Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das hätte ich mir gewünscht: den gleichen Film, die gleiche Handlung aber aus der Perspektive von Joseph, der aus dem Kongo auf dem Weg nach Madrid war, - wo man ihn übrigens als Hombrón bezeichnet hätten, was wir früher ein Mannsbild genannt hätten - aber in Frankfurt am Main strandete. Aber auch so bin ich mit dem Film LE PRINCE hochzufrieden, der uns aus der Perspektive der Kunstkuratorin Monika eine Begegnung schildert, die zur Liebesbeziehung wird, die an den Realitäten scheitert? Oder an Joseph? Darum wäre eben seine Sicht interessant.
In Frankfurt war am Dienstagabend in der HARMONIE in Sachsenhausen die Hessenpremiere, bei der auffiel, wie viele aus Afrika stammende Männer und noch sehr viel mehr Frauen anwesend waren. Das verstand man zwar auch schon teils im Film, wo die Buntheit und relative Homogenität eine afrikanische Gemeinschaft in Frankfurt auffiel, die aber unverkrampft auch mit erst einmal Fremden umging. Als aber Regisseurin Lisa Bierwirth nach ihrer Dankesrede die am Film Beteiligten auf die Bühne bat und über dreißig Personen schon dort standen, mit dem Hauptbeifall für die beiden Hauptdarsteller, Ursula Strauss aus Wien und Passi Ballende aus Paris, fielen der Regisseurin noch viel mehr ein, die zum Film beigetragen hatten und die sie ebenfalls noch nach vorne bat: lauter Frankfurter, die kongolesische Diaspora, die auch im Premierenpublikum saß – dann aber rief Lisa Bierwirth ihre anwesende Mutter nach vorne und so erfuhr man, daß diese nicht nur am Drehbuch mitgearbeitet hat, sondern daß die ganze Geschichte mit der Liebe ihrer Mutter zu einem Schwarzen zu tun hat.
Filmpremieren gibt es heutzutage nicht mehr so oft in Frankfurt – das liegt daran, daß in alten Westdeutschland so etwas stärker verteilt war und nicht so zentral auf Berlin gerichtet war - und auch Hessenpremieren sind relativ selten. Das merkt man uns dann ein bißchen an, daß wir uns mit der Filmprominenz etwas schwertun. Denn Ursula Strauss ist eine nicht nur in Österreich arrivierte Schauspielerin. Deutschen ist sie vor allem aus dem Fernsehen bekannt, viele Fernsehspiele und auch Serien, derzeit wieder Folgen von SCHNELL ERMITTELT. Kollege Gregor machte ein Interview mit ihr, was uns auch sehr interessiert hätte, aber angesichts des Arbeitsaufwandes mit dem Deutschen Buchpreis nicht zu leisten war.
Umso mehr freuten wir uns über das große Interesse, das Blitzlichtgewitter für Ursula Strauss, Passi Ballende und Lisa Bierwirth und ihr Interview mit der Hessenschau.
Für uns war die anschließende Filmvorführung die zweite Sichtung des Films. Das ist immer spannend, weil man beim zweiten Mal einfach auf dem ersten Sehen aufbaut, aber gleichzeitig mehr und auch weniger sieht. Das erste Sehen – und Zuschauer sehen in der Regel einen Film im Kino nur einmal – muß natürlich einem die Handlung verständlich machen und man entwickelt beim Sehen sehr schnell eine Meinung, wie einem der Film gefällt. Mir hatte er richtig gut gefallen, was an der Hauptdarstellerin Ursula Strauss liegt und auch an ihrer Tätigkeit als Kuratorin im modernen Kunstbetrieb. Das finden Sie in meiner Rezension des Films. Was mir beim zweiten Mal auffiel, das ist, daß das Filmende gar nicht wie beim ersten Mal eindeutig erkannt, zwangsläufig das Ende der Liebesbeziehung sein muß.
