Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Januar 2022, Teil 1
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Weihnachten 1991: Prinzessin Diana (Kristen Stewart) hat sich von ihren Bewachern abgesetzt und versucht in ihrem Sportwagen allein zum jährlichen Weihnachtsfest auf den Landsitz Sandringham zu fahren, um mit der gesamten königlichen Familie die Weihnachtstage zu verbringen. Allerdings verfährt sie sich und kommt dadurch an dem inzwischen geschlossenen Haus ihrer Familie vorbei, an das sie nur positive Erinnerungen hat. Sie trifft dadurch mit Verspätung - und nach der Queen - auf Sandringham House ein.
Die Feiertage bestehen aus einer endlosen Abfolge von vorher genau geregelten Weihnachtsfeierlichkeiten, bei denen nicht nur die Kleider bereits genau festgelegt sind, sondern auch was wann gegessen, getrunken oder wann und was gejagt wird. Das beginnt schon mit dem Wiegen bei der Ankunft - weil es so Tradition ist.
Auch wenn Diana dieses Spiel kennt und die wenigen Vertrauten ihr raten gute Miene zum Spiel zu machen, ist ihr psychischer Zustand nicht gerade der Beste. Denn das Königshaus versucht nicht nur die junge Frau zu kontrollieren - so gibt es in diesem Jahr mit Major Alistair Gregory (Timothy Spall) einen Mann, der wohl dazu abgestellt wurde, jeden ihrer Schritte zu überwachen, sondern auch ihre Ehe mit Prinz Charles besteht nach 10 Jahre nur noch auf dem Papier, denn Charles hat schon lange eine Geliebte.
Diana glaubt, dass sie eigentlich nur zwei Vertraute hat und zwar ihre Hofdame Maggie (Sally Hawkins) und den Küchenchef Darren McGrady (Sean Harris). Ihr einziger Lichtblick sind ihre beiden Söhne William (Jack Nielen) und Harry (Freddie Spry), die sie immer wieder in deren Zimmer besucht.
Doch auch die Jungen können ihr nicht weiter helfen, denn während alle um sie herum ihr das vorgeschriebene Protokoll aufzuzwingen versuchen, bricht sie immer wieder aus. So besucht sie gegen den Willen ihres Mannes nachts ihr inzwischen abbruchreifes Geburtshaus Park House in der Nachbarschaft von Sandringham.
Mit Hilfe eines Buches über Anne Boleyn (Amy Manson), das sie in ihrem Zimmer gefunden hat und durch einen Besuch ihres Geburtshauses wird sie am Ende der drei Weihnachtsfeiertage Sandringham und damit ihren goldenen Käfig verlassen, auch wenn das für sie und die englische Krone weitreichende Konsequenzen bedeuten wird...
Regisseur von "Spencer" ist Pablo Larraín nach einem Drehbuch von Steven Knight. Pablo Larraín hat neben (häufig politischen) Themen aus seinem Heimatland Chile wie "No!" (2012), "The Club" (2015), "Neruda" (2016) oder "Ema" (2019) auch den Film "Jackie: Die First Lady" (2016) über Amerikas First Lady Jaqueline Kennedy (gespielt von Natalie Portman) kurz nach dem Attentat auf ihren Mann inszeniert. Sowohl in "Jackie" als auch in seinem neuen Film wirft Larraín einen Blick auf zwei Frauen, die in einem streng reglementierten traditionellen System gefangen sind und die bereit sind, sich daraus zu befreien, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Die Handlung von "Spencer" spielt an drei Weihnachtstagen 1991, dabei ist recht schnell klar, dass Pablo Larraín keine Biografie von Diana gedreht hat. Es geht auch weniger um die Konflikte zwischen Diana und Prinz Charles, sondern sehr viel mehr um die Probleme einer Frau, die sich am falschen Platz fühlt. Dabei sind eigentlich alle Familienmitglieder, mit Ausnahme von Dianas Ehemann und ihren Söhnen nur Staffage. Denn eigentlich fühlt sich Diana nicht zugehörig und wechselt auch mit Charles und der Queen kaum ein Wort. Diese Szenen zeigen aber deutlich, dass man eigentlich auch kaum gemeinsamen Gesprächsstoff hat.
Das gesamte Weihnachtsfest ist eigentlich ein Albtraum von traditionellen Abläufen trotz der über reichlichen Mahlzeiten, dem ewigen Kleiderwechsel und der erdrückenden historischen Einrichtung. Sandringham ist andauernd in winterliche geisterhafte Nebelschleier gehüllt. Diana selbst fühlt sich in diesem Geisterschloss überall beobachtet (nicht ganz zu unrecht), wird regelmäßig getadelt und letztendlich wie ein unmündiges Kind behandelt (wenn z.B. die Vorhänge in ihrem Schlafzimmer nicht nur zugezogen, sondern angeblich aus Angst vor der Presse zugenäht werden). Regisseur Pablo Larraín und seine Kamerafrau Claire Mathon schaffen es, dem Zuschauer das Gefühlt von einem Horrorszenarium zu geben.
