während des Drehs und später im Schneideraum.“

Für die Musik suchte Zhao nach Kompositionen, die „von der Natur inspiriert“ sind. Besonders hingezogen fühlte sie sich zu dem italienischen Komponisten Ludovico Einaudi und seine jüngste Arbeit, „Seven Days Walking“, veröffentlicht im Jahr 2019. Dieses Werk basiert auf einer Reihe von Spaziergängen und Wanderungen, die er 2018 in den italienischen Alpen unternommen hatte. Er folgte dabei jeden Tag derselben Route, öffnete sich aber für die verschiedenen Emotionen und Stimulanzen der unterschiedlichen Tageszeiten, Lichtqualität, Temperatur, Begegnungen mit Tieren und Wetterbedingungen. Ein großer Teil von Ferns Lernprozess besteht darin, mit der Natur zu leben. Durch ihr Leben im Van erlebt sie die Natur viel intensiver und unmittelbarer, ihre Schönheit und Feindseligkeit, ihre Fähigkeit, Kraft zu spenden und zu heilen. Auf „Seven Days Walking“ hört man Einaudi am Klavier, Federico Mecozzi an der Geige und Viola und Redi Hasa am Cello.

Das Klangdesign war sehr wichtig für den Film und wurde auf die jeweiligen sehr spezifischen Landschaften zugeschnitten, durch die Fern gerade fährt. Dafür arbeiteten Zhao und ihr Team mit dem in Mexiko geborenen Sergio Diaz, der mit namhaften Regisseuren wie Alfonso Cuarón (ROMA), Guillermo Del Toro (PAN’S LABYRINTH, HELLBOY II: THE GOLDEN ARMY) und Alejandro González Iñarritu (21 GRAMS, BABEL) gearbeitet hat. Für NOMADLAND schloss er sich zusammen mit dem in Los Angeles ansässigen Zach Seivers, der auch als Re-Recording Mixer in Erscheinung trat. „Wir wollten den Sound exakt die Landschaften spiegeln lassen, in denen Fern sich bewegt“, meint Chloé Zhao. „Wie schon bei der Musik wollten wir Tricks vermeiden, die dem Zuschauer suggerieren sollen, wie und was er fühlen soll. Wir wollten kreativ sein mit unserem Klangdesign, es sollten den Erfahrungen im Film entsprechen, es sollte wahrhaftig und ehrlich sein.“

Foto:
©Verleih

Info:
NOMADLAND
von Chloé Zhao, USA/D 2020, 108 Min.
mit Frances McDormand, David Strathairn, Linda May, Charlene Swankie, Bob Wells, Gay DeForest