Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Zahlreiche cineastische Promis feierten sich selbst und die Wiederauferstehung des Kinos: Der Deutsche Filmpreis, die wichtigste Auszeichnung des einheimischen Kinos, durfte wieder mit Publikum stattfinden. Am Gala-Abend wurden die 19 Lolas des diesjährigen Filmpreises vergeben - aber das Event nicht live im TV übertragen.
Die Lolas sind Art-Deco-Frauenfiguren nachempfunden und ihre Übergabe ist meist mit viel Geld verbunden, das einen Anschub für neue Projekte ermöglicht. Keine abgehobene Jury vergab diese Trophäen, sondern die über 2100 Mitglieder der Deutschen Filmakademie erkoren sie in geheimer Abstimmung. Zwei Huldigungen standen bereits vorher fest: Die Schauspielerin Senta Berger erhielt den „Ehrenpreis“ für ihre Lebensarbeit. „Nightlife“ bekam die undotierte Lola für den „Besucherstärksten deutschen Film“ mit 1,3 Millionen Besuchern.
Dieser Kinoerfolg wurde, wie einige der prämierten Produktionen, schon im Weltexpresso vorgestellt. Ebenfalls „Ich bin Dein Mensch“, in dem eine kritische Wissenschaftlerin einen humanoiden Roboter testet. Dessen Sieg als „Bester Deutscher Spielfilm“ und in weiteren Kategorien - für beste Regie, bestes Drehbuch und beste weibliche Hauptrolle - überraschte nicht. Er gewann bereits auf der diesjährigen Berlinale einen Bären, einige Publikumspreise und wurde als deutscher Beitrag für den fremdsprachigen Oscar nominiert. Das Opus schlägt humorvoll und nachdenklich einen Bogen vom Arthouse- zum populären Kino.
Den Streifen „Herr Bachmann und seine Klasse“ kürte man sowohl auf der Berlinale als auch beim Filmpreis als „Besten Dokumentarfilm“. In Stadtallendorf begleitete Regisseurin Maria Speth den Lehrer Herrn Bachmann ein Jahr lang im Unterricht. Ihre Dokumentation zeigt, wie man durch Humor, musikalische Einlagen sowie einfühlsame Pädagogik, auch schwierige Schüler und Schülerinnen begeistern und individuell fördern kann. Trotz seiner Länge von dreieinhalb Stunden (!) feierte das Kino-Publikum ihn als gute Unterhaltung.
„Ich bin dein Mensch“ griff nicht alle Lolas ab, sondern ließ einige für die Auszeichnung anderer exzellenter Filme über: „Tides“ und „Fabian“ erhielten mehrere Trophäen für ihre „Gewerke“, wie eine Laudatorin die verschiedenen cineastischen Mittel nannte. „Fabian“, frei interpretiert nach dem Roman von Erich Kästner, setzt den Geist der frühen dreißiger Jahre und des aufkommenden Faschismus durch diese „Gewerke“ in Szene: Der „Zweitbeste Spielfilm“ (silberne Lola), wurde durch die sensible Kameraführung und kühne Schnitte zur ganz eigenständigen Literaturverfilmung.
„Tides“ ist eine düstere apokalyptische Vision, die vollständig in Schlamm und Nebel gedreht wurde. Sie bewegt die Zuschauenden als Gesamtkunstwerk durch die vier preisgekrönten Mittel: visuelle Effekte, Maskenbild, Musik und Szenenbild.
Moderator Daniel Donskoy forderte zwar die Überwindung der Geschlechterklischees im Kino, dennoch gab es Trophäen für weibliche oder männliche Rollen. Hier fand keine Anbiederung an einen fragwürdigen Zeitgeist statt, wie durch den neuen Leiter der Berlinale. Der schaffte die Geschlechter ab und ließ die Internationale Jury nur noch Bären für „Beste Rollen“ vergeben. Eine Lola für die „Beste männliche Hauptrolle“ ging übrigens an Oliver Masucci in „Enfant terrible“, einem Machwerk, das Rainer Werner Fassbinder diffamiert: Der Regisseur war keinesfalls dieser triebhafte, koksende Verrückte, wie Masucci ihn darstellen musste.
Zwei gute Filme gingen leider fast leer aus, obwohl die „Schachnovelle“ durch die gelungene Umsetzung der literarischen Vorlage Stefan Zweigs überzeugt. Und „Je suis Carl“ rüttelt auf als eindringliche Warnung vor intellektuellen Rechtsradikalen, die sich bürgerlich tarnen.
Ansonsten sollte noch der prämierte, in der Mongolei angesiedelte Kinderfilm „Die Adern der Welt“ erwähnt werden, der sich durchaus im Erwachsenenkino behaupten kann. Viele diese starken und mutigen Filme wird man hoffentlich noch lange im Kino sehen können!!
Foto:
Oben: Laudator Klaus Maria Brandauer und Ehrenpreisträgerin Senta Berger
© Eventpresse Radke
Mitte: Die goldene Lola
© Deutsche Filmakademie