Redaktion
Belgrad (Weltexpresso) – Woher kam die Inspiration für den Film und was veranlasste Sie dazu die Geschichte zu erzählen?
VATER beruht auf einer wahren Begebenheit und einer realen Person. Als ich zum ersten Mal von der Geschichte des Vaters gelesen habe, war dieser bereits vor dem Arbeitsministerium und hat protestiert und verlangt, dass seine Kinder zu ihm zurückgeführt werden sollten. Ich fuhr also dorthin und habe mit ihm gesprochen. Über Tage hinweg habe ich mich dort mit ihm getroffen und ihm meine Unterstützung angeboten.
Ich realisierte, dass etwas sehr Spezielles in der Geschichte war, etwas Inspirierendes und Cineastisches, eine Art Paris-Texas-Erzählung wie sie der Balkan schreibt.
Ebenso faszinierte mich der Marsch, als ein Akt des Protestes und Zeichen der Freiheit. Ich realisierte, dass der Marsch (für mich) in der Tat die größte und reinste Form der Freiheit darstellt. Sowohl Revolte als auch Widerstand.
Friedlicher Widerstand. Dann dachte ich über den Helden nach und entschied mich, einen Film über einen Mann zu machen, der mehr instinktiv von innen heraus, als durch rationale Überlegung zu einem persönlich profunden und aufrechten Handeln angetrieben wird.
Er weiß nicht genau was er tut, seine Eingebung leitet ihn in eine unklare Richtung und er, der nur auf sich selbst und seine innere Stimme hört, folgt aber diesem Pfad der Menschlichkeit und Reinheit.
Der Film startet wie ein soziales Drama nimmt dann aber mit dem Aufbruch Nikolas zu seiner Reise eine ziemlich überraschende Wendung ...
Es war mein Ziel, den Film wie ein realistisches Drama über eine bürokratische und korrupte Gesellschaft zu starten und ihn dann langsam in eine Erzählung über einen Mann zu wandeln, der durch die mystische Reise, zu der er aufbricht, von einem Verlierer und „Wegducker“ zu einem Helden wird.
So wird aus dem anfänglichen sozialen Drama ein Märchen. Ein Film über einen Mann der sich selbst austestet und durch seine Reise seine eigene Würde wiedererlangt. Er ist kein Held, der gegen das System kämpft, er kämpft nur um die Wiederkehr seiner Kinder und den Wiederaufbau seiner Familie.
Wir leben in einer isolierten Welt, sozusagen in einer geschützten Zone, in der wir den Luxus haben über Freiheit und Menschwürde, ja auch über ethische Gründe, nachzudenken und zu reden. Der Mensch jedoch von dem ich rede, ist zu einer einzigen Sache verdammt – zum Überleben. Er kann sich den Luxus nicht leisten, über abstrakte Gründe nachzudenken, er ist wie ein Tier, das für sich und seine Familie um das Überleben kämpft. So in etwa stellt sich unser Held Nikola dar.
Durch den Widerstreit und Kontrast zwischen dem dramatischen bürokratischen Geschehen und der märchenhaften Reise durch das Land, habe ich versucht einen Film über eine Reise eines einfachen Mannes zu schaffen und zwar eine physische, wie auch emotionale Reise.
Wie hat sich Nikolas Charakter im Film für Sie entwickelt?
Auf seiner Reise begegnet Nikolas verschieden Menschen, einige testen ihn aus und versuchen ihn auf einen falschen Weg zu bringen, andere wiederum helfen ihm und geben ihm Hoffnung.
Er folgt seinem eigenen Weg, hört auf die Natur und findet seinen Verbündeten und Reisekameraden unter gewöhnlichen Menschen, Menschen die so sind wie er, Verlierer und „Wegducker“. Aber auch Tiere spielen eine Rolle für ihn. Vögel zeigen ihm seinen Weg, ein Hund begleitet ihn und Wölfe machen ihm Platz, lassen ihn passieren und spiegeln dabei seine Transformation vom Verlierer zum Helden.
Ein nicht unerheblicher Aspekt des Filmes in Bezug auf Nikola stellen die Landschaften und Gegebenheiten dar, durch die er wandert, wie z.B. die zerstörten Fabriken. Eine davon stellt ja auch einen Anlass für seine Reise dar.
Im Kontrast dazu steht die Natur. Noch nicht verwüstet, schön und kraftvoll, wird sie im Laufe der Reise ein Teil seines Innenlebens, seine Unterstützerin und seine Wächterin.
