Die Wettbewerbsfilme der 64. Berlinale vom 6. bis 16. Februar 2014, Film 6

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Es sprechen alle – mit Recht – vom Genter Altar des Jan van Eyck und von der Brügger Madonna des Michelangelo, die durch das Wirken der erstmals in der Kriegsgeschichte durch die USA initiierten Kunstschützer, genannt MONUMENTS MEN gerettet wurden. Erstere aufgefunden in der Saline von Altaussee. Dort lagerten aber sogar 6577 Gemälde, 230 Zeichnungen und Aquarelle, 945 Grafiken und 137 Skulpturen.

 



Atmosphärisch dicht, mit dem üblichen amerikanischen Heldenpathos – ja, doch, von Indianer Jones hat es auch etwas - , das so sympathisch daherkommt, weil die Helden, von George Clooney angefangen und bei Bill Murray hört es noch lange nicht auf, weil die Helden also alle einen kleinen Schlag weg haben, seien es der Alkohol, die Frauen, die berufliche Situation oder insgesamt das Leben, weil sie aber auf eins nichts kommen lassen: daß Kunst das Leben verschönt und unsere kulturelle Vergangenheit anhand der Kunstschätze zu bewahren, zu retten ist. Das alles verpacken diese Helden in kleine Scharmützel untereinander, die von liebenswürdiger Art sind und Humor und gute Laune genauso einschließen wie Dramatik, Angst und tiefe Gefühle. Dabei geht es vordergründig um die Untaten der deutschen Reichsführung, vor allem um Hitler, aber zugespitzt auch um solche Befehle der amerikanischen Streitkräfte, daß ein Menschenleben zu retten beispielsweise wichtiger ist als einen Kirchturm zu erhalten, und sei es auch ein gotischer aus dem 12. Jahrhundert.



Das sagen wir nur prophylaktisch, denn vor Philosophie und Ethik 'verschont' uns der Film MONUMENTS MEN und er hat auch genug damit zu tun, die sich überstürzenden Ereignisse der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944, dem D-Day, und um die Errichtung dieser Sondertruppe dramaturgisch zu gestalten, denn diese Gruppe von Soldaten sollte ursprünglich dafür Sorgen, daß beim kriegerischen Vormarsch die Schäden an Kulturgütern, insbesondere die Beschädigungen von Gebäuden wie Kirchen, Museen etc. möglichst gering gehalten wurden. Schnell wurde diese Aufgabe durch eine weitere überlagert.



Zum einen hatten die Deutschen in den von ihr besetzten Gebieten, Kunstschätze beschlagnahmt - man sollte besser, wie es der Film auch tut, geraubt sagen – und in Depots gelagert, um sie nach Deutschland zu transportieren, zum anderen hatte Hitler gegen Ende des Krieges davon gesprochen, daß Kunst nicht in Feindeshand fallen solle und zu vernichten sei. Für die MONUMENTS MEN, die nun offiziellen Kunstschützer kam das auf dasselbe hinaus: ihre Aufgabe war es, nach den gefährdeten Gemälden und Skulpturen zu fahnden und sie in Sicherheit zu bringen. Im Film ist es Kunstexperte Frank Stokes (George Clooney), der diese Truppe von Kunstkennern, Museumsdirektoren, Kuratoren, Historiker, Architekten und Künstler zusammenstellt und ihre Anführer bleibt.



Es war George Clooney, dem das Buch von Robert M. Edsel MONUMENT MEN. DIE JAGD NACH HITLERS RAUBKUNST empfohlen worden war und der es als Regisseur, Mitdrehbuchschreiber, Mitproduzent und Hauptdarsteller in einem auf die Leinwand brachte. Zu unserem Nutzen in vielfacher Hinsicht. Der Film kommt zur rechten Zeit. Er gibt der sogenannten Gurlitt-Debatte, in der es um Raubkunst geht, den historischen Hintergrund. Immer noch gibt es die Ansicht, daß der Besitz und damit der Besitzer 'heilig' sei und es wurde und wird zu wenig danach gefragt, auf welche Weise der Besitz 'erworben' wurde. Das aber ist ausschlaggebend für rechtsstaatliche Übereignungen. Das bleibt deutsches Thema.



