Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. November 2021, Teil
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts ist Manceron (Grégory Gadebois) ebenso wie schon sein Vater vor ihm, der Küchenchef des Herzogs de Chamfort (Benjamin Lavernhe). Er ist ein begnadeter Koch, der seinem Herrn und dessen Gästen mit bekannten kulinarischen Kreationen die Langeweile vertreiben soll.
Doch dann meint der etwas eigenwillige Küchenmeister, dem Herzog und den Gästen eine neue Kreation namens Délicieux (Köstlichkeit) auftischen zu müssen. Sie schmeckt zwar den hohen Herrschaften, doch als der Priester darauf hinweist, dass sie Kartoffeln und Trüffel enthalten würde, ist der Ärger groß, denn sowohl Kartoffeln als auch Trüffel galten als Teufelszeug, da sie aus der Erde kommen. Da Manceron sich weigert, sich zu entschuldigen, wird er gefeuert und muss zusammen mit seinem Sohn Benjamin (Lorenzo Lefèbvre), der Rousseau liest und an dessen Theorie der Aufklärung glaubt, wieder zur Poststation, dem Bauernhof und der Bäckerei seiner Vorfahren zurückkehren.
Zusammen mit älteren Jacob (Christian Bouillette) betreiben die beiden die Posthalterei, bei der nicht nur die Pferde gewechselt werden, sondern es auch ein wenig schlechtes Essen gibt, da Manceron sich zu kochen weigert, sondern nur noch Brot backt.
Eines Tages taucht auf den Hof eine nicht mehr ganz junge Frau auf, die sich Louise (Isabelle Carré) nennt, behauptet Marmeladen-Köchin zu sein und vom Meister das Kochen lernen will. Da die Küche damals eine reine Männersache war, lehnt Manceron erst einmal ab. Doch es zeigt sich, dass Louise gut arbeiten kann und auch viel von Kräutern, Beeren und anderen Zutaten versteht. Ob sie über ihre Herkunft die Wahrheit sagt, daran zweifelt der Meisterkoch allerdings. Da die in der Poststation angebotenen Gerichte immer besser werden, kommen auch immer mehr zahlende Gäste.
Als dann Hyacinthe (Guillaume de Tonquédec), der Verwalter des Herzogs, vorbei kommt und einen Besuch des Herzogs auf dessen Rückreise von Paris ankündigt, machen sich Manceron und Louise (mit dem Geld des Herzogs) an die Arbeit, um dessen ausgiebige Wünsche zu erfüllen - incl. der "Köstlichkeit", da die augenblickliche Mätresse Kartoffeln liebt.
Doch dann fahren die Kutschen des Herzogs einfach vorbei. Daraufhin beschließt der frustrierte Koch zusammen mit Louise eine kleine Revolution: sie eröffnen das erste Restaurant für Bürger, Bauern und Edelleute als Ort der Gemeinsamkeit und des gemeinsamen Genusses - am Vorabend der Erstürmung der Bastille in Paris...
"À la Carte! - Freiheit geht durch den Magen" ist eine französische Tragikomödie, die die Erfindung des Restaurants in Frankreich an den Vorabend der Französischen Revolution legt. Regisseur ist der durch den Film "Birnenkuchen und Lavendel" (2016) bekannte Éric Besnard. Er hat auch selbst zusammen mit Nicolas Boukhrief das Drehbuch geschrieben.
Für die Kamera war Jean-Marie Dreujou verantwortlich, der in vielen Szenen wunderbare Bilder gezaubert hat, die an die Stillleben der großen barocken Meister erinnern. Die Außenaufnahmen fanden im Département Cantal in Zentralfrankreich statt, wo auch der gleichnamige Rohmilchkäse herstammt. Die kulinarische Beratung erfolgte durch die beiden Meisterköche Thierry Charrier und Jean-Charles Karmann.
Regisseur Éric Besnard versucht in dem Film die Sinnlichkeit des Kochens und Essens mit den realen Bedingungen kurz vor der französischen Revolution zu verbinden. Da gibt es auf der einen Seite die überheblichen Adligen, die es dank ihres Geburtsrechts für ihr Privileg halten, ihre Langeweile und ihr müßiges Dasein als ein ewiges Fest zu gestalten und ihre Untergebenen, die für die leiblichen Bedürfnisse der Aristokratie sorgten. Die waren kaum mehr als Diener, die aus reiner Laune entlassen werden konnten und in der Ausübung ihrer Pflichten keinerlei Freiheit genossen. Doch ihnen ging es noch vergleichsweise gut, während zum Beispiel die Bevölkerung des Dorfes, in das Manceron und Benjamin zurückkehren, wirklich hungerten (deshalb lässt der Koch die Kinder auch einen Teil seines gebackenen Brotes klauen).
Dadurch erzählt der Film eigentlich von einer Emanzipation eines dieser "Künstler", die anfingen, auf ihre eigenen Fähigkeiten zu vertrauen und dadurch erreichen konnten, dass sie von ihrer "Kunst" leben konnten, ohne an einem der adligen Höfe angestellt zu sein.
Auch wenn Benjamin Rousseau liest und die Sprüche der Revolution auf den Lippen hat, spielt die Französische Revolution in dem Film keine große Rolle. Es geht eigentlich hauptsächlich um das Zaudern eines in seinem Stolz getroffenen Mannes und einer geheimnisvollen Frau, die ihre Rache haben will. Allerdings hätte man gerne noch etwas mehr über die Gründe von Louise erfahren, denn leider wurde der Charakter des Herzogs doch nur sehr oberflächlich gestreift, so dass man seine Boshaftigkeit nicht nachvollziehen konnte. Benjamin Lavernhes Herzog wirkte eigentlich nur arrogant und oberflächlich. Neben den beiden Hauptdarstellern Grégory Gadebois und Isabelle Carré bleibt auch Guillaume De Tonquédec in Erinnerung, der als Haushofmeister Hyacinthe für einige gute Wortspiele und bissige Sequenzen gut ist.
