josephSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. September 2021, Teil 4

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie ist Ihre Mitarbeit an diesem Filmprojekt zustande gekommen? Gab es ein Casting?

Ich gehe selten zu Castings, aber Delphine Zingg, eine Bekannte, kontaktierte mich für die Rolle eines Königs in einer großen Theaterproduktion. Ich hatte bis dahin in einigen Langfilmen und durch meine Videoclips ein paar Erfahrungen gesammelt. Letztlich kam das nicht zustande und Delphine erzählte mir dann von Lisa Bierwirth, die einen Schauspieler kongolesischer Herkunft suchte. Der Film sollte in Deutschland gedreht werden, in Deutsch, Englisch, Französisch, und Lingala. Warum nicht, ich fühlte mich bereit. Im Mai 2019 habe ich Lisa getroffen, wir haben uns gut verstanden, ich mochte das Drehbuch und im darauffolgenden Sommer bin ich mehrmals nach Frankfurt gefahren, um an meiner Rolle zu arbeiten.


Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem deutschen Team und Regisseurin Lisa Bierwirth?

Es war toll, eine große Familie, deutsche Gründlichkeit bei der Arbeit (wie wir in Frankreich sagen). Lisa hatte uns vorab gewarnt, dass die Szenen in verschiedener Intensität wiederholt werden würden, damit sie beim Schnitt mehr Wahlmöglichkeiten hätte. Man wusste also, dass, selbst ,wenn die letzte Einstellung gut war, man die Szene erneut spielen, bestimmte Dinge ergänzen oder verändern würde, um unterschiedliche Spielarten von Gefühl, Rhythmus und Intensität zu bekommen.



In Frankreich sind Sie seit langem ein Rap-Star und auch als Komponist und Produzent eine der tonangebenden Figuren des französischen Rap. Wie fühlt es sich an, als Schauspieler nun den Regieanweisungen anderer zu folgen?

Ich bin ein begeisterungsfähiger Mensch, und ich liebe es, etwas zu erschaffen. Ich bin zuallererst Musiker, aber ich bin auch Filmliebhaber und habe Erfahrungen als Schauspieler gesammelt... In der Vergangenheit habe ich mich großen Filmen verweigert, weil ich mich noch nicht bereit fühlte. Ich habe über 20 Video-Clips meiner Songs gedreht und viele weitere meiner Songs sind von anderen Regisseuren ins Bild gesetzt worden. Wie schon gesagt, mir gefallen ehrgeizige Projekte, und ich sehnte mich jetzt nach der Gelegenheit, in außergewöhnlichen Produktionen von Regisseuren, die wirklich etwas zu sagen haben, aufzutreten. Ich wollte mich einbringen und mit talentierten Menschen wie Ursula zusammenarbeiten. Und außerdem passte die Rolle von Joseph gut zu mir. Der Prinz hat diese internationale Seite, diese doppelte, afrikanisch-europäische Identität, die der meinen entspricht.


Erkennen Sie in der Lebensgeschichte von Joseph, der dem Bürgerkrieg im Kongo entflohen ist und dessen Familie scheinbar auf der ganzen Welt verstreut lebt, Elemente Ihrer eigenen Migrationsgeschichte?

Nein, aber ich danke meinen Eltern dafür, dass sie es mir ermöglicht haben, in Frankreich zu studieren, denn so konnte ich den Kriegen in Kongo (Brazzaville) 1995 entgehen - sonst wäre ich vielleicht nicht da, oder mein Leben würde eher dem von Joseph ähneln. Man muss sich aber klar machen, dass es nach wie vor viele Konflikte gibt, und Milizen, die den Norden im Kongo (Kinshasa) verwüsten, in der Gegend von Kivu zum Bespiel, und wie sehr Bevölkerungsgruppen in den beiden Kongos leiden ... Auf der anderen Seite gibt es Firmen, die mit der Ausbeutung dieses Niemandslandes ein Vermögen machen. Aber trotz allem lieben die Afrikaner das Leben und wollen vorankommen, ich erwarte also eine Reaktion.


Was hat Sie an Ihrer Filmrolle besonders gereizt?

Das war die Tatsache, wie sehr Joseph trotz seiner Situation für die Verwirklichung seiner Träume kämpft. Ich glaube, dass sich in der heutigen Zeit viele Menschen in dieser Situation wiederfinden - nur ohne die Diamanten.


Menschen - und auch Monika, selbst wider Willen - haben die Tendenz, sich von ihren Vorurteilen, seien sie sozial oder rassistisch, leiten zu lassen. Wie kann es gelingen, diese Vorurteile zu überwinden?

Vorurteile und Rassismus sind das Resultat von Unwissenheit und Angst vor dem Unbekannten. Ich bin christlicher Konfession und habe in meinem Viertel, in der Pariser Banlieue, das Glück gehabt, mit Muslimen, Juden, und Buddhisten aufzuwachsen; mit Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlicher Ethnie, und ich habe ihre Kultur zusätzlich zur französischen und afrikanischen Kultur kennenlernen dürfen. Ich konnte auch ihnen meine Kultur nahebringen. Heutzutage aber befinden wir uns in einer Epoche der Radikalisierung. Ich glaube, dass es immer schon Ungerechtigkeiten gegenüber Minderheiten und/oder Frauen gegeben hat. Wir sollten uns vielmehr als menschliche Wesen begreifen, statt uns nur über Hautfarben, Geschlechter, oder Geld zu identifizieren. Die Welt wird immer kleiner ... Deutsche oder Franzosen in Indien oder dem Senegal sind heutzutage häufiger. Heute findet dieser oder jene Deutsche und Franzose die Liebe seines Lebens in Indien oder dem Senegal, was soll daraus werden? Soll die Gesellschaft diese Leute ausgrenzen, weil sie sich gemischt haben? Die Welt wird sich immer weiter entwickeln, und ich denke, dass in der Zukunft die Herkunft immer weniger von Belang sein wird. Grenzen sind von Menschen gezogen und nicht von der Natur, der Beweis dafür ist die Pandemie COVID 19, die auch nicht an den Toren von China haltgemacht hat.


Glauben Sie, dass die Beziehung zwischen Monika und Joseph angesichts der im Film gezeigten Herausforderungen eine Zukunft hat?

Ich glaube, dass die Liebe manchmal ausweglose Situationen voranbringt, aber man muss bereit dazu sein, voranzukommen. Josephs Wunden sitzen tief, und in seinem « System D », den Zielen, die er verfolgt, gibt es keinen Platz für Tränen, Joseph ist ein Prinz ohne Krone, ohne Pass, auf der Suche nach seinem Status, während Monika nach Glück und Stabilität sucht.

Fotos:
© Verleih

Info:
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Genre: Drama
Laufzeit: 125 Minuten
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Lingala

Stab
Regie: Lisa Bierwirth
Buch: Hannes Held, Lisa Bierwirth
Produzent*innen: Jonas Dornbach, Janine Jackowski und Maren Ade (Komplizen Film)

Besetzung
Ursula Strauss, Passi Balende, Nsumbo Tango Samuel, Victoria Trauttmansdorff, Alex Brendemühl, Hanns Zischler, Douglas Gordon, u.v.m.

Abdruck aus dem Presseheft