Bildschirmfoto 2021 11 09 um 00.50.28Als DVD seit dem Herbst im Handel, Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt viele gute Filme, stimmt, schlechte auch. Und dann gibt es immer wieder einmal Filme, die etwas besonderes sind, eigen im Thema, eigen in der Machart und so speziell, daß man schon beim Schauen weiß, daß man diesen Film nie vergessen wird. So ging es mir mit FRÜHLING IN PARIS.

Wie immer gibt es beim Filmeschauen zwei Möglichkeiten. Man informiert sich vorher über den Film und weiß, was auf einen zukommt, oder man unterläßt das mit Absicht, um wie ein Bergsteiger jeden Schritt zu spüren und darum auch immer wieder in der Luft zu hängen, wenn man nicht genau weiß, wie es weitergeht. Dieser Film ist für die zweite Art sehr zu empfehlen, was natürlich nicht geht, wenn Sie jetzt diese Zeilen lesen, die ja dazu dienen sollen, ihnen ans Herz zu legen, was Sie mit diesem Film gewinnen.

Man fühlt sich nach kurzer Zeit auch wie 16! So alt ist Suzanne (Suzanne Lindon), die in Paris, am Montmartre mit ihrer Familie, Vater (Frédéric Pierrot ), Mutter (Florence Viala) und einer Schwester lebt und in der Schule vor allem mit Freundinnen und Mitschülern gut integriert zurecht kommt – aber sich langweilt. Auch, wenn sie es immer wieder versucht, und bei den abendlichen Jugendfeten mit lauter Musik und Bier, das sie nicht mag, mitmacht, ist es doch nichts, was ihr gefällt. Sie spürt, das ist nicht ihre Welt, aber welche wäre ihre? So geht sie mit offenen Augen durch‘s bisherige Leben, gibt der Schule, was der Schule ist, und wartet auf das eigentliche Leben. Sie ist empfindsam und von all den besonderen Gefühlen erfüllt, die man mit 16 Jahren haben darf und sollte!

All das ändert sich, als sie den roten Roller sieht, Angst hat, der Fahrer könnte in einen Unfall verwickelt sein, den Fahrer dann kennenlernt und mit ihm eine neue Welt. Es ist der 35jährige Schauspieler Raphaël (Arnaud Valois, den sie erst einmal heimlich im Theater bei den Proben erlebt. Er soll einen Baum darstellen, eine Eiche, und macht das für den Theaterregisseur richtig schlecht, was den jungen Mann bewegt, diesem zu stecken, er solle ihn erst wieder zu proben holen, wenn er Wichtiges zu tun habe. Das imponiert der 16jährigen auf jeden Fall! Und Tage drauf kommen sie ins Gespräch, weil Raphaël aufgefallen ist, daß sie immer am Theater vorbeigeht. Kein Wunder, das liegt auf dem Weg zur Schule.

Es ist er, der sie zu Treffen, zu harmlosen Treffen anregt und ab jetzt mag man gar nicht weiterschreiben, weil es allzu schön und wahr ist, wie sich so eine erste Liebe im Frühling in Paris entwickelt. Er ist sehr vorsichtig, sie ist ja auch noch ein sehr junges Mädchen, er küßt sie an den Hals, und ab irgendwann spürt man, daß sie das Kommando übernimmt.

Nun hätte die Regisseurin, noch einmal: sie ist ihre eigene Hauptdarstellerin und hat auch das Drehbuch geschrieben, die einzelnen Stationen darstellen können, wo aus der ersten Umarmung eine zweite wird. Stattdessen fällt Ihr etwas Allerliebsten ein. Wenn die beiden wieder recht schweigsam beisammen sitzen und Raphaël ihr Kopfhörer überreicht, die sie fragend aufsetzt, die Augen schließt und wir eine wohltönende,himmelsseelige Barockoper hören, dann fangen beide auf einmal an, im gleichen Rhythmus und derselben Richtung ihre Köpfe zu bewegen, was sich später bei weiteren Treffen fortsetzt und den ganzen Körper in Schwingungen versetzt, immer bei Barockmusik, immer mit geschlossenen Augen, mit dem Ergebnis einer vollkommenen Hingabe und Symmetrie.

Das sind wunderbare Bilder für die Gefühlslage der beiden. Und Suzanne ist die realitätstüchtigere von beiden. Es sind ihre Lehrjahre des Gefühls, die sie auskostet, für die sie Form und Inhalt findet und auch weiß, wann sie sich zu neuen Ufern aufmacht.

P.S.
Die erste Regiearbeit der erst 21-jährigen Suzanne Lindon, die auch das Drehbuch verfasste und neben Arnaud Valois die weibliche Hauptrolle übernahm, ist mehr als nur eine kleine Sensation. „FRÜHLING IN PARIS“ (Originaltitel: 16 PRINTEMPS) feierte seine Weltpremiere in der offiziellen Auswahl der 56 Filme im Programm der Filmfestspiele von Cannes 2020 und wurde auf dem Internationalen Filmfestival Toronto 2020 in der Sektion Discovery gezeigt.


Foto:
Verleih

Info:
Regie: Suzanne Lindon
Mit: Suzanne Lindon, Arnaud Valois, Frédéric Pierrot, Florence Viala
Originaltitel: SEIZE PRINTEMPS
Land: Frankreich
Jahr: 2020
Genre: Liebesfilm
Laufzeit: ca. 75 Min.

Technische Facts
DVD: Artikelnummer &EAN: 5658076/42 6045658 076 1
Audio: 5.1.Deutsch & Französisch
Untertitel: Deutsch
Specials: Trailer, Trailershow