Was den Film sowieso sehenswert macht, ist die Tatsache, daß die eigentlichen Helden die Kunst ist. Wann sieht man schon einmal die Madonna des Genter Altars in ihrer Feinheit und Schönheit auf einer Riesenleinwand eines Spielfilms. Und das nicht nur einmal, sondern wie die übrigen Teile des 12teiligen Altars mehrfach. Bei ihrem Abtransport aus Gent durch die Deutschen – dies geschichtsklittert der Film, den der Altar war zuvor ins südfranzösische Schloß Pau vor den Deutschen in Sicherheit gebracht worden, die ihn entdeckten, erst einmal ins Schloß Neuschwanstein brachten und dann ins Salzbergwerg - und ihrem Auffinden in den Salzstollen bei Altaussee, einem der schönsten Orte, die man sich überhaupt vorstellen kann.



Damit sind Anfang und Ende des Films umrissen, der insofern reißerisch ist, als er die beiden Aktionen zu zeitlichem Wettlauf umfunktioniert, was auf der Leinwand einfach spannender ist: beim Abtransport wird ein Krimi daraus macht, wer den Altar zuerst erreicht. Denn als die Alliierten und damit die Kunstschützer kommen, haben die Deutschen den Altar schon gestohlen und abtransportiert. Und als am Ende dann in Altaussee diese Kunstschützer gar das allergrößte Raubkunstlager auffinden, da wird ein zeitlicher Druck konstruiert, indem man den nahenden Russen zuvorkommen muß, was gelingt.



Tatsächlich aber sah die Aktualisierung des Jalta-Abkommens, auf das sich die Russen bei der Aufteilung deutscher Länder auf die Sieger berufen, vor, daß dies erst nur für Deutschland gelte und Österreich erst später drankomme. Aber solche geschichtlichen Wahrheiten sind tatsächlich unwichtig angesichts der Aussage, die der Film leisten will, daß infolge der MONUMENTS MEN erstmals in der Geschichte der modernen Kriegsführung, Sieger aufgefundene Kunstschätze nicht selber behielten, sondern sie an den Ort zurückbrachten, wo sie geraubt worden waren. Und deshalb hat die falsche Geschichtlichkeit in Altaussee dennoch einen wahren Hintergrund, weil die Russen zwar nicht dort, aber in Deutschland Millionen von deutschen Kulturgütern in die UdSSR brachten, wo sich ein sehr großer Teil immer noch befindet.



Das allerdings ist eine neue Debatte, die, was Rußland angeht, einfach einen anderen historischen Hintergrund – Überfall, Kriegsverluste – hat als die USA. Solche schwierigen Fragen hätten im Film auch nichts zu suchen, der andererseits kein Blatt vor den Mund nimmt, auch die Ignoranz und Arroganz in den eigenen Reihen des amerikanischen und britischen Militärs anzuprangern. Daß die Deutschen dabei schlecht wegkommen, ist historisch richtig, wenn es sich um solche Arschlöcher handelt, wie dem NS-Beauftragten in Paris, wobei wir nicht sicher sind, ob es sich um die historische Figur des Hermann Bunjes oder eines anderen handelt, der hier aber sowieso fälschlich Victor Stahl heißt und von Justus von Dohnányi verkörpert wird.



Überhaupt können wir uns mit der Namensgebung nicht anfreunden. Denn im Film heißen sie anders als im Leben und im Buch. Die Helden sind George Stout, der hier als George Clooney Frank Stokes heißt; sein wichtigster Mitarbeiter war James Rorimer, der als Matt Damon im Film James Granger genannt wird. Wer Walter Hancock, in Wahrheit ein berühmter Bildhauer der USA darstellt, wissen wir nicht, denn mit den weiteren Schauspielern sind Namen verbunden, die wir historisch nicht kennen. Sie alle aber spielen in diesem Film eine charakteristische und einfallsreiche Rolle, die im Leben den anderen zukam: Bill Murray als Rich Campell, John Goodman als Walter Garfield, Jean Dujardin als Jean-Claude Clermont, Bob Balaban als Preston Savitz, Hugh Bonneville als Major Donald Jeffries.



