Redaktion
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In Andersons Selbstverständnis ist das Filme drehen von Anfang bis Ende ein 100prozentig organischer, physischer Prozess. Dieser beginnt schon beim Schreiben. „Die Arbeit an den Geschichten ist ein echtes Abenteuer”, sagt Andersons langjähriger Mitarbeiter Jason Schwartzman, der zusammen mit Anderson und Roman Coppola das Drehbuch verfasste und überdies die Rolle des Cartoonzeichners übernahm. „In gewisser Weise werden die Geschichten in Echtzeit ausgebrütet. Es gibt keinen großen Entwurf oder Vorgaben, die man ausfüllen muss. Jeder Moment wird buchstäblich im Hier und Jetzt und aus sich selbst heraus entwickelt: es ist wie das Bauen einer Brücke, während man AUF der Brücke ist, und das ist wirklich enorm anregend. Wenn man morgens aufwacht, hat man noch überhaupt keine Vorstellung davon, was als nächstes in der Geschichte passieren könnte, was mit den Charakteren geschehen wird, und das ist eine wirklich spannende Ausgangssituation. Man arbeitet freihändig, aber fokussiert, während Wes als Kapitän das Schiff steuert.”
Der offizielle Name des Magazins lautet „The French Dispatch of the Liberty, Kansas Evening Sun”, und es ist eine Publikation, die von der Geschichte des Magazins The New Yorker inspiriert ist - und von der Geschichte von zwei Männern, die es zu dem machten, was es heute ist: Harold Ross, der Mitgründer des Magazins, und sein Nachfolger, William Shawn, die beide als Vorbilder für die von Bill Murray verkörperte Filmfigur dienten und die beide im Mittleren Westen geboren wurden. „Kansas ist für mich die amerikanischste Gegend von Amerika”, sagt Anderson. „Letztendlich ist es doch so, dass The French Dispatch sich nicht nur an die Menschen von Kansas wendet, sondern für ganz Amerika herausgegeben wird.”
Der von Owen Wilson gespielte Charakter, Herbsaint Sazerac, der seine Leser auf eine Tour durch Ennui-sur-Blasé mitnimmt - eine fiktive Stadt, die das poetische Herz von Frankreich selbst verkörpert - ist durchdrungen vom Geist von Autoren wie Joseph Mitchell, dessen gesammelte Reportagen in dem Buch Up in the Old Hotel veröffentlich wurden, und von Luc Sante und dessen Buch The Other Paris, eine weitere Lieblingslektüre von Anderson.9
Die erste längere Geschichte „Das Beton-Meisterwerk” wird eingerahmt von einer Lesung der Autorin der Geschichte, J.K.L. Berensen (Tilda Swinton) im Kansas Arts Center. Als Inspiration diente die Lektorin und Schriftstellerin Rosamond Bernier. „Vor vielen Jahren schrieb ich ein Drehbuch über einen Maler. Das ist ein Thema, zu dem ich mich schon seit langem hingezogen fühle, daraus stammt einiges in der Geschichte. Als roter Faden dienten die Artikel aus dem New Yorker, die schließlich in Duveen, dem großen Buch von S.N. Behrman über den Kunstsammler Joseph Duveen, zusammengefasst worden waren. Wir haben uns auch an einigen Aspekten aus Emile de Antonios Dokumentarfilm PAINTERS PAINTING orientiert. Und dann gab es noch die Scorsese-Episode des Films NEW YORKER GESCHICHTEN, ‚Lebensstudien’ - auch das war einer der wichtigsten Einflüsse.”
Anderson ergriff zudem die Chance, seinen seit Jahren gehegten Wunsch einer Zusammenarbeit mit Benicio del Toro zu verwirklichen, der nun den inhaftierten Künstler Moses Rosenthaler (als junger Mann verkörpert von Tony Revolori, zu sehen auch in GRAND BUDAPEST HOTEL) spielt -, und erneut mit der französischen Schauspielerin Léa Seydoux zusammen zu arbeiten, die in der Rolle von Rosenthalers Muse zu sehen ist (Dawson sagt: „Wir engagierten den bekannten französischen Choreographen Philippe Decoufflé, um diese verrückten Posen, die Léa als Simone macht, zu entwickeln”). Daneben traten weitere erprobte Mitstreiter von Anderson auf: Adrien Brody als Julien Cadazio, der von Duveen inspirierte Kunsthändler, außerdem, als seine Onkel, Bob Balaban und - ein Neuling in Andersons Welt - Henry Winkler.
