Der Wilde Wald - Natur Natur sein lassen

Neu auf DVD, Blu-ray und im Stream seit dem 25. März 2022

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Nationalpark Bayerischer Wald ist zusammen mit dem tschechischen Nationalpark Šumava das größte zusammenhängende Naturschutzgebiet und die größte zusammenhängende Waldschutzfläche in Mitteleuropa. Er wurde im Oktober 1970 als erster Nationalpark Deutschlands gegründet. Das Gebiet umfasst Bergmischwälder aus Tannen, Buchen und Fichten, Bergfichtenwälder, Hochmoore und einige Urwaldreste.

Nachdem Stürme in den 1980er und 1990er Jahren große Teile der Fichtenbestände des Parks umgerissen hatten und zusätzlich eine riesige Borkenkäferplage aufgetreten war, wurde - auch gegen massive Proteste der Bevölkerung der umliegenden Gemeinden - beschlossen, nicht mehr in die natürliche Sukzession des Waldes einzugreifen. Dabei wurde auch das Todholz liegen gelassen und auch die Borkenkäferplage nicht bekämpft, so dass ein Teil der Hochlagenwälder im Zentrum des Parks großflächig abstarb. Die Idee war, einen Wald entstehen zu lassen, in dem die Pflanzen sich selbst wieder ansiedeln sollten. Dadurch ist ein Refugium für bedrohte Tier- und Pflanzenarten entstanden, das nebenbei auch noch als beliebtes Erholungsgebiet dient.

Inzwischen haben sich die Anwohner damit abgefunden, denn jetzt wird der Park jährlich von 1,5 Millionen Menschen besucht. Damit ist der Nationalpark ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der strukturarmen Region des Bayerischen Waldes.

Regisseurin der Dokumentation ist Lisa Eder, die bereits andere Naturfilme realisiert hat, so z.B. "Die Alpen von oben: Vom Engadin zum Zürichsee / Von Salzburg zum Königssee / Vom Königssee ins Isartal" (2011). Nach eigener Aussage liegen ihr Themen, die die Beziehung von Mensch und Natur dokumentieren, besonders am Herzen.

Dabei legt die Regisseurin, die auch selbst das Drehbuch verfasst hat und die auch als Produzentin tätig war, großen Wert nicht nur auf die besondere Tier- und Pflanzenwelt des Nationalparks Bayerischer Wald, sondern sie beschäftigt sich auch mit den spannungsreichen Beziehungen des Menschen zur Natur.

Dazu lässt Lisa Eder Fachleute Aussagen machen, wie Dr. Franz Leibl, der als Ornithologe. seit 2011 Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald ist, sowie von seinem Stellvertreter dem Forstwissenschaftler Prof. Dr. Jörg Müller, Professor für Tierökologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Beide betonen vor allem die Bedeutung, die der Wildwuchs des Parks für die Regeneration der Natur hat und auch dass dadurch auch der Wald sehr viel weniger anfällig auf Wind oder Insektenfraß reagiert.

Pavel Hubeny ist der Chef des tschechischen Nationalparks Šumava. Er zeigt vor allem auf, wie wichtig nicht nur die Zusammenarbeit der Parks, sondern auch die Möglichkeit der Wanderung der Tiere im gemeinsamen Gebiet ist.

Lisa Eder verfolgt den Hobbyfotographen Bastian Kalous, der beschlossen hat, den gesamten Nationalpark zu erwandern und dabei die Stille und Einsamkeit zu genießen.

Die Amerikanerin Prof. Diana L. Six ist Waldentomologin der Universität von Montana. Sie wurde 2018 mit dem renommierten Edward O. Wilson Biodiversity Technology Pioneer Preis ausgezeichnet. Da sie vor allem an der Ökologie von Borkenkäfern und der Anpassung der Wälder an den Klimawandel forscht, hat sie im Bayerischen Wald ein ideales Forschungsobjekt gefunden.

Peter Langhammer wiederum ist Förster im angrenzenden Waldgebiet. Er versucht Teile der Naturpark-Ideologie auch auf den von ihm betreuten Wirtschaftswald zu übertragen. So hat er z.B. nicht alles Todholz aus dem Wald entfernen lassen. Auch kämpft er dafür, dass besonders große und alte Bäume nicht gefällt werden, mit der Begründung, dass solche naturnahen Wälder weniger von Windbruch oder Borkenkäfern und anderen Schadinsekten betroffen sind wie Fichten Mono-Plantagen. Er betont aber auch, dass eigentlich mehr Bäume durch Abholzen sterben als durch den Befall von Schadinsekten, denn Borkenkäfer können z.B. sich nur dann massenhaft vermehren, wenn die Bäume bereits durch Trockenheit und Windbruch vorgeschädigt sind.

