Nowhere Spec1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. Oktober 2021, Teil 6

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - John (James Norton) arbeitet in einer nordirischen Kleinstadt halbtags als selbständiger Fensterputzer, den Rest des Tages verbringt er mit seinem vierjährigen Sohn Michael (Daniel Lamont). Er lebt mit seinem Sohn allein, denn die Mutter des Jungen ist kurz nach dessen Geburt in ihre Heimat Russland zurückgekehrt.

John geht mit dem Jungen in den Park, er backt einen Kuchen (für seinen eigenen Geburtstag) und liest ihm abends aus Büchern vor. Michael ist besonders an Lastwagen und Eisenbahnen interessiert.

Ab und zu machen die beiden Ausflüge, bei denen sie von der Sozialarbeiterin Shona (Eileen O’Higgins) begleitet werden. Dabei besuchen sie andere Familien, die Kinder adoptieren oder in Pflege nehmen wollen. John ist schwer krank und wird nur noch wenige Monate zu leben haben, deshalb ist er auf der Suche nach einer passenden Familie, die seinen Sohn erst in Pflege nehmen und anschließend adoptieren wollen. Er selbst ist in einem Waisenhaus aufgewachsen und hat keine Familie.

Zusammen mit Michael und Shona besucht John ganz unterschiedliche pflege- oder adoptionswillige Familien. Da ist das reiche Paar mit großem Haus und englischen Rasen, das sich jetzt schon Gedanken macht, auf welches renommierte Internat Michael später gehen soll. Da ist die kleinbürgerliche Familie, die bereits viele Pflegekinder hat, oder die geschiedene junge Frau, die nie darüber hinweggekommen ist, dass ihr das Kind, das sie als Teenager geboren hat, weggenommen wurde und die danach keine eigenen Kinder mehr bekommen konnte; und da ist das mittelständische Paar, das eigentlich eine Baby adoptieren wollte und dessen Mann meint, dass Michael erst, wenn er größer ist mit seiner Eisenbahn spielen darf.

John möchte aber nicht, dass Michael jetzt schon die Wahrheit über seine Krankheit und seine Absichten erfährt. Auch redet er sich dem Jungen gegenüber heraus, wenn der nach seiner Mutter fragt. John will alles Unangenehme von seinem Sohn fernhalten. Er will auch keine Erinnerungskiste für den Jungen vorbereiten, wie es die Mitarbeiterin des Sozialamtes rät.

Sie drängt auch darauf, dass John endlich eine Entscheidung treffen muss. John läuft ganz deutlich die Zeit davon, denn er hat immer wieder Probleme und Schmerzen, was auch Michael nicht verborgen bleibt. John erträgt die Anfälle meist klaglos, es gibt nur ganz wenige Szenen, in denen man Johns Verzweiflung sieht (wenn er z.B. voller Wut gegen die Reifen seines Autos tritt).

Doch langsam beginnt John zu begreifen, dass er keine rationale Entscheidung für die Zukunft treffen kann, sondern gemeinsam mit Michael eine für die Gegenwart. Dann endlich weiß er, welches die richtigen Eltern für seinen Jungen sein werden...


Nowhere Spec2Regisseur von "Nowhere Special" ist der in Rom geborene und in London lebende Uberto Pasolini, der durch den Film "Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit" (2013) über Tod und Einsamkeit auch in Deutschland bekannt geworden ist. Bei dem hier besprochenen Film nach einer wahren Geschichte hat Uberto Pasolini auch das Drehbuch geschrieben und den Film auch produziert.

Das Zentrum des feinfühligen Dramas sind die beiden Hauptdarsteller James Norton als John und der zur Drehzeit 4jährige Daniel Lamont bei seinem ersten Leinwandauftritt. Dabei liegt der Fokus der Story nicht auf der dramatischen Situation, dass John todkrank ist, sondern auf der sehr engen Beziehung zwischen ihm und dem kleinen Michael und auf dem intensiven Abschiednehmen des jungen Mannes, der nur das Beste für seinen kleinen Jungen möchte. Erst langsam lernt John, sich seinem Sohn zu öffnen. Dabei muss er erkennen, dass Michael sehr viel mehr mitbekommt als er selbst ahnt.

Der Zusammenhalt der Beiden wird in vielen kleinen Szenen gezeigt, wie dem Geburtstagskuchen, den Michael mit 34 roten Kerzen schmückt und als eine übrig ist, die im nächsten Jahr verwenden will, obwohl John sehr genau weiß, dass er den nächsten Geburtstag nicht mehr erleben wird. Oder als Michael einen toten Käfer findet, und es ein langes Gespräch zwischen Vater und Sohn über den Tod gibt und wo man danach hingeht.

Insgesamt ist "Nowhere Special" ein Drama voller Zärtlichkeit und tiefer Menschlichkeit. Es ist ein ergreifender Film, der ganz sicher kaum einen Zuschauer kalt lassen wird. Er hinterlässt vor allem durch seine ausdrucksstarke Zurückhaltung und der einfühlsamen Darstellung von James Norton und durch das natürliche Agieren des kleinen Daniel Lamont einen bleibenden Eindruck und ist deshalb unbedingt sehenswert.

Foto 1: Daniel Lamont als Michael und James Norton als John © Piffl Medien
Foto 2: Daniel Lamont als Michael und James Norton als John an dessen 34. Geburtstag © Piffl Medien

Info:
Nowhere Special (Großbritannien, Italien, Rumänien 2020)
Originaltitel: Nowhere Special
Genre: Drama
Filmlänge: ca. 96 Min.
Drehbuch und Regie: Uberto Pasolini
Darsteller: James Norton, Daniel Lamont, Eileen O‘Higgins u.a.
Verleih: Piffl Medien GmbH, Berlin
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 07.10.2021