Haben andere Filmemacher oder Künstler Sie inspiriert, auch speziell für diesen Film?
Meine große Inspiration stellt die jugoslawische „Schwarze Welle“ dar: Filme von Dušan Makavejev, Aleksandar Petrović, Živojin Pavlović und Želimir Žilnik. Ihre Filme sind kompromisslos und tapfer. Sie haben beständig die Gesellschaft erforscht und analysiert. Dabei sind sie an diese Realität mit einer eigenen Heftigkeit herangetreten, um sie einem ins Gesicht zu schlagen. Sie waren auf der Suche nach der Freiheit, der cineastischen Sprache und, mehr als alles andere, strebten sie nach Wahrheit, Poesie und Existenzialismus. Sie haben es verstanden, die Realität einzufangen und diese in eine starke, spezielle und authentische, poetische und philosophische Welt zu wandeln.
Wohingegen unsere Realität heutzutage viel irrationaler und verrückter ist, als die Filme ,die wir machen. Ich habe in meinem Film nur versucht dem Leben zu folgen. Ja, und der Realität. Ich glaube, dass die Filmemacher der jugoslawischen "Schwarzen Welle" Filme schufen, die weit aus interessanter waren, als die damalige Realität. Heutzutage ist die Realität so dekadent und irreal geworden, dass wir, und hier meine ich die Filmemacher, kaum an sie heranreichen können. Und es gibt keine Fiktion, die den Grad an Irrationalität erreicht, die wir täglich erleben.
Eine andere große Quelle der Inspiration, während des Schreibens des Drehbuches, war das Tagebuch von Werner Herzog „VOM GEHEN IM EIS“.Eine Aufzeichnung seiner dreiwöchigen Reise zu Fuss von München nach Paris im Januar 1974. Herzog wanderte durch Schnee und Winterstürme in der Hoffnung, dass sein Opfergang das Leben seiner schwer erkrankten Freundin, der Filmkritikerin Lotte Eisner, verlängern würde. Herzogs Absicht scheint sich bewahrheitet zu haben, denn sie lebte neun weitere Jahre. In dem Film VATER gibt es eine Szene mit einem Hasen, diese hat direkten Bezug und ist eine Hommage an das Tagebuch von Werner Herzog.
Fortsetzung folgt
Foto:
©Verleih
Info:
VATER - OTAC
von Srdan Golubovic, SRB/HR/D/F 2020, 120 Min.
mit Goran Bogdan, Boris Isakovic, Nada Sargin, Milica Janevski, Muharem Hamzic, Ajla Santic
Drama / Start: 02.12.2021
Abdruck aus dem Presseheft
Ebenso faszinierte mich der Marsch, als ein Akt des Protestes und Zeichen der Freiheit. Ich realisierte, dass der Marsch (für mich) in der Tat die größte und reinste Form der Freiheit darstellt. Sowohl Revolte als auch Widerstand.
Friedlicher Widerstand. Dann dachte ich über den Helden nach und entschied mich, einen Film über einen Mann zu machen, der mehr instinktiv von innen heraus, als durch rationale Überlegung zu einem persönlich profunden und aufrechten Handeln angetrieben wird.
Er weiß nicht genau was er tut, seine Eingebung leitet ihn in eine unklare Richtung und er, der nur auf sich selbst und seine innere Stimme hört, folgt aber diesem Pfad der Menschlichkeit und Reinheit.
Der Film startet wie ein soziales Drama nimmt dann aber mit dem Aufbruch Nikolas zu seiner Reise eine ziemlich überraschende Wendung ...
Es war mein Ziel, den Film wie ein realistisches Drama über eine bürokratische und korrupte Gesellschaft zu starten und ihn dann langsam in eine Erzählung über einen Mann zu wandeln, der durch die mystische Reise, zu der er aufbricht, von einem Verlierer und „Wegducker“ zu einem Helden wird.
So wird aus dem anfänglichen sozialen Drama ein Märchen. Ein Film über einen Mann der sich selbst austestet und durch seine Reise seine eigene Würde wiedererlangt. Er ist kein Held, der gegen das System kämpft, er kämpft nur um die Wiederkehr seiner Kinder und den Wiederaufbau seiner Familie.
