Amelie rennt

Der Jugend- und Familienfilm der Berlinale 2017 auf DVD, Teil 4/4

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) – Dem Ernst der Situation angemessen und gleichzeitig herrlich frei und lustig, werden wir im Film Zeugen, wie aus der verbiesterten, weil gegen ihren Willen dramatisch asthmakranken Amelie ((Mia Kasalo), eine positiv gestimmte ,mit ihrer Krankheit souverän umgehende Dreizehnjährige wird.

Im Vordergrund steht die Handlung um Amelie, aber zwischendurch erhält man Informationen, die einen deshalb schocken, weil man sie nicht kannte: Jeder Zehnte ist asthmakrank! Zudem werden auch angelehnt an Amelies Befinden die Auswirkungen von Asthma auf den Alltag einer Pubertierenden geschildert. Das hat niemals etwas Belehrendes, sondern ist immer Ausfluß der Handlung, in der Amelie fast gegen ihren Willen akzeptieren lernt, daß sie krank ist und besser fährt, wenn sie ihr Asthma annimmt und lernt, damit umzugehen.

Doch das sind die Worte und Erklärungen einer Erwachsenen. Für Jugendliche, die hoffentlich diesen Film sehen, steht Amelie aus Berlin völlig im Mittelpunkt. Die ist nämlich – typisch, wenn man eigentlich Probleme hat – wild entschlossen, zu tun und zu lassen, was sie will. Ihr Asthma negiert sie, sie ist eine Kratzbürste wie sie im Buche steht, was vor allem ihren Eltern viel abverlangt, was Mutter (Susanne Bormann) und Vater (Denis Moschitto) immer wieder zur Verzweiflung treibt. Und als die Tochter wieder einmal einen derartigen lebensbedrohlichen Anfall mit Mühe überlebt, sprechen die Eltern ein Machtwort und verfrachten das widerständige Mädchen in eine Spezialklinik nach Südtirol. Nicht mit Amelie!

Denn statt sich helfen zu lassen, was die Lungenärztin Dr. Murtsakis (Jasmin Tabatabai) vorhat, reißt Amelie aus. Gottseidank hat sie ihr Asthmaspray dabei, sonst wäre sie schnell gestorben. Sie rennt nämlich – ja, sie rennt immer wieder, aber am schnellsten am Schluß in die Arme ihrer Eltern – ausgerechnet in den Südtiroler Bergen bergauf. Übrigens wunderbare Aufnahmen der Südtiroler Bergwelt! Man möchte sofort ohne Asthma dort weilen! Bei einem Bauernhof sieht sie einen Jungen, der im Kuhstall wie verrückt nach der Kopfhörermusik tanzt, ansonsten aber die Kühe versorgt. Eine Welt, die Amelie völlig fremd ist. Als er, er heißt Bart (Samuel Girardi), sie entdeckt, hat sie wieder die große Klappe und macht sich auf den Weg, dem er folgt.

Noch hat sie ihren Rucksack, aber nicht mehr lange! In dramatischen Szenen muß sie lernen, daß ein Großstadtleben nicht auf die Natur in Südtirol vorbereitet, als aus einem Fluß ein reißender Strom wird, in dem sie herumgewirbelt wird und als erstes ihr Rucksack weggeschwemmt wird. Sie kann sich notdürftig an einem Ast festhalten, was aber nur deshalb gut ausgeht, weil ihr Bart gefolgt war und sie aus dem Wasser zieht. Aber jetzt weiß sie, daß sie sich auf ihn verlassen kann. Beide wollen den Gipfel des Berges ersteigen, eine Wahnsinnstat für eine so schwer Asthmakranke.Aber längst ist etwas Entscheidendes passiert, was sich im Gesicht von Amelie widerspiegelt. Sie hat Lebensfreude gewonnen, eine positive Sicht und das Zusammensein mit Bart tut ihr einfach gut.

Und er, der Naturbursche, erfährt, was Asthma ist und wie man trotz dieser Belastung den Berg ersteigt.Oben auf dem Gipfel kann es Amelie kaum glauben. Der Zuschauer aber weiß, daß, wer hochsteigt, auch runtermuß.

Dazwischen sehen wir immer wieder Szenen der verzweifelten Eltern, auch die der Ärztin, die weiß, daß Amelie ohne Hilfe kaum überleben kann. Sie schicken die Bergwacht los, die Hubschrauber kreisen über der Landschaft und dann entdecken sie dort oben die beiden.

Gerettet sind sie, aber das Eigentliche ist die veränderte Amelie, die ihr Schicksal an- und in die eigenen Hände nimmt.

Das ist eine nie wehleidige, eigentlich sehr ernsthafte, aber doch spielerisch mutige und witzige Geschichte von einem Mädchen, das aus einer dummen arroganten Großstadtpute zu einem frohen Menschen wird.