DVD-Start „Herr Bachmann und seine Klasse“Hanswerner Kruse
Stadtallendorf (Weltexpresso) - Sicherlich wurde der Film bisher im Weltexpresso ausreichend besprochen und gelobt, doch jetzt soll an den DVD-Start vor kurzer Zeit erinnert werden. Denn lange lief dieser fantastische Dokumentarfilm nicht in den Kinos.
Der Klassenraum der 6b in einer Schule in Stadtallendorf sieht aus wie das Gemeinschaftszimmer einer Wohngemeinschaft mit kleiner Teeküche. Es ist vollgestopft mit Musikinstrumenten, Büchern, Pflanzen und Malsachen. 19 Schülerinnen und Schülern aus diversen Ländern werden hier von ihrem Lehrer unterrichtet, der mit kariertem Hemd und bunter Mütze zwischen ihnen hockt. Es ist erstaunlich, wie diese, immerhin dreieinhalbstündige Dokumentation „Herr Bachmann und seine Schüler“, uns Zuschauer hineinzieht: So wie dieser Pädagoge seine Schüler fasziniert, bezaubert der Film auch uns.
Zu Beginn des Streifens ermuntert er seine Zwölf- bis Vierzehnjährigen die Geschichte weiter zu spinnen, in der ein Tisch eine Gitarre liebt: „Was könnte er tun, um seine Angebetete für sich zu gewinnen?“ Die Kinder überlegen: „Ihr einen Ständer schenken?“ Ständer? Verlegenes Lachen der Jungen. „Ich liebe Dich“ auf den Tisch schreiben?“, meint ein Mädchen. Da hakt der Pädagoge nach, „wie heißt das denn auf türkisch? Bulgarisch? Russisch?“ Schnell erfahren wir Zuschauer, aus wie vielen Nationen die Kids kommen und wie situativ ihr Lehrer den Unterricht gestaltet. „Was könnte die Geschichte für uns bedeuten?“, will er schließlich wissen.
Schnitt: „Was müssen wir (!) machen, damit Du auf die Realschule gehen kannst?“, fragt Herr Bachmann einen Schüler im Zweiergespräch. Schnitt: Mathestunde. Die Schüler berechnen mit der Wahrscheinlichkeitslehre und Tennisbällen „das Glück.“ Schnitt: Ein Mädchen deren Oma gestorben ist, wird von allen umarmt und getröstet. Schnitt: Gruppenarbeit. Einige backen Buchstabenkekse, mit denen sie später Wörter legen. Andere improvisieren mit Gitarren, dem Schlagzeug und weiteren Instrumenten. Schnitt: Auf einer Weihnachtsfeier, zu denen Geschwister mit Eltern gekommen sind, wird erzählt, musiziert und gesungen...
Wörter in verschiedenen Sprachen schwirren durch die Luft, von fremdartigen Bräuchen ist die Rede. Im Unterricht fragt der Lehrer die Kinder häufig nach ihrem Herkunftsland, der Arbeitsstelle der Eltern oder was sie gerne werden wollen. Doch es geht nicht immer nur konfliktfrei in der Klasse 6b zu. Als einige Schüler eine sechs im Vokabeltest schreiben, gibt es Konflikte. Manche, die viel gelernt hatten und länger in Deutschland leben, sind nicht bereit den „Sechsern“ für einen neuen Test zu helfen. „Die hätten ja auch vorher lernen können“, heißt es. Doch Herr Bachmann hilft zu verstehen, wie schwierig es ist in einem fremden Land zwei Sprachen gleichzeitig lernen zu müssen.
Die Entwicklung der jungen Menschen innerhalb eines Schuljahrs wird interessant erzählt. Der Film lebt zwar von seinen schnellen, abwechslungsreichen Schnitten, zeigt aber nicht nur die Highlights. Selbst wir Zuschauer müssen mal Schweigen oder stille Nachdenklichkeit aushalten. Immer wieder musizieren Kinder und Lehrer gemeinsam, das bringt viel Abwechslung und Spaß. Dennoch wird durch den einfühlsamen Pädagogen eine Menge Stoff gelernt. Er will sie wirklich verstehen, offenbart aber ebenfalls sich selbst, spricht von seiner ersten Liebe oder woher sein Name stammt. Herr Bachmann schafft es, jedem Kind zu vermitteln, dass es wertvoll ist, seine Fähigkeiten hat und jemand ist!
Der Film wurde auf der vorletzten Berlinale gefeiert, bekam einen Silbernen Bären und den Publikumspreis. Er brauchte - durch Corona bedingt - lange Zeit um in die Kinos zu kommen und erhielt noch den Deutschen Filmpreis. Er ist kein abgehobener, didaktisch überfrachteter Lehrfilm, aber auch keine komische Klamotte wie „Fack ju Göhte“.
„Herr Bachmann und seine Klasse“ (2021), 217 Minuten, Buch, Regie, Schnitt und Produktion Maria Speth, DVD & VoD bei Grandfilm
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© Hanswerner Kruse: Maria Speth erhält auf der Sommer-Berlinale 2021 den Publikumspreis
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