Wir leben in einer isolierten Welt, sozusagen in einer geschützten Zone, in der wir den Luxus haben über Freiheit und Menschwürde, ja auch über ethische Gründe, nachzudenken und zu reden. Der Mensch jedoch von dem ich rede, ist zu einer einzigen Sache verdammt – zum Überleben. Er kann sich den Luxus nicht leisten, über abstrakte Gründe nachzudenken, er ist wie ein Tier, das für sich und seine Familie um das Überleben kämpft. So in etwa stellt sich unser Held Nikola dar.
Durch den Widerstreit und Kontrast zwischen dem dramatischen bürokratischen Geschehen und der märchenhaften Reise durch das Land, habe ich versucht einen Film über eine Reise eines einfachen Mannes zu schaffen und zwar eine physische, wie auch emotionale Reise.
Wie hat sich Nikolas Charakter im Film für Sie entwickelt?
Auf seiner Reise begegnet Nikolas verschieden Menschen, einige testen ihn aus und versuchen ihn auf einen falschen Weg zu bringen, andere wiederum helfen ihm und geben ihm Hoffnung.
Er folgt seinem eigenen Weg, hört auf die Natur und findet seinen Verbündeten und Reisekameraden unter gewöhnlichen Menschen, Menschen die so sind wie er, Verlierer und „Wegducker“. Aber auch Tiere spielen eine Rolle für ihn. Vögel zeigen ihm seinen Weg, ein Hund begleitet ihn und Wölfe machen ihm Platz, lassen ihn passieren und spiegeln dabei seine Transformation vom Verlierer zum Helden.
Ein nicht unerheblicher Aspekt des Filmes in Bezug auf Nikola stellen die Landschaften und Gegebenheiten dar, durch die er wandert, wie z.B. die zerstörten Fabriken. Eine davon stellt ja auch einen Anlass für seine Reise dar.
Im Kontrast dazu steht die Natur. Noch nicht verwüstet, schön und kraftvoll, wird sie im Laufe der Reise ein Teil seines Innenlebens, seine Unterstützerin und seine Wächterin.
Haben andere Filmemacher oder Künstler Sie inspiriert, auch speziell für diesen Film?
Meine große Inspiration stellt die jugoslawische „Schwarze Welle“ dar: Filme von Dušan Makavejev, Aleksandar Petrović, Živojin Pavlović und Želimir Žilnik. Ihre Filme sind kompromisslos und tapfer. Sie haben beständig die Gesellschaft erforscht und analysiert. Dabei sind sie an diese Realität mit einer eigenen Heftigkeit herangetreten, um sie einem ins Gesicht zu schlagen. Sie waren auf der Suche nach der Freiheit, der cineastischen Sprache und, mehr als alles andere, strebten sie nach Wahrheit, Poesie und Existenzialismus. Sie haben es verstanden, die Realität einzufangen und diese in eine starke, spezielle und authentische, poetische und philosophische Welt zu wandeln.
Wohingegen unsere Realität heutzutage viel irrationaler und verrückter ist, als die Filme ,die wir machen. Ich habe in meinem Film nur versucht dem Leben zu folgen. Ja, und der Realität. Ich glaube, dass die Filmemacher der jugoslawischen "Schwarzen Welle" Filme schufen, die weit aus interessanter waren, als die damalige Realität. Heutzutage ist die Realität so dekadent und irreal geworden, dass wir, und hier meine ich die Filmemacher, kaum an sie heranreichen können. Und es gibt keine Fiktion, die den Grad an Irrationalität erreicht, die wir täglich erleben.
Eine andere große Quelle der Inspiration, während des Schreibens des Drehbuches, war das Tagebuch von Werner Herzog „VOM GEHEN IM EIS“.Eine Aufzeichnung seiner dreiwöchigen Reise zu Fuss von München nach Paris im Januar 1974. Herzog wanderte durch Schnee und Winterstürme in der Hoffnung, dass sein Opfergang das Leben seiner schwer erkrankten Freundin, der Filmkritikerin Lotte Eisner, verlängern würde. Herzogs Absicht scheint sich bewahrheitet zu haben, denn sie lebte neun weitere Jahre. In dem Film VATER gibt es eine Szene mit einem Hasen, diese hat direkten Bezug und ist eine Hommage an das Tagebuch von Werner Herzog.
Fortsetzung folgt
Foto:
©Verleih
Info:
VATER - OTAC
von Srdan Golubovic, SRB/HR/D/F 2020, 120 Min.
mit Goran Bogdan, Boris Isakovic, Nada Sargin, Milica Janevski, Muharem Hamzic, Ajla Santic
Drama / Start: 02.12.2021
Abdruck aus dem Presseheft