Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. Dezember 2021, Teil 3
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Maud Crayon (Valérie Donzelli) ist eine 42-jährigen Mutter von zwei Kindern und Architektin. Gerade schläft wieder mal ihr Ex-Partner Martial (Thomas Scimeca) und Vater ihrer Kinder bei und mit ihr, denn er hat wie schon häufiger eine Beziehungspause mit seiner augenblicklichen Freundin. Er muss aber vor dem Aufstehen der Kinder verschwinden, da sie diese darüber belügt.
Im Büro ihres Chefs Greg (Samir Guesmi) gibt es auch wieder Ärger, weil sie 15 Minuten zu spät kommt. Sie hat auch immer noch keinen Arbeitsvertrag bekommen, dabei weist ihr Chef sie ständig zurecht und gibt ihr auch noch kurzfristige Zusatzaufgaben. So soll sie einen Entwurf für einen Kinderspielplatz schnellstmöglich fertig machen.
Beim Besuch bei der Frauenärztin - ihrer Freundin Coco (Virginie Ledoyen) - erfährt sie, dass sie im 4. Monat schwanger ist und damit ist es zu spät für eine Abtreibung - Vater ist Martial, dem sie allerdings nichts von der Schwangerschaft erzählen will.
Durch einen recht märchenhaften Zufall nimmt ihr Spielplatzentwurf an der städtischen Ausschreibung zur Neugestaltung des Vorplatzes vor Notre Dame teil und gewinnt. Neben dem Vorplatz von Notre Dame soll der Plan auch einen Metro-Eingang und Springbrunnen enthalten. Plötzlich hat Maud ein Projekt mit 121 Millionen Euro an Land gezogen.
Doch mit dem Gewinn der Ausschreibung fangen die wirklichen Probleme erst an. Bei der ersten Pressekonferenz trifft sie nicht nur auf die exaltierte Bürgermeisterin (Isabelle Candelier), sondern auch auf den Journalisten Bacchus Renard (Pierre Deladonchamps), der ihre Arbeit bis zur Fertigstellung des Projekts dokumentieren soll. Bacchus stellt sich als ihre Jugendliebe heraus, der immer noch an ihr Interesse hat.
Der Auftrag macht Maud zwar bekannt und sollte ihr auch ordentlich Geld einbringen (von dem ihr Chef plötzlich die Hälfte abhaben will), doch das Projekt entwickelt sich zur nächsten großen Baustelle: Auch wenn die Bürgermeisterin und die Politiker von dem futuristischen Entwurf begeistert sind (die Bürgermeisterin vergleicht den Entwurf mit dem Eiffelturm und seiner Ansicht bei der Pariser Bevölkerung während des Baus), sind viele Pariser und vor allem die Boulevardpresse und auch Kirchenvertreter dagegen. Dadurch kommt es zu Demonstrationen auf dem Platz vor der Kirche, die den Fortgang der Arbeiten verhindern.
Doch wie soll Maud ihre vielen Baustellen meistern, vor allem da nicht nur das Großprojekt auf dem Spiel steht, sondern ihre Schwangerschaft langsam sichtbar wird und sie entscheiden muss, wie es mit ihrem Ex Martial und auch ihren Gefühlen zu Bacchus Renard weitergehen soll...
Bei "Notre Dame - Die Liebe ist eine Baustelle" hat Valérie Donzelli nicht nur die Hauptrolle der Maud Crayon gespielt, sondern auch Regie geführt und zusammen mit Benjamin Charbit das Drehbuch geschrieben.
Neben der tollpatschigen und überforderten Heldin ist vor allem die Pariser Kathedrale Notre Dame der heimliche Star der Komödie - auch wenn sie immer nur im Hintergrund gezeigt wurde. Denn da der Film ein paar Monate vor dem Feuer im April 2019 gedreht wurde, konnte Kameramann Lazare Pedron noch die zwei vollständigen Türme und eine unversehrte Kirche zeigen.