Rosenthalers Opus magnum, eine Serie abstrakter, auf die Gefängniswand gemalter Fresken, wurden von dem Künstler Sandro Kopp ausgeführt, Tilda Swintons realem Lebenspartner. „Die Rosenthaler-Gemälde waren das Herausfordendste und zugleich das Erfüllendste was ich in meinem Leben bis jetzt gemacht habe”, sagt Kopp. „Bei meiner Ankunft in Angoulême war mir bewusst, dass ich innerhalb von zweieinhalb Monaten zehn riesige Gemälde kreieren musste, die so aussehen sollten, als habe jemand drei Jahre lang daran gearbeitet.” Anderson meint dazu: „Die Bilder werden von vielen der Charaktere nicht wirklich verstanden... Und ich weiß noch nicht einmal, was es bedeutet, sie zu verstehen. Aber ich wollte, dass sie wirklich gut sind: dass sie einen packen, wenn man sie betrachtet. Man kann in sie hineinprojizieren, was immer man will.”
„Das lustige ist”, sagt Produktionsdesigner Adam Stockhausen, „dass in der Handlung des Films die Tatsache, dass die Gemälde dauerhaft auf der Wand des Gebäudes angebracht sind, ein sehr wichtiges Thema war - während wir doch in der Realität verzweifelt versuchten, die Bilder auf dem Wand- Untergrund haltbar zu machen: die Farbe hatte wirklich viel Gewicht, es war ein Kampf, alles sauber aufzubringen, und das Ganze drohte ständig abzuplatzen.” „An manchen Stellen ist die Textur der Gemälde über drei Zentimeter dick”, ergänzt Kopp. „Deshalb musste ich sie die meiste Zeit in der Horizontale auftragen, um zu verhindern, dass die nasse Farbe herunterrutscht. Ich hatte ein Zeitfenster von ungefähr 30 Minuten um jede Schicht aufzutragen - danach begann nämlich der Anstrich zu trocknen und die subtilen Strukturen auf der Oberfläche zu beeinträchtigen. Das Hauptanliegen bei meiner Arbeit war meistens die Herstellung der Textur, erst am Ende wurde die Farbe wichtig. Die orangenen Stellen kamen als letzte an die Reihe und wurden zuerst weiß gestrichen und dann mit einem speziellen orangenen Überzug versehen, um einen möglichst leuchtenden Farbeffekt zu erzielen.”
Bei der Darstellung der verblüffenden Stillleben-Passagen in der Handlung forderte Anderson die Schauspieler tatsächlich dazu auf, plötzlich still zu stehen. „Das ist ein Spiel, dass ich mit meiner Tochter mache”, erzählt del Toro. „Und es ist, soweit ich mich erinnere, vielleicht eines der frühesten Spiele in meiner Kindheit. Und ganz plötzlich ... machen wir es alle, jeder Schauspieler von Tilda Swinton bis hin zu Henry Winkler, alle diese lebenden Legenden, alle spielen das Spiel mit. Es steckt auch an. Es macht wirklich Spaß mitzuerleben, wie die Schauspieler in ihre Kindheit zurückfinden und „Alle Vögel fliegen hoch!” spielen. Es hat etwas sehr Befreiendes. Und ich hatte das Gefühl, dass es dem Film etwas Besonderes mitgab. Wes hätte genauso gut die Bewegungen digital einfrieren können, doch wenn die Schauspieler tatsächlich mittendrin stillstehen, hat das etwas ... man sieht es, man kann es spüren, das Publikum nimmt wahr, wie viel Spaß dahintersteckt.”
„Korrekturen eines Manifests” ist Andersons gebrochene Version eines der zentralen Ereignisse in der französischen Geschichte des 20. Jahrhunderts: die Ereignisse des Mai ’68, als Studentenproteste zu einer riesigen Bewegung wuchsen, die schließlich das ganze Land lahmlegte. Die Handlungslinie ist lose inspiriert vom Aufruf zur sexuellen Revolution des Studentenführers Daniel Cohn-Bendit an der Universität von Nanterre bei Paris. Für Wes beginnt aber alles „weniger als einen Block entfernt von unserer Wohnung in Paris, in der Nähe von Montparnasse, wo Mavis Gallant lebte” - jene kanadische Schriftstellerin, die als Inspiration für Lucinda Krementz, gespielt von Frances McDormand, diente. „Sie schrieb sehr viele großartige Artikel und Kurzgeschichten, die über die Jahre in The New Yorker veröffentlicht wurden und die oft in Paris angesiedelt waren. Sie schrieb auch über die Ereignisse des Mai ’68, aus der Perspektive unserer Nachbarschaft. Sie hat alles mitbekommen und sie hat ein Tagebuch geführt, in dem sie Tag für Tag penibel notierte, was vor sich ging. Unsere Geschichte ist auch als eine Art Hommage an sie gedacht.”