Auch wenn der Film eigentlich keine Komödie ist, gibt es ein paar lustige Szenen, die hängen bleiben, wie die Geschichte, dass Manceron die von Louise in Streifen geschnittenen und gebackenen Pommes ablehnt.
Dabei hat die Rolle des Manceron eine zentrale Aufgabe, denn dadurch dass er sein Restaurant eröffnet, bietet er dem Volk die Möglichkeit an, auch nach draußen zu gehen und geschmackvolles Essen zu genießen. Denn bis dahin hatten allein der Adel und einige Vertreter des Großbürgertums das Privileg, sich gemeinsam zu einem Mahl zusammenzufinden. Auch wird der Meisterkoch sehr modern dargestellt, denn er will nur regionale Produkte verwenden und weigert sich, mit Gewürzen aus fernen Ländern zu kochen.
Der Film ist eine nette Geschichte, bei der leider manche Szenen doch etwas zu lang geraten ist. Auch hätte man gerne noch etwas mehr über die vom Meisterkoch erfundenen Rezepte erfahren.
Trotz der Kritik ist "À la Carte! - Freiheit geht durch den Magen" ein netter kleiner Film über der Erfindung des Restaurants im Fahrwasser der Französischen Revolution, der keine neuen Erkenntnisse bringt, der aber auch Niemandem weh tut und den man sich ganz entspannt auch im Kino ansehen kann.
Zusatz: Das Rezept für die KÖSTLICHKEIT
Zutaten für 20 Pasteten
Für den Teig:
300 g Mehl
35 g Kartoffelstärke
250 g Butter
5 g Salz
15 g Zucker
7 cl Vollmilch
2 Eigelb
Für die Garnitur:
600 g große Kartoffeln
50 g frische Trüffeln
120 g Entenschmalz
90 g geraspelter Cantal-Käse
Feines Salz, Pfeffer aus der Mühle
Zubereitung des Teiges:
Mischen Sie in einer Salatschüssel das Mehl mit der Kartoffelstärke, dem Salz und dem Zucker. Arbeiten Sie mit den Fingerspitzen weiche Butter ein. Fügen Sie dann die Milch und das Eigelb hinzu, kneten Sie, bis Sie eine glatte und homogene Masse haben. Im Kühlschrank aufbewahren.
Zubereitung der Köstlichkeit:
Schälen Sie die Kartoffeln und schneiden Sie sie in Stücke, dann in gleichmäßige Scheiben von einem halben Zentimeter Breite. Erhitzen Sie in einer großen Pfanne das Entenschmalz, dann braten Sie die Kartoffelscheiben, bis sie eine goldene Farbe bekommen. Würzen Sie mit etwas Salz und Pfeffer. Nehmen Sie die Kartoffelscheiben aus der Pfanne und tupfen Sie sie auf einem Küchenpapier ab. Warm halten. Währenddessen die Trüffel in feine Scheiben schneiden. Legen Sie kleine Formen mit dem Teig a la Valentin aus, den Sie vorher mit Hilfe einer Teigrolle auf der mit Mehl gepuderten Arbeitsfläche ausgerollt haben. Beginnen Sie das Übereinanderschichten mit einer Kartoffelscheibe, einer Prise geriebenem Käse, einer Lamelle Trüffel und wiederholen Sie dies bis zum Rand der Form.
Bedecken Sie alles mit einer dünnen Schicht aus Teig und dekorieren Sie diese mit kleinen Croissants aus Teig, die Sie mit einer Ausstechform zubereiten. Heizen Sie den Ofen auf 180° vor und backen Sie alles 35 Minuten lang. Aus dem Ofen herausnehmen und heiß servieren.
Das Rezept stammt von den kulinarischen Beratern des Films Thierry Charrier und Jean-Charles Karmann und wurde dem heutigen Geschmack angepasst.
Foto 1: Der Geschmack von Revolution und Trüffel: Für Meisterkoch (Grégory Gadebois), seinen Rousseau lesender Sohn (Lorenzo Lefèbvre) und die mysteriöse Louise (Isabelle Carré) geht Revolution durch den Magen © Neue Visionen Filmverleih
Foto 2: Der Gefolgsmann des Herzogs (Guillaume des Tonquédec) diktiert Manceron (Grégory Gadebois) die ausufernden Menü-Wünsche seines Herrn © Neue Visionen Filmverleih
Foto 3: Der sture Meisterkoch Manceron (Grégory Gadebois) präsentiert dem Herzog erneut seine "Köstlichkeit" © Neue Visionen Filmverleih
Info:
À la Carte! - Freiheit geht durch den Magen (Frankreich 2021)
Originaltitel: Délicieux
Genre: Tragikomödie, Französische Revolution, Kochen
Filmlänge: ca. 112 Min.
Regie: Éric Besnard
Drehbuch: Éric Besnard, Nicolas Boukhrief
Darsteller: Grégory Gadebois, Isabelle Carré, Benjamin Lavernhe, Guillaume de Tonquédec, Christian Bouillette, Lorenzo Lefèbvre u.a.
Verleih: Neue Visionen Filmverleih GmbH
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 25.11.2021