fucooSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. April 2022, Teil 11

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gleich zu Beginn bedauert man, will sagen: ich, daß ich den Vorgängerfilm des Opernregisseurs, Filmemachers und Icherzählers nicht kenne, von dem er eingangs erzählt und dessen wirklich sehr eindrückliche Schlußszene der Beginn des neuen Films ist – über zwanzig Jahre danach. Damals in OPERA FANATIC ging es auch um das Opernsingen, nämlich das Geheimnis des expressiven Singens, was zehn Sängerinnen hören ließen.

Für ihn war das Thema eigentlich abgeschlossen, so erzählt er weiter, und dann hörte er auf einer Autofahrt eine Arie, gesungen von der albanischen Sopranistin Ermonela Jaho und es war alles wieder da, diese Erschütterung der Seele, dieses Getroffensein, dieses Vereinen von Schmerz und Glück – und die Gewißheit, es doch noch einmal mit den Sängerinnen zu versuchen, diesmal allerdings in einer anderen Versuchsanordnung. Wie gesagt, den alten Film kenne ich nicht, den neuen kann man sich schon wegen der vielen Gesangszenen öfter anschauen, wenigstens dann, wenn man die Oper liebt und von den Erinnerungen an so viele unfaßbar tiefe Opernabende lebt.

Wer aus der Generation der Älteren ist nicht von der Stimme der Callas geprägt, deren messerscharfe Süße man liebte, wie ich, oder total ablehnte, die für mich immer die Sehnsucht nach Liebe, nach Erfüllung genauso ausdrückte wie den tiefen Seelenschmerz, wenn sie sich nicht erfüllt, der Geliebte sich abwandte, einer anderen zu, das mußte man gar nicht erzählt bekommen, das war alles in der Stimme zu hören, was zum Filmtitel FÜHRT: FUOCAO SACRO – SUCHE NACH DEM HEILIGEN FEUER DES GESANGS.

Ausgangspunkt war also Ermonela Jaho, die im Film auch den Part der klassischen Seelenschmerzsopranistin spielt, singt und dramatisch erfüllt. Klug hat Schmidt-Garre ein Trio female zusammengestellt, die ihre Stimmkraft aus anderen Quellen schöpfen, tatsächlich alle drei völlig unterschiedliche Sängerinnen, die eines eint: sie gehen bis zum Äußersten, um das Innerste hervorzuholen. Im Film erfahren wir nun durch die Aussagen der Sängerinnen und durch ihre Stimmen, ihren Gesang bei Proben und Aufführungen, was sie machen, damit in uns diese Wirkung des Erschauern eintritt. Dabei geht es nicht oberflächlich zu. Erstaunlich wie dicht die drei Sängerinnen die Kamera an ihre Probenarbeit herankommen lassen und zu welchen intimen Szenen sie bereit sind.

Die kanadische Sopranistin Barbara Hannigan ist dabei die modernste in dem Sinn, daß sie sich auch auf zeitgenössische Musik einläßt, die viel mit Körperkunst zu tun hat und mit intellektueller Durchdringung der Rolle, in dem die Stimme aus der Mischung von Wollen und Können kommt. Es ist faszinierend, ihr beim Einstudieren zuzuschauen und zuzuhören und sprachlos ihrer Sprachfähigkeit zu folgen, wie sie dann auch noch über ihre eigene Arbeit an Stimme und Rolle sprechen kann.

Als die klassischste Sopranistin zeigt sich die litauische Sängerin Asmik Grigorian, die mit ihrer spektakulären Darstellung der Salome in Salzburg groß herauskam und wo sich Schmidt-Garre eine spannende Eigenanalyse ausgedacht hat: wir sehen der Sängerin zu, wie sie der von ihr gesungenen wirklich hochdramatische Abschlußszene der Salome mit geschlossenen Augen auf Kopfhörern nachhört und dabei unwillkürlich und willkürlich ihre Mimik und gemurmelte Kommentare und Anweisungen an sich selbst von sich gibt, was wir als Zuschauer belauschen.

Am ehesten entspricht Ermonela Jaho der Schmerzensmadonna des Gesangs, der seine Energie eben aus der Emotion der gequälten Seele speist, die je mehr geschunden, desto klarer zum Himmel steigt. Es ist beeindruckend im Film mitzuerleben, wie körperlich so eine Seelenarbeit abläuft, wo die Stimme den Ausdruck tief von innen her erhält.

Es werden die drei Sopranistinnen nicht hintereinander ‚abgewickelt‘, sondern wie von alleine gelingt eine filmische Komposition, wo jeweils eine Gesangspartie, eine Szene gezeigt wird, dann die dazugehörenden Proben uns Aufschluß über das eine oder andere geben und dann noch Fragen oder Selbsterklärungen der Sängerinnen folgen. Das hat nichts Mechanisches an sich, sondern führt einen konsequent durch den Film, den man mit ungeheuerer Lust auf die nächste richtige Opernaufführung verläßt. Zur Not tut es auch eine gute Schallplattenaufnahme, na gut, auch eine Opern-CD.

Für die sicher und hoffentlich kommende DVD melde ich mich jetzt schon an!

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Info:
Regie: Jan Schmidt-Garre Fuoco sacro – Suche nach dem heiligen Feuer des Gesangs ist eine Koproduktion der PARS Media mit dem Bayerischen Rundfunk. In Zusammenarbeit mit Arte, NRK, SVT und Naxos Audiovisual. Verleih: PARS Media Vertrieb: barnsteiner – film Drehorte: Deutschland, Österreich, Frankreich, Großbritannien, Schweden
Kinostart: 21. April 2022 Laufzeit: 93 Minuten Sprachfassung: OmU