„Wes hat uns alle diese Referenzen zugeschickt”, erzählt Timothée Chalamet, der Zeffirelli, den Anführer der Studentenbewegung, spielt. „Magazine, Fotos, Filmreferenzen - SIE KÜSSTEN UND SIE SCHLUGEN IHN von Truffaut, Filme von Jean-Luc Godard.” Der visuelle Stil des Films ist inspiriert von den Filmen der Nouvelle Vague und erinnert an Godard-Filme wie MASCULIN - FEMININ ODER: DIE KINDER VON MARX UND COCA-COLA und DIE CHINESIN. Eine Coverversion von Christophes Hit „Aline” aus dem Jahr 1965, der in der Jukebox im Café Le Sans Blague gespielt wird, spielt ebenfalls, als ein reizvolles, punktgenaues Detail, auf diese bewegte Epoche an.
Foto:
©Verleih
Info:
The French Dispatch
Titel: The French Dispatch
Originaltitel: The French Dispatch
Startdatum: 2021-10-21 00:00:00.0
Länge (min): 107
FSK: 12
Regie: Wes Anderson
Darsteller: Benicio del Toro, Frances McDormand, Jeffrey
Wright, Adrien Brody, Tilda Swinton, Timothee Chalamet, Lea
Seydoux, Owen Wilson, Bill Murray, Matthieu Almaric, Liev
Schreiber, u.v.a.
Die erste längere Geschichte „Das Beton-Meisterwerk” wird eingerahmt von einer Lesung der Autorin der Geschichte, J.K.L. Berensen (Tilda Swinton) im Kansas Arts Center. Als Inspiration diente die Lektorin und Schriftstellerin Rosamond Bernier. „Vor vielen Jahren schrieb ich ein Drehbuch über einen Maler. Das ist ein Thema, zu dem ich mich schon seit langem hingezogen fühle, daraus stammt einiges in der Geschichte. Als roter Faden dienten die Artikel aus dem New Yorker, die schließlich in Duveen, dem großen Buch von S.N. Behrman über den Kunstsammler Joseph Duveen, zusammengefasst worden waren. Wir haben uns auch an einigen Aspekten aus Emile de Antonios Dokumentarfilm PAINTERS PAINTING orientiert. Und dann gab es noch die Scorsese-Episode des Films NEW YORKER GESCHICHTEN, ‚Lebensstudien’ - auch das war einer der wichtigsten Einflüsse.”
Anderson ergriff zudem die Chance, seinen seit Jahren gehegten Wunsch einer Zusammenarbeit mit Benicio del Toro zu verwirklichen, der nun den inhaftierten Künstler Moses Rosenthaler (als junger Mann verkörpert von Tony Revolori, zu sehen auch in GRAND BUDAPEST HOTEL) spielt -, und erneut mit der französischen Schauspielerin Léa Seydoux zusammen zu arbeiten, die in der Rolle von Rosenthalers Muse zu sehen ist (Dawson sagt: „Wir engagierten den bekannten französischen Choreographen Philippe Decoufflé, um diese verrückten Posen, die Léa als Simone macht, zu entwickeln”). Daneben traten weitere erprobte Mitstreiter von Anderson auf: Adrien Brody als Julien Cadazio, der von Duveen inspirierte Kunsthändler, außerdem, als seine Onkel, Bob Balaban und - ein Neuling in Andersons Welt - Henry Winkler.
Rosenthalers Opus magnum, eine Serie abstrakter, auf die Gefängniswand gemalter Fresken, wurden von dem Künstler Sandro Kopp ausgeführt, Tilda Swintons realem Lebenspartner. „Die Rosenthaler-Gemälde waren das Herausfordendste und zugleich das Erfüllendste was ich in meinem Leben bis jetzt gemacht habe”, sagt Kopp. „Bei meiner Ankunft in Angoulême war mir bewusst, dass ich innerhalb von zweieinhalb Monaten zehn riesige Gemälde kreieren musste, die so aussehen sollten, als habe jemand drei Jahre lang daran gearbeitet.” Anderson meint dazu: „Die Bilder werden von vielen der Charaktere nicht wirklich verstanden... Und ich weiß noch nicht einmal, was es bedeutet, sie zu verstehen. Aber ich wollte, dass sie wirklich gut sind: dass sie einen packen, wenn man sie betrachtet. Man kann in sie hineinprojizieren, was immer man will.”
