Im Rahmen der Filmnacht im ZDF am Samstag, 4. Juni 2022
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Die Amerikanerin Tami Oldham (Shailene Woodley) ist 23 Jahre alt und bummelt seit ihrem Highschool-Abschluss rund um die Welt. Jetzt - 1983 - mustert sie in Tahiti als Köchin von einem Schiff ab und jobbed in der dortigen Marina.
Sie lernt den 10 Jahre älteren englischen Segler Richard Sharp (Sam Claflin) kennen, der bisher mit seiner selbstgebauten 36-Fuß Yacht Mayaluga allein um die Welt gesegelt ist. Die beiden verlieben sich und beschließen gemeinsam nach Japan zu segeln.
Da erhält Richard von einem ihm bekannten reichen älteren Ehepaar das Angebot deren 44-Fuß Luxusyacht Hazana von Tahiti nach San Diego zu überführen - gegen sehr gute Bezahlung und Rückflugtickets für beide. Richard und Tami nehmen das Angebot gerne an. Doch dann geraten sie mit der Hazana mitten im Pazifik, 2000 Seemeilen vom nächsten Festland entfernt, in einen Hurrikan der Kategorie 4 namens Raymond, den sie mit ihrem Boot nicht umfahren können.
In dem starken Sturm schickt Richard Tami unter Deck, während er am Steuer bleibt. Dort wird sie herumgeschleudert, schlägt sich den Kopf an und fällt in Ohnmacht. Als sie 27 Stunden später wieder erwacht, ist ihre Yacht nur noch ein Wrack und Richard verschwunden. Sie stellt auch fest, dass weder der Motor noch die Navigations- und Kommunikationsgeräte funktionieren. Sie kann sich nur noch mit einem Sextanten, ihrer Armbanduhr und den Seekarten orientieren. Etwas später findet sie Richard schwer verletzt am im Wasser schwimmenden Rettungsboot hängend.
Tami muss versuchen, das Boot nicht nach San Diego, sondern mit Hilfe der Strömung nach Hawaii zu manövrieren. Für sie beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn sowohl die Nahrungsmittel als auch das Trinkwasser an Bord sind knapp...
Regisseur von "Die Farbe des Horizonts", der im Englischen übrigens viel korrekter "Adrift" (Treiben) heißt, ist der isländische Extremfilmer Baltasar Kormákur, der unter anderem auch bei dem Bergsteigerdrama "Everest" (2015) Regie geführt hat und dessen neuer Film "Beast" noch in diesem Jahr in die Kinos kommen soll.
Der Film basiert auf dem autobiografischen Erfahrungsbericht Red Sky In Mourning: A True Story Of Love, Loss And Survival At Sea, den Tami Oldham Ashcraft gemeinsam mit der Profiautorin Susea McGearhart verfasst und 2002 im Selbstverlag veröffentlicht hat.
Tami Oldham brach zusammen mit Richard Sharp im September 1983 von Tahiti auf, um die Yacht Hazana nach San Diego zu überführen. Nach drei Wochen auf See gerieten sie in einen extrem starken Hurrikan. Am 12. Oktober verlor Tami, die von Richard unter Deck geschickt wurde, dort das Bewusstsein. Nach dem Erwachen fand sie nur noch Richards Sicherheitsleine.
Das Boot war ohne Mast und halb voll Wasser, weder Motor noch Funkgerät waren funktionsfähig, sie hatte kaum noch Trinkwasser und nur noch wenige Lebensmittel. Tami war durch eine Kopfverletzung geschwächt und ihre genaue Position nach dem Sturm unklar. Sie benötigte 41 Tage, um mithilfe eines Sextanten, ihrer Armbanduhr, Seekarten und eines kleinen Vorsegels die hawaiische Insel Hilo zu erreichen.
Nach "All Is Lost" (2013) mit Robert Redford und "Vor uns das Meer" (2017) mit Colin Firth in den Hauptrollen ist dies der dritte Film, in dem gekenterte Segler mit den Gewalten des Meeres kämpfen müssen. Im Gegensatz zu den beiden anderen Filmen wird dem neuen Drama aus Seglerkreisen große Genauigkeit zuerkannt.
