15Zwei diametral unterschiedliche Filme am Mittwoch, 12. Januar im Kino des DFF Frankfurt, Teil 2/5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man lacht noch beim Darüberschreibenwollen, obwohl der Begriff Schmunzeln angebrachter ist, auch wenn ich manchmal über mich selbst erstaunt, laut loslachte, als ich an besagtem Mittwoch die Gaunerei verfolgte, die ganz anderes angefangen hatte. Übrigens, alles und von allen zu erzählen, würde viele Seiten brauchen, deshalb eine inhaltliche Kurzfassung, die gleichwohl immer schon die Einschätzung enthält.

Gerade hatte mich jemand nach Kunstkrimis gefragt. Dabei fiel mir auf, daß es Zeiten gab, wo diese Konjunktur hatten. Heute weniger. Ähnlich ist es mit den Filmen über Kunstraub, denn dies ist der Hintergrund, der Urgrund, die Ursuppe dieser Komödie, die ja beim Kunstraub in Wahrheit meist eine Tragödie ist, vor allem, wenn Kunstwerke für immer verschwinden. Derartige komödiantische Spielfilme gibt es heute weniger, dafür mehr Dokumentarfilme über Kunstwerke, gerne auch über unechte, also berühmten Malern zugeschriebene Werke, die Fälschungen sind, wobei die interessantesten die sind, wo sich Zweifler und Befürworter die Waage halten.

Nein, Peter Meister, erfahrener und prämierter Kurzfilmer, geht in seinem ersten Spielfilm mit der Kunst in die Vollen: DAS SCHWARZE QUADRAT, Inkunable der Abstrakten Kunst, des Suprematismus, die die Welt aus den Angeln heben wollte, von Kasimir Malewitsch seit 1915 gleich mehrmals gemalt und in seinen ersten Variationen rund 60 Millionen Dollar wert, wird geklaut. Wir sehen nur die Hand, die zugreift und dann zwei Tollkühne, die was ausgefressen haben, sich absetzen müssen und ein gerade abfahrendes Kreuzfahrtsschiff als Rettungsanker ergreifen. Da sie jedoch weder Karten noch Pässe haben, schlagen sie kurzentschlossen die beiden letzten Passagiere im günstigen Winkel nieder, schließen sie ein  und schiffen sich mit ihren Koffern ein. Es sind der gemütliche Vincent und der sehr junge, sehr naive Nils.

14In der ihnen zugewiesenen Kabine erleben sie gleich zwei Überraschungen, eine unangenehme, eine angenehme. Sie sind die Entertainer, die als David Bowie (Vincent/Bernhard Schütz) und Elvis Presley (Nils/Jacob Matschenz) das Publikum unterhalten sollen und beim Öffnen des einen Koffers ihr geklautes SCHWARZE QUADRAT tatsächlich haben. Beides ist spielfilmfüllend. Allein die Künstlerauswahl, wo einer mit Bauch den superdünnen Bowie darstellt, während der wohlbeleibte Elvis vom Superschlanken dargestellt wird, zeigt ein Regiekonzept, daß den gewohnten Blick unterlaufen will und auch kann. Das zeigt sich dann 10auch im weiteren filmischen Personal. Die erste, die wir als schräge Killerin, aber kalt bis ans Herz, das aber auch leicht für Vincent schlägt, ist Martha (Sandra Hüller), die das QUADRAT für einen russischen Oligarchen, der ebenfalls an Bord ist, erwerben will und deshalb den Polizisten, der es auf Deck schaffte, erst zusammenschlägt, dann ihm für das Nutzen seines Handys den Finger abschneidet und ihn dann ins Meer befördert. Sie gibt dem Film sozusagen die Sternchen, weil jeder ihrer Auftritte das gewisse Etwas hat, das einen sprachlos macht. Und dies, obwohl alle schauspielerischen Leistungen hohes Niveau zeigen.

Der andere Strang, die Auftritte der beiden Nichtkünstler als Imitatoren sind wirklich mutig. Das gilt vor allem für Vincent, der weder singen kann noch etwas darstellen, weshalb er zum Rosenkavalier beim Tanzen abkommandiert wird und irgendwie sanft und sympathisch wirkt, während Elvis einen anrührenden Part hinlegt. 

Natürlich lebt so eine Komödie von den vielen Figuren, die man an Bord genauso braucht wie für eine Verwechslungskomödie, den dieser Film auch bietet. Wichtige Rollen spielen die Bordmanagerin (Victoria Trauttmannsdorf), die flotte Unterhaltungspianistin Mia (Pheline Roggan) und ihr Galan, der 12überängstliche Levi (Christopher Schärf, Foto links), der oft dem jungen Johnny Depp bedenklich ähnlich sieht. 

Die Verwechslung betrifft nicht nur die Personen, sondern auch das SCHWARZE QUADRAT. Das ist nämlich zum Entsetzen von Vincent auf einmal weg, nur die Zuschauer wissen, daß es Mia an sich genommen und Levi es versteckt hat. Doch der geübte Maler weiß Rat. Sie klauen eins dieser dämmlichen Bilder von den Gangwänden, Vincent übermalt es, greift dabei auf die Mischung von Schwarz und ein uringetränktes Weiß zurück. Letzteres ist für mich die einzige Szene, die - so typisch deutsch als Fäkalienkomödie - zum Fremdschämen ist und geschnitten werden sollte, auch wenn es immer Leute geben wird, die dann laut lachen. 

Das neue SCHWARZE QUADRAT wird auf Pistolendruck von Martha den reichen Russen ausgeliefert, wobei Vincent erst jetzt kapiert, daß er dafür eine Tasche voller Geld bekommt. Um dieses Geld wird es dann auch noch gehen, so daß, nachdem Vincent ein weiteres Quadrat zusammenmalt, keiner - weder im Film, noch im Zuschauersaal - noch weiß, wo sich was befindet. Das macht auch nichts, denn Sinn ist ja das Durcheinander,das die Situation auslöst. Höhepunkt und absolut gelungen ist das, was mit den Schrankutensilien eines, der auf der Bühne Jungfrauen zersägt, geschieht, wo die sich verfolgenden Leute mal verschwinden, wieder auftauchen, verschwinden...Ein echter Spaß. Warum dann Vincent mit Geld und Bild im seltsamen Rettungsboot auf dem Wasser gleitet und die eigentlich inzwischen tote Martha pistolenzielend auf ihn zuschippert, das ist eine neue Geschichte für den nächsten Film. 

Foto:
©Verleih

Info:
BESETZUNG
Vincent Kowalski    Bernhard Schütz
Martha                   Sandra Hüller
Nils Forsberg          Jacob Matschenz
Mia                        Pheline Roggan
Levi Staude            Christopher Schärf
Helen Caracas        Victoria Trauttmansdorff
Bernhard Lossa       Wolfgang Packhäuser
Harald Sibelius        Tobias van Dieken
u.v.m.

STAB
Regie Peter Meister
Drehbuch  Peter Meister