„Das lustige ist”, sagt Produktionsdesigner Adam Stockhausen, „dass in der Handlung des Films die Tatsache, dass die Gemälde dauerhaft auf der Wand des Gebäudes angebracht sind, ein sehr wichtiges Thema war - während wir doch in der Realität verzweifelt versuchten, die Bilder auf dem Wand- Untergrund haltbar zu machen: die Farbe hatte wirklich viel Gewicht, es war ein Kampf, alles sauber aufzubringen, und das Ganze drohte ständig abzuplatzen.” „An manchen Stellen ist die Textur der Gemälde über drei Zentimeter dick”, ergänzt Kopp. „Deshalb musste ich sie die meiste Zeit in der Horizontale auftragen, um zu verhindern, dass die nasse Farbe herunterrutscht. Ich hatte ein Zeitfenster von ungefähr 30 Minuten um jede Schicht aufzutragen - danach begann nämlich der Anstrich zu trocknen und die subtilen Strukturen auf der Oberfläche zu beeinträchtigen. Das Hauptanliegen bei meiner Arbeit war meistens die Herstellung der Textur, erst am Ende wurde die Farbe wichtig. Die orangenen Stellen kamen als letzte an die Reihe und wurden zuerst weiß gestrichen und dann mit einem speziellen orangenen Überzug versehen, um einen möglichst leuchtenden Farbeffekt zu erzielen.”
Bei der Darstellung der verblüffenden Stillleben-Passagen in der Handlung forderte Anderson die Schauspieler tatsächlich dazu auf, plötzlich still zu stehen. „Das ist ein Spiel, dass ich mit meiner Tochter mache”, erzählt del Toro. „Und es ist, soweit ich mich erinnere, vielleicht eines der frühesten Spiele in meiner Kindheit. Und ganz plötzlich ... machen wir es alle, jeder Schauspieler von Tilda Swinton bis hin zu Henry Winkler, alle diese lebenden Legenden, alle spielen das Spiel mit. Es steckt auch an. Es macht wirklich Spaß mitzuerleben, wie die Schauspieler in ihre Kindheit zurückfinden und „Alle Vögel fliegen hoch!” spielen. Es hat etwas sehr Befreiendes. Und ich hatte das Gefühl, dass es dem Film etwas Besonderes mitgab. Wes hätte genauso gut die Bewegungen digital einfrieren können, doch wenn die Schauspieler tatsächlich mittendrin stillstehen, hat das etwas ... man sieht es, man kann es spüren, das Publikum nimmt wahr, wie viel Spaß dahintersteckt.”
„Korrekturen eines Manifests” ist Andersons gebrochene Version eines der zentralen Ereignisse in der französischen Geschichte des 20. Jahrhunderts: die Ereignisse des Mai ’68, als Studentenproteste zu einer riesigen Bewegung wuchsen, die schließlich das ganze Land lahmlegte. Die Handlungslinie ist lose inspiriert vom Aufruf zur sexuellen Revolution des Studentenführers Daniel Cohn-Bendit an der Universität von Nanterre bei Paris. Für Wes beginnt aber alles „weniger als einen Block entfernt von unserer Wohnung in Paris, in der Nähe von Montparnasse, wo Mavis Gallant lebte” - jene kanadische Schriftstellerin, die als Inspiration für Lucinda Krementz, gespielt von Frances McDormand, diente. „Sie schrieb sehr viele großartige Artikel und Kurzgeschichten, die über die Jahre in The New Yorker veröffentlicht wurden und die oft in Paris angesiedelt waren. Sie schrieb auch über die Ereignisse des Mai ’68, aus der Perspektive unserer Nachbarschaft. Sie hat alles mitbekommen und sie hat ein Tagebuch geführt, in dem sie Tag für Tag penibel notierte, was vor sich ging. Unsere Geschichte ist auch als eine Art Hommage an sie gedacht.”
„Wes hat uns alle diese Referenzen zugeschickt”, erzählt Timothée Chalamet, der Zeffirelli, den Anführer der Studentenbewegung, spielt. „Magazine, Fotos, Filmreferenzen - SIE KÜSSTEN UND SIE SCHLUGEN IHN von Truffaut, Filme von Jean-Luc Godard.” Der visuelle Stil des Films ist inspiriert von den Filmen der Nouvelle Vague und erinnert an Godard-Filme wie MASCULIN - FEMININ ODER: DIE KINDER VON MARX UND COCA-COLA und DIE CHINESIN. Eine Coverversion von Christophes Hit „Aline” aus dem Jahr 1965, der in der Jukebox im Café Le Sans Blague gespielt wird, spielt ebenfalls, als ein reizvolles, punktgenaues Detail, auf diese bewegte Epoche an.
Foto:
©Verleih
Info:
The French Dispatch
Titel: The French Dispatch
Originaltitel: The French Dispatch
Startdatum: 2021-10-21 00:00:00.0
Länge (min): 107
FSK: 12
Regie: Wes Anderson
Darsteller: Benicio del Toro, Frances McDormand, Jeffrey
Wright, Adrien Brody, Tilda Swinton, Timothee Chalamet, Lea
Seydoux, Owen Wilson, Bill Murray, Matthieu Almaric, Liev
Schreiber, u.v.a.