Und auch beim zweiten Mal habe ich ein Frankfurt auf der Leinwand gesehen, daß ich zwar kenne, wenn es um das Bahnhofsviertel geht, und nicht nur das Richtung Stadt, sondern auch das westliche Gebiet, also auf der anderen Seite. Dann ist die Kuratorin auf einmal in Bockenheim, steigt aus der U6 oder U7, aber das bleibt ohne Hintergrund. Ihre Wohnung, mit einem Blick auf die City, versetzte ich zuerst neben das neugebaute Romantikmuseum, denn die Neubauten dahinter, lauter Wohnungen, sehen genauso aus. Aber was nutzt der Blick, wenn es die Wohnung der Monika dort nicht gibt. Denn als sie vor ihrem Wohnhaus steht und sich von Joseph mit den Worten verabschiedet: „Hier wohne ich...“, ist das eindeutig im Bahnhofsviertel.
Übrigens ein sehr dunkles, regnerisches Frankfurt, das einem bekannt vorkommt, ein Frankfurt von früher, das das Bild der Stadt in Deutschland mitprägte und schon bei Fassbinder die Stadt allein von dieser Seite darstellte. Ein ganz anderes Frankfurt wird bald der Film CONTRA zeigen, der am gleichen Tag eine Pressevorführung hatte. Dort erglänzen wie in einem Werbeprospekt die Hochhäuser, sehr oft fließt romantisch der Main oder die Brücken über den Main zeigen erst die Hochwohnhäuser in Niederrad und dann das über den Main rüber nach Frankfurt machen, wie man sich hierzulande ausdrückt. Schon erstaunlich, wie zwei völlig unterschiedliche Städte in zwei Filmen, die zufällig in Frankfurt spielen. Oder steckt mehr dahinter?
Beim zweiten Sehen,
- nachdem gerade letzte Woche BABTOU anlief, der ein schwarzer junger Mann aus Frankfurt ist, nach Paß ist er Senegale, war aber nie dort, weil er hier - geboren ist und mit Rassismus massiv zu tun hat, gleichzeitig aber auch mit dazu beiträgt...
- verbunden mit derzeit vielen Sendungen im Fernsehen über Rassismus und insbesondere über das Aufwachsen von Menschen mit dunkler Hautfarbe in Deutschland und deren Problemen, die ja unsere sind,
- vom Roman IDENTITTI von Mithu Sanyal ganz zu schweigen, derzeit als einer der letzten Sechs vom Deutschen Buchpreis im Mittelpunkt des Interesses,
fallen einem die abfälligen Blicke stärker auf, mit denen die Umgebung von Monika auf den neuen Freund reagiert: ih, ein Schwarzer. Aber nein, nicht alle. Aber leider genug. Liebe ist nicht per se da und möglich, sondern hat immer mit den sozialen Verhältnissen zu tun, in denen sie sich entwicklen kann oder nicht. Wir lernen ja gerade erst mit solchen Begriffen wie mit postkoloniale Strukturen umzugehen, es liegt also gesellschaftlich noch eine weite Strecke vor uns.
Fotos:
Redaktion
Info:
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Genre: Drama
Laufzeit: 125 Minuten
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Lingala
Stab
Regie: Lisa Bierwirth
Buch: Hannes Held, Lisa Bierwirth
Produzent*innen: Jonas Dornbach, Janine Jackowski und Maren Ade (Komplizen Film)
Besetzung
Ursula Strauss, Passi Balende, Nsumbo Tango Samuel, Victoria Trauttmansdorff, Alex Brendemühl, Hanns Zischler, Douglas Gordon, u.v.m.
Redaktion
Info:
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Genre: Drama
Laufzeit: 125 Minuten
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Lingala
Stab
Regie: Lisa Bierwirth
Buch: Hannes Held, Lisa Bierwirth
Produzent*innen: Jonas Dornbach, Janine Jackowski und Maren Ade (Komplizen Film)
Besetzung
Ursula Strauss, Passi Balende, Nsumbo Tango Samuel, Victoria Trauttmansdorff, Alex Brendemühl, Hanns Zischler, Douglas Gordon, u.v.m.