Doch neben den Interviews zeigt der hier besprochene Film neben wunderbaren Naturaufnahmen aus der Drohnensicht auch Makroaufnahmen von Schwarzstörchen, Eulen, Luchsen oder Wölfen; daneben wurden auch besonders Insekten gezeigt. Als Beispiel soll hier eine Suche nach Ambrosiakäfern dienen, die in Ernährungssymbiose mit Ambrosia-Pilzen leben. Die Käfer, die in die Verwandtschaft des Borkenkäfers gehören, legen Pilzgärten an. Die Larven ernähren sich von einem Pilzrasen, mit denen die Mutterkäfer die Wohnröhrenwand der im Holz lebender Art ausgekleidet haben. Da die Ambrosia-Käfer hauptsächlich tote Bäume besiedeln, haben sie nur geringe oder keine wirtschaftlichen Auswirkungen.

Daneben wurde aber auch viel Wert auf die Bedeutung gelegt, die z.B. eine Borkekäferplage für die Verjüngung des natürlich belassenen Waldes hat. Gerade dieser Bereich hat viel Raum im Film eingenommen.

Auch wurde immer wieder über die Ansiedlung von großen Säugetieren berichtet, denn die Auswilderung der Luchse gelang z.B. mit Tieren aus Tschechien, während die Wölfe selbständig aus Italien und Polen eingewandert sind. Im Nationalpark leben jetzt wieder alle größeren Säugetiere mit Ausnahme von Braunbären und Wisenten.

Insgesamt ist "Der Wilde Wald - Natur Natur sein lassen" (das übrigens das Motto des Nationalparks ist) ein interessanter Film mit tollen Naturaufnahmen, in dem vor allem das Für von naturnahem Wald angesprochen wurde. Dabei wurden auch die positiven Auswirkungen für die Pflanzen und Tiere und damit auch für den Menschen dargestellt. Allerdings hätte der Dokumentation an der einen oder anderen Stelle auch etwas mehr Begleittext nicht geschadet. Außerdem wurden die Ängste der Anwohner vom Rande des Nationalparks vor der Wiederansiedlung von Wölfen doch nur sehr kurz behandelt. Auch auf die Auswirkungen des Tourismus auf den Park (bei immerhin 1,5 Mill. Besuchern jährlich) wurde zu wenig eingegangen. Trotz dieser Kritik zeigt der Film eine spannende Mischung aus Natur-Impressionen und Informationen und ist deshalb unbedingt sehenswert.

Foto 1: Cover der DVD © mindjazz pictures
Foto 2: Luchse © mindjazz pictures
Foto 3: Hornisse und Admiral (Schmetterling) © mindjazz pictures

Info: "Der Wilde Wald - Natur Natur sein lassen" ist seit dem 25.03.2022 als DVD und Blu-ray im Handel verfügbar. Außerdem ist die Dokumentation auf allen gängigen Streaming-Plattformen erhältlich (iTunes, Amazon, Vimeo, Maxdome, Joyn, Google, Youtube, Vodafone).
DVD und Blu-ray enthalten jeweils eine Originalfassung (Interviews in Deutsch, Englisch, Tschechisch etc.), sowie eine Originalfassung mit englischen Untertiteln und eine Fassung mit deutschen Untertiteln für Hörgeschädigte. Das Tonformat ist in Dolby Digital 5.1. Das Bildformat ist auf der DVD ist 16x9 anamorph (2,39:1) und auf der Blu-ray in 1920x1080 (2,39:1). Auf DVD und Blu-ray befindet sich jeweils eine Hörfilmfassung für Blinde und Sehgeschädigte.

Extras auf der DVD sind:
Interview Diana Six in Englisch ohne Untertitel (4:09 Min.)
Drohnenflug - ohne Ton (0:38)
Originaltrailer - mit deutschen Untertiteln (2:13)

Der Wilde Wald - Natur Natur sein lassen (Deutschland 2021)
Genre: Dokumentation, Natur und Umwelt, Wildnis in Deutschland, Nationalpark Bayerischer Wald
Filmlänge: ca. 89 Min.
Regie und Drehbuch: Lisa Eder
Mitwirkende: Prof. Dr. Diana Six, Dr. Christina Pinsdorf, Dr. Franz Leibl, Prof. Dr. Jörg Müller, Peter Langhammer, Pavel Hubeny, Bastian Kalous u.a.
Verleih: mindjazz pictures
FSK: ab 0 Jahren
Erscheinungstermin: 25.03.2022