Die Regisseurin versucht mit ihrem Film eine typische seichte französische Liebeskomödie zu umschiffen, deshalb zeigt sie viele Szenen voll von bissigem Humor und absurder Komik.
Leider ist dabei ein zwar amüsantes, aber auch unausgegorenes Durcheinander entstanden, denn Valérie Donzelli hat zwar jede Menge Ideen, sie verzettelt sich damit aber auch im Laufe des Films. Durch die plötzlich auftretenden und manchmal auch unmotivierten oder auch märchenhaften und surrealen Ereignisse wirkt der Film sehr unruhig, so hört man plötzlich in der Mitte einen gut informierten Erzähler aus dem Off, es tritt immer wieder ein Mann auf, der grundlos Menschen auf der Straße ohrfeigt - ohne dass seine Handlung letztendlich aufgeklärt wird, dann sieht man Tanzeinlagen vor einer reduzierten Theaterkulisse mit Dialogeinblendungen, und gegen Ende singen plötzlich auch noch alle Hauptdarsteller recht unmotiviert.
Dazu kommt, dass Maud eigentlich während des ganzen Films - zugegeben bei aller Überforderung als Mutter mit lästigem Ex, neuem Lover und einem zu großem Projekt - mit ihrer Hyperaktivität auf der einen Seite und ihrer geringen Entscheidungsfreudigkeit auf der anderen Seite nur nervt. Sie ist eigentlich nicht in der Lage, ihr Leben sinnvoll in die Hand zu nehmen, z.B. ihren Ex einfach raus zu werfen oder sich stärker in das gewonnene Projekt einzubringen (da wirkt sie, als sei sie nur zu Besuch).
Nicht gelungen ist auch der Teil, in dem Maud und ihr Mitarbeiter Didier (Bouli Lanners) mit einer völlig inkompetenten Rechtsanwältin verhandelt, die dann während des Prozesses auch noch plötzlich verstirbt. Für den Fortgang der Story, in denen Bacchus Renard eine Rolle spielt, hätte man einen anderen Eingang finden können.
Die Szenen, in denen die Pariser Bürger sich plötzlich gegen das Projekt stellen, weil sie - auch durch die Medien angestachelt - Mauds Entwurf völlig grundlos (und mit religiösen Gesängen) ablehnen, sind dagegen nett anzusehen. Mit den im Laufe des Films angesprochenen Themen wie hohe Arbeitslosigkeit, Wohnsitzlose, Naturkatastrophen, Luftverschmutzung und einen vermeintlichen Giftgasanschlag mit einer rosa Wolke versucht der Film neben all den Albernheiten und romantischen Verstrickungen auch noch die zahlreichen französischen Problemen satirisch zu kommentieren. Allerdings werden diese leisen Kritiken durch ein klassisches Happy End wieder unterlaufen.
Insgesamt ist "Notre Dame - Die Liebe ist eine Baustelle" eine etwas unausgegorene und oft auch hyperaktive Komödie, die versucht nebenbei ernste Themen zu integrieren und die zwar nett anzusehen ist, aber an einigen Stellen auch einfach nur nervig wirkt. Wer französische Komödien liebt, wird sich an dem seltsamen Film freuen können, andere Kinogänger können Steven Spielbergs "West Side Story" besuchen, der am gleichen Termin anläuft.
Foto 1: Maud (Valérie Donzelli) und ihr Chef Greg (Samir Guesmi) © W-film / RectangleProductions
Foto 2: Maud (Valérie Donzelli) und Bacchus Renard (Pierre Deladonchamps) © W-film / RectangleProductions
Info:
Notre Dame - Die Liebe ist eine Baustelle (Frankreich, Belgien 2019)
Originaltitel: Notre dame
Genre: Komödie
Filmlänge: 89 Min.
Regie: Valérie Donzelli
Drehbuch: Valérie Donzelli, Benjamin Charbit
Darsteller: Valérie Donzelli, Pierre Deladonchamps, Thomas Scimeca, Bouli Lanners, Virginie Ledoyen, Isabelle Candelier, Philippe Katerine u.a.
Verleih: W-Film
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 09.12.2021