Olympia-Erinnerungen am Mo. 19. Juli 2021 im Ersten Programm
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - 2 Tage vor Beginn der 32. Olympischen Sommerspiele vom 21. Juli bis zum 8. August 2021 in Tokio erinnert eine Dokumentation nicht nur daran, dass es 1964 bereits die 18. Olympischen Spiele in Tokio gegeben hat, sondern auch, dass Athleten beider deutscher Staaten - wie auch schon vorher bei den 9. Winterspielen in Innsbruck - noch einmal eine gemeinsame Mannschaft bilden mussten, obwohl es bereits seit dem 13. August 1961 eine Mauer zwischen den beiden Staaten gab.
Die Dokumentation von Regisseur Thomas Grimm blickt auf die Ereignisse vor und während der Spiele in Tokio zurück. Obwohl es eigentlich weder die Bundesrepublik noch die DDR wollten, wurden sie vom IOC unter der Führung von Avery Brundage gezwungen, eine gemeinsame deutsche Mannschaft zu bilden.
Die Dokumentation erzählt jetzt erstmals die Hintergrundgeschichte über das deutsch-deutsche Olympiateam von 1964. Es ist deshalb zugleich ein aktuelles Dokument zum Verhältnis von Sport und Politik in den internationalen Beziehungen. Drei Jahre nach dem Mauerbau und nach einen fast völligem Erliegen der innerdeutschen Sportbeziehungen soll eine Mannschaft aus Sportlern beider deutscher Staaten gebildet werden. Dazu müssen Ausscheidungskämpfe in Ost und West stattfinden, da man sich nicht immer einigen konnte, musstefür einige der Wettkämpfe auch ins Ausland ausgewichen werden.
Da der Leiter der deutschen Delegation - der Chef de Mission - von dem Land gestellt wird, der die meisten Sportler stellt, gab es ein Hauen und Stechen um jeden einzelnen Sportler. Daneben gab es Ärger um jeden Wettkampf, wo die Trikots und die restliche Olympiakleidung herkamen, welche Fahne und was die Siegermusik sein sollte (Fahne war Schwarz/Rot/Gold mit den Olympischen Ringen, Musik: Beethovens Hymne an die Freude). Letztendlich hatte die DDR mit 194:182 mehr Starter, da sie z.B. das gesamte Fußball- und Hockeyteam stellte, während die DDR dagegen nicht einen einzigen Reiter oder Fechter ins Team bekamen, so dass Manfred Ewald Chef de Mission wurde.
Regisseur Thomas Grimm hat auch einige Sportler, Offizielle und Journalisten interviewt, die sich nicht nur an die Olympischen Spiele, sondern auch an die diversen Ausscheidungswettkämpfe und die Probleme erinnern, die es in dem Miteinander gegeben hat, wie getrennte Anreise, getrenntes Wohnen oder auch getrennte Betreuung.
Thomas Grimm lässt neben anderen noch einmal den ersten deutschen Zehnkampf-Olympiasieger Willi Holdorf (1940 – 2020), die Goldmedaillengewinnerin über 80m Hürden Karin Balzer (1938-2019), die beiden Schwimmer Frank Wiegand und Hans Joachim Klein, den Rad-Olympiasieger Lothar Claesges oder die Turnerin Birgit Radochla aber auch den bundesdeutschen Sportfunktionär Walther Tröger (1929 - 2020) und den Radrennfahrer Jürgen Kissner, der den Start in Köln zur Flucht genutzt hatte, ausführlich zu Wort kommen.
Die Olympischen Spiele 1964 in Tokio waren die letzten mit einer gemeinsamen deutschen Mannschaft. Eine gesamtdeutsche Mannschaft gab es erst wieder nach der Wiedervereinigung bei den 25. Olympischen Spielen in Barcelona 1992. Es ist auf jeden Fall sehenswert, sich die Dokumentation anzusehen und sich noch einmal an die Zeit des Kalten Krieges auch im Sport zu erinnern.
Foto 1: Einmarsch der Gesamtdeutschen Mannschaft ins Olympiastadion © rbb/IOC
Foto 2: Bahnradfahrer Lothar Claesges mit seiner Goldmedaille 2019 © rbb/Zeitzeugen TV
Info:
Die kalten Ringe - Gesamtdeutsch nach Tokio 1964 (Deutschland 2021)
Genre: Dokumentation, Reportage, Sport, Olympische Spiele
Filmlänge: ca. 45 Min.
Regie: Thomas Grimm
Drehbuch: Thomas Grimm, René Wiese
Mitwirkende: Willi Holdorf, Karin Balzer, Frank Wiegand, Hans Joachim Klein, Lothar Claesges, Birgit Radochla, Walther Tröger, Jürgen Kissner, Volker Kluge u.a.
TV Premiere ist am Montag, dem 19.07.2021 um 23.40 Uhr im Ersten. Die Dokumentation ist anschließend in der ARD-Mediathek abrufbar.