in den uffizienSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. November 2021, Teil 14

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Naßkaltes Novemberwetter, Sehnsucht nach dem Süden, nach Wärme und Schönheit. Und das angesichts von Corona. Im Frankfurt Cinema geht das inzwischen professionell, die Impfausweise oder den digitalen Nachweis 2G im mobilen Telefon haben die Leute schon in der Hand. Doch mehr als erwartet nehmen Essen und Trinken, das an der Theke appetitlich angeboten wird, mit in den Kinosaal. Die Masken? Fast alle hatten sie während der Vorstellung auf.

Das war am Freitag, 26. November um 16 Uhr. Am Donnerstag hatte man die Filmkritiken zu den anlaufenden Filme in den Zeitungen lesen können. Dabei tat sich die Frankfurter Rundschau mit einem derartigen Verriß hervor, ein echtes Niedermachen, das dann schon wieder neugierig machte, denn man hatte im allgemeinen Gutes über den Film gehört. Zwar traue ich nur meinen eigenen Augen, dem eigenen Gefühl beim Filmschauen, aber natürlich ist auch interessant, was andere dazu meinen.

Wahrscheinlich habe ich deshalb mir viel stärker als sonst Gedanken gemacht, für wen eigentlich die Regisseure solche Filme drehen. Da gäbe es nämlich viele Adressaten. Einmal die Kunstenthusiasten, die das Abfotografieren der hochkarätigen Sammlung, die aus den Medici-Beständen weiterblühte, und deren Wiedergabe auf großer Leinwand schon glücklich macht. Zu denen ich gehöre. Dann gibt es die, die es interessiert, wie solch eine Institution wie ein Kunstmuseum funktioniert, aus welchen Arbeitsbereichen es besteht, ob und wie die Hierarchien verlaufen – ach und auch die Architekturinteressierten sind belz2über einen Film, der sich mit dem Bau, seinen Abänderungen beschäftigt, hochzufrieden, erst recht, wenn es sich hier nicht um einen genuiner Museumsbau, sondern das aus den Bürogebäuden der Medici über die Jahrhunderte ins Museum verwandelte dreiflüglige, U-förmige Gebäude handelt. Das interessiert mich auch. Man könnte aber auch einen Film allein über die Besucher drehen, wie sie die Kunst an den Wänden erleben, wie sie auf Farbe an den Wänden reagieren, wo ihre Handys in die Höhe schießen, etc. Auch hier habe ich den Film schon im Kopf! Oder einen Film über einen Wärter, was er im Laufe eines Tages, einer Woche, eines Monats, eines Jahres, einen ganzen Wärterlebens über die Museumsbesucher denkt, was er erlebt und ob er ein Verhältnis zu den Werken entwickelt, ob er mit ihnen spricht oder diese mit ihm? Also, wahrscheinlich ist an mir eine Drehbuchschreiberin verlorengegangen. 

Oder einen Museumsfilm für Filmkritiker? Für die gehobene Klasse der Cineasten, die sich auskennen mit den Hochkulturfilmen des Amerikaners Frederik Wiseman, der die Londoner National Gallery, das Ballett der Pariser Oper und die Public Library in New York? Und das muß nicht sein, da gucke ich lieber die Bilder selbst an. Auch in Büchern, denn es liegen Bestandskataloge für die Uffizien vor! Sie stehen im Regal. 

blez1Wir sind längst nicht fertig, so viel fällt uns noch zu potentiellen Filmen über ein Museum und speziell über die Uffizien ein. Aber hier stand ja die Regisseurin Corinna Belz (oben rechts) vor dem Publikum, das gerade den Film gesehen hatte und war neugierig auf die Fragen, die kamen. Doch, doch, die kamen auch, aber erst einmal lähmten die Dankesbezeigungen der Besucher etwas den Ablauf. Aber sicher tut das Regisseuren grundsätzlich gut, die auf solchen Premierentourneen tagelang in allen möglichen Städten unterwegs sind. Auf jeden Fall goutierte das Frankfurter Publikum den Film. Sehr sogar!