Die Dreharbeiten fanden nicht auf Tahiti sondern den Fidschi-Inseln statt. Dabei wurde bis zu 14 Stunden am Tag auf hoher See und nicht - wie in derartigen Filmen normalerweise üblich - in einem Wassertank gedreht. Dadurch sind sehr intensive Bilder auf und unter Wasser entstanden, für die der Kameramann Robert Richardson verantwortlich zeichnet, der 2012 für "Hugo Cabret" mit einem Oscar als bester Kameramann ausgezeichnet wurde. Diese tollen Bilder machen den Film visuell zu einem außergewöhnlichen Erlebnis.
Für die Filmmusik war der deutsche Komponist Volker Bertelmann alias Hauschka zuständig, der 2017 für "Lion: Der lange Weg nach Hause" einen Oscar erhielt.
Baltasar Kormákur hat die Story nicht linear erzählt, sondern der Film beginnt, wenn Tami nach dem Hurrikan unter Deck aus ihrer Ohnmacht aufwacht. Das Drama springt immer wieder zwischen Tamis Überlebensbemühungen auf der havarierten Yacht und den romantischen Rückblenden hin und her. Das führt dazu, dass der Zuschauer von Anfang an am Überlebenskampf auf der Yacht teilnehmen kann und nicht durch die Vorgeschichte, wie Tami und Richard sich kennen und lieben lernen, gelangweilt wird. Diese Vorgehensweise macht den Film über die ausweglos erscheinende Situation auf dem Meer ungemein spannend.
Der Hauptdarstellerin Shailene Woodley, die auch als Produzentin fungiert, gelingt es, die mentale Stärke und den nicht zu brechenden Überlebenswillen von Tami Oldham überzeugend darzustellen. Sie wird im Film zu jeder Zeit als eine autonome, selbstbewusste und entschlossen handelnde junge Frau dargestellt.
Sam Claflins Rolle ist die eines Zuarbeiters. Er gibt Tami das Selbstvertrauen, berät und bestärkt sie, da sich Richard Sharp durch seine Verletzungen selbst nicht bewegen kann, sondern während der ganzen Zeit nur unter einem Sonnensegel auf Deck liegt.
Insgesamt ist der Film, eine gelungene Mischung aus Überlebens- und Liebesfilm. "Die Farbe des Horizonts" ist nicht nur ein spannender Seglerfilm, in dem die handelnde Person endlich einmal eine Frau ist, sondern er hat sich auch bemüht, die Situation mit der havarierten Yacht so realistisch wie möglich darzustellen. Dabei verzichtet der Regisseur weitestgehend auf übermäßig kitschige Szenen. Der spannende Survival-Film ist deshalb nicht nur für Segel-Enthusiasten zur späten Stunde am Pfingstsamstag unbedingt sehenswert.
Foto 1: Auf Tahiti verliebt sich die Amerikanerin Tami Oldham (Shailene Woodley) in den britischen Segler Richard Sharp (Sam Claflin). © ZDF / Kirsty Griffin
Foto 2: Richard (Sam Claflin) steht stolz auf der Yacht. © ZDF / Matt Klitscher
Foto 3: Tami (Shailene Woodley) freut sich auf die Aufgabe, die vor ihr liegt - und die langen, einsamen Stunden mit Richard auf dem Pazifik. © ZDF / Matt Klitscher
Info:
Die Farbe des Horizonts (Großbritannien, USA, China 2018)
Originaltitel: Adrift
Genre: Drama, Abenteuer, Segeln, Romanze
Filmlänge: ca. 95 Minuten
Regie: Baltasar Kormákur
Drehbuch: David Branson Smith, Aaron Kandell, Jordan Kandell - basierend auf dem Buch von Tami Oldham Ashcraft und Susea McGearhart
Darsteller: Shailene Woodley, Sam Claflin, Grace Palmer, Jeffrey Thomas, Elizabeth Hawthrone u.a.
FSK: ab 12 Jahren
Der Film läuft am Samstag 04.06.2022 um 23:30 Uhr im Rahmen der Filmnacht im ZDF.