Nicht zu vergessen die MONUMENTS Frauen, hier Cate Blanchett als Rose Valland, die im Film Claire Simone heißt, aber in Frankreich eine so bekannte und geehrte Person wurde, das man ihr wunderbares Vorbild sofort wiedererkennt. Zumal sie in diesem Männerfilm in einer kleinen Szene zeigt, wie sie mit den Waffen einer Frau zuschlägt: als ihr Peiniger, der deutsche Besatzer, ihr befiehlt, für den kaltgestellten Sekt ein Sektglas zu holen, spukt sie vorher hinein. Schnitt. Als nächstes sehen wir Justus von Dohnányi daraus trinken. Mag ja sein, daß das ein bißchen einfältig ist, darüber laut zu lachen. Aber diese Ebene der Rache muß es angesichts so edler Taten und edler Männer auch geben.



Verweis auf das Buch: Robert M.Edsel, Bret Witter, Monuments Men. Die Jagd nach Hitlers Raubkunst, Residenz Verlag 2013

Verweis auf weitere Artikel zum Thema KUNST





Aus der Pressekonferenz:

 

Anwesend:

 

George Clooney

Justus von Dohnányi

Dimitri Leonidas

Hugh Bonneville

Bob Balaban

Bill Murray

George Clooney, Regisseur, Drehbuchautor und

Matt Damon

John Goodman

Jean Dujardin

Grant Heslov, Drehbuchautor, Produzent

 

Rose Valland als Vorbild, die den Katalog gemacht hat mit der Aufzählung aller Kunstwerke im Jeau de Pompe - eher Hintergrundthema macht jetzt Schlagzeilen.

Die Story wird immer Thema bleiben, weil immer wieder etwas gefunden wird. Wie der Film aufgenommen wird. Uraufführung zur Berlinale, das musikalische Zitat aus Peter und der Wolf Prokoview pfeift erst Clooney, dann pfeifen sich einen Murray, Clooney, Damon...

 

Höchste Zeit, sich für die Rettung der Kunstwerke bei den Amis zu bedanken. Es war nicht schwierig, Geldgeber zu finden, sagte Clooney, gute Storys aus dem 2. Weltkrieg laufen in Hollywood immer !!! Sie lebten in der Gegend um Görlitz bei den Drehaufnahmen. Sie sind zur Walpurgisnacht den Berg hochgestiegen und haben eine Lektion von den Hexen bekommen. Vor drei Jahren hat Cloony das Buch bekommen. Bekommen und gelesen.

Matt Damon wird nach seiner Haltung zu Hollywood gefragt, ob er immer noch denkt und sagt, daß Hollywood nur Geld bedeutet. Ja, Hollywood wird von Geld angetrieben, wie jedes andere Geschäft.

 

Warum der aufgefundene Münchner Riesenkunstschatz nicht besser als Marketing genutzt wurde. Fast alle Fragen richten sich an Clooney. Antwortet: Ja, irre, nach so vielen Jahren fliegt das auf. Ukraine ist ihm Thema seit er in einem der Oceanfilme mit den Klitschko-Brüdern gedreht hat, versteht sich gut mit ihnen, kennt aber auch Timotschenko, die immer noch im Gefängnis sitzt, wogegen er protestiert....

 

Clooney soll dafür sorgen, daß die Ägypter ihre Kunstschätze aus England zurückbekommen. „Ich finde, Großbritannien sollte das tun“ endet eine lustige, gut aufgelegte Pressekonferenz.

 



INFO:



USA / Großbritannien / Deutschland 2013, 120 Min

Englisch

Altersfreigabe FSK 12

REGIE

George Clooney

DARSTELLER

George Clooney
Matt Damon
Bill Murray
John Goodman
Jean Dujardin