Die Fragen waren so vielfältig, wie es die obigen Aufzählungen, für wen wohl dieser Museumsfilm gedreht wurde, schon aufzeigten. Ein deutscher Direktor eines italienischen, noch dazu so bedeutenden nationalen Museums? Obwohl der Film auf die ursprüngliche Dramatik, die die Besetzung gleich dreier Museumspositionen im Jahr 2015 mit Deutschen, nicht einging und auch nicht auf die Verwirrungen, die eine kurzfristige neue rechte Regierung mit der Nichtverlängerung der Verträge dieser Drei hervorrief, die aber kurzzeitig blieb, weil die schnell folgende linke Regierung Eike Schmidt schnell wieder im Amt beließ. Aus guten Grund, denn seinen Einsatz für einen zeitgemäßen Museumsbetrieb, den dokumentiert dieser Film glaubwürdig. So fand eine Zuschauerin es erstaunlich, was so ein Direktor alles zu tun habe. Wir sehen ihn kaum bei seinen bürokratischen Arbeiten, da sind die Aufnahmen mit dem durch hohe Mappenstöße belagerten Schreibtisch eindrücklich genug, wenig auch bei den notwendigen Telefongesprächen mit Förderern oder Leihgebern oder oder...

IMG 4713Für das Publikum sind Fragen nach den Drehbedingungen naheliegend. Wie schwierig sich die gestalteten, davon sprach Corinna Belz im Detail. Allein das Ausfüllen von Einverständniserklärungen der Besucher, im Film vorzukommen, die sie an den Drehtagen potentiell von jedem Besucher schriftlich einholen mußte, ist ein irrer bürokratischer Aufwand.

Corinna Belz erklärte auch die im Film sichtbaren unterschiedlichen Prozesse, die als Handlungsteile verfolgt wurden, wie die Szenen mit dem Bildhauer ANTONY GORMLEY, der direkt in der Ausstellung seine Figur unterbringen durfte. Was das für Diskussionen waren und das Publikum war sich auch einig darin, daß der 1950 geborene Engländer ganz schön arrogant auftrat und zuerst einmal im vorgesehenen Raum technisch höchst aufwendige Veränderungen gefordert hatte, dann aber den Rat des Hausherrn als sehr viel besser als seine Absichten einschätzte und sich zufrieden gab. Wir, die wir im Film das viele Gerede um seine Arbeiten verfolgt hatten, zeigten sich in der Filmbesprechung doch enttäuscht, von dieser einsamen Figur vor dem Fenster, an der die Besucher völlig ungerührt vorbeigingen. Nicht spannend.

Und ein Zuschauer freute sich an den ausführlichen Darstellungen des hauseigenen Archivars, Claudio di Benedetto, dem Leiter der Bibliothek, der seit Jahrzehnten am Haus und das wandelnde Gedächtnis des Museums ist. Seine Ausführungen über die Geschichte der Uffizien, über einzelne Ereignisse sind im Film sehr spannend, weil eben bestimmte Italiener auch sehr pointiert und mit dramatischer Geste ihre Aussagen würzen. Als dieser Zuschauer auch noch äußerte, dieser Italiener habe dem deutschen Direktor die Schau gestohlen, kam nicht nur Gelächter, sondern auch Beifall auf. Und man glaubt durchaus, daß Eike Schmidt das gutgeheißen hätte, denn im Film tritt er zwar bestimmt und in diesem Sinne direktoral auf, aber gleichermaßen sehr kollegial im Verhältnis zu den Mitarbeitern.

Auf jeden Fall konnte die Regisseurin Wohlwollen, Interesse, ja Begeisterung für diesen Film mitnehmen.

Fotos:
©Redaktion

Info:
Ein Film von CORINNA BELZ und ENRIQUE SÁNCHEZ LANSCH
Mit EIKE SCHMIDT – Direktor Uffizien
ALBERICA BARBOLANI DA MONTAUTO – Referentin der Direktiom
CLAUDIO DI BENEDETTO – Leiter der Bibliothek
ANTONIO GODOLI – Leitender Architekt
NICOLA SANTINI – Architekt
ANTONY GORMLEY – Bildhauer, Turner-Preis 1994
OCEAN MIMS – Assistent von Antony Gormley
DEMETRIO SORACE – Verantwortlich für das Depot der Uffizien u.a.
96 Minuten
Anlaufen am 25. 11. 21