Dass der Regisseur nicht viel für die königliche Familie übrig hat, macht er in vielen kleinen Szenen klar, beginnend mit dem Anliefern des Essens, das von Soldaten in Gewehrkisten militärisch straff geliefert wird und genauso militärisch an das Küchenpersonal weitergegeben wird und besonders auch bei den unangenehmen Riten bei den Mahlzeiten und während der Rebhuhnjagd, bei der Prinz William gezwungen wird mitzumachen.
Pablo Larraín zeigt eine junge Frau, die sich nach der Märchenhochzeit in einem persönlichen Albtraum gefangen fühlt. Dabei sehnt sich Diana nur noch nach ihrem Leben vor der Ehe (der Film heißt schließlich "Spencer"). Larraín zeigt dies mit dem Besuch ihres verfallenen Elternhauses oder der Jacke ihres Vaters an einer Vogelscheuche (die die Prinzessin am Ende des Films gegen eines ihrer Kleider austauscht).
Das wird aber auch in den Szenen deutlich, in denen sie sich mit Anne Boleyn vergleicht, denn die unglückliche zweite Ehefrau von Heinrich VIII bringt sie letztendlich zu einer Entscheidung. Dabei lässt Larraín auch lange Zeit offen, was eigentlich Wirklichkeit ist und was in Dianas Vorstellung vorgeht, denn die Prinzessin litt nicht nur an Bulimie und an selbstverletzendem Verhalten, wie auch im Film einige Male vorgeführt wird (besondern bleibt eine Szene in Erinnerung, in der Diana im kostbaren Ballkleid über der Kloschüssel hängt und sich übergibt), sondern leidet ganz deutlich an noch weiteren psychischen Problemen.
Die Hauptrolle der Prinzessin von Wales spielt Kristen Stewart als eine Frau, der die königliche Familie keine Luft zum Atmen gelassen hat und der man bei allem dickköpfigen und für die Familie auch nicht immer nachvollziehbarem Verhalten doch wünscht, dass sie dem einengenden Korsett entfliehen kann.
Kristen Stewart spielt in "Spencer" die Rolle ihres Lebens. Sie schafft es - auch wenn sie deutlich kleiner als Diana ist - in der Rolle zu verschwinden und die Mimik und Gestik der Prinzessin von Wales hervorragend zu treffen. Dabei wird sie durch die hervorragenden Arbeiten von Kostümbildnerin Jacqueline Durran und Maskenbildnerin Wakana Yoshihara unterstützt. Die Schauspielerin hat zu Recht dafür u.a. Nominierungen als beste Hauptdarstellerin für die Golden Globe Awards (den sie nicht gewinnen konnte) und den Critics Choice Awards 2022 erhalten.
Während "Spencer" vor allem durch die sehenswerte Performance von Kristen Stewart lebt, können einige Nebendarsteller immer wieder wichtige Akzente setzt, wie Jack Farthing als Prinz Charles, Timothy Spall als Aufpasser Major Alistair Gregory, Sally Hawkins als Dianas Garderobiere Maggie oder Sean Harris als Küchenchef Darren McGrady. Der Rest des Ensembles - incl. Stella Gonet als Königin Elizabeth - ist eigentlich nur Hintergrundrauschen.
Insgesamt ist "Spencer" ein düsteres, märchenhaftes aber letztendlich auch optimistisches Biopic einer nur auf Außenwirkung reduzierten königlichen Familie, in der Menschlichkeit als Schwäche aufgefasst wird. Der Film ist sicher nicht für Monarchiefreunde geeignet, allen anderen können ein spannendes und nachdenkenswertes Historien-Spektakel genießen.
Foto 1: Diana (Kristen Stewart) im Speisesaal der Bediensteten © DCM
Foto 2: Charles (Jack Farthing) und Diana (Kristen Stewart) © DCM
Foto 3: Timothy Spall als Major Alistar Gregory © DCM
Info
Spencer (Deutschland, Großbritannien 2021)
Originaltitel: Spencer
Genre: Drama, Biopic
Filmlänge: ca. 117 Min.
Regie: Pablo Larraín
Drehbuch: Steven Knight
Darsteller: Kristen Stewart, Timothy Spall, Jack Farthing, Sally Hawkins, Sean Harris, Richard Sammel, Amy Manson, Jack Nielen, Freddie Spry u.a.
Verleih: DCM
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 13.01.2022