al kamaerastartet im Juli in die aktive Phase im Deutschen Filmmuseum Frankfurt DFF

Helga Faber

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Der Film, den ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde, ist CROSSING THE BRIDGE von Fatih Akin. Der Film ist wie ein „Reframing“ der türkischen Kultur. Ich bin hier aufgewachsen mit meinen Eltern, die ein bestimmtes Bild von der Türkei und von Deutschland vermitteln wollten. [...] Und dann sehe ich so einen Film und denke: „Wow! Das sind Intellektuelle, das sind Künstlerinnen und Künstler [...]
Dieser Film verkörpert für mich das, wie ich die Türkei sehe. Istanbul ist der Wahnsinn.“ Nevin Bal Vagelakos

Kino ist ein Gemeinschaftserlebnis, und doch passiert in jede:r einzelnen Kinobesucher:in etwas anderes, wenn der Kinosaal dunkel wird und das Licht auf der Leinwand seine Magie entfaltet. Das macht auch das Zitat von Nevin Bal Vagelakos deutlich, Teilnehmerin des 2021 abgeschlossenen Projekts „Unser DFF“: In ihr löste Fatih Akins Dokumentarfilm CROSSING THE BRIDGE – THE SOUND OF ISTANBUL (DE 2005) offensichtlich einen emotionalen Sturm aus, der viel mit dem von ihren Eltern vermittelten Türkeibild zu tun haben mag, andere Kinobesucher:innen nehmen den Film vielleicht eher als interessanten Einblick in die Musikwelt und Subkultur Istanbuls wahr, bleiben emotional aber relativ unberührt.

Ob das so ist, lässt sich herausfinden, wenn Nevin Bal Vagelakos am Freitag, 1. Juli, um 18 Uhr den Film im Kino des DFF vorstellt. Die Vorführung ist Auftakt des Projekts „WIR im Museum – Film in der Stadt!“, das mit sieben Veranstaltungen bis Ende November 2022 im DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum den Austausch über Kino und Film und die kulturelle Teilhabe fördern will. „WIR“ ist Teil des Landesprogramms „WIR – Vielfalt und Teilhabe“ des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration.

Kerngedanke des Projekts ist, dass alle Frankfurter:innen, jenseits sozialer und biographischer Hintergründe, die Stadtgesellschaft und die kulturellen Angebote Frankfurts aktiv mitgestalten (können) sollten. Es geht darum, ein neues „Wir“ zu denken und zu leben und Diskussionsräume zu schaffen. Ausschlaggebend für die Projektidee war die Erfahrung, dass viele Museums- und Kinobesucher:innen aus den immergleichen Teilen der Stadtgesellschaft kommen, während andere Gruppen gar nicht erreicht werden, ja viele nicht einmal das Stadtzentrum aufsuchen.

Ziel war es daher, auf diese Gruppen, vor allem auf Frauen und Familien, zuzugehen, und sie einzuladen, sich im DFF aktiv zu engagieren, und so den Raum DFF als Begegnungsort für die ganze Stadtgesellschaft weiterzuentwickeln.

Frankfurter:innen aus verschiedenen Migrant:innenselbstorganisationen sind bei „WIR“ eingeladen, filmkulturelle Veranstaltungsformate sowohl im DFF als auch in den Stadtteilen zu bespielen und so Gelegenheiten für den gemeinsamen Austausch unterschiedlicher Erfahrungen, Perspektiven und Werte zu schaffen.

Kinovorführungen

Aus ihren ganz persönlichen Perspektiven stellen fünf Filmpat:innen mit internationaler Geschichte in der ersten Veranstaltungseinheit mit fünf Kinovorführungen je einen Film vor, den sie als bewahrenswert ansehen und gerne einem Publikum auf großer Leinwand präsentieren möchten. Sie werden so zu Kurator:innen, die gemeinsam mit dem Projektteam eine:n passende:n Moderator:in für das anschließende Filmgespräch auswählen und dann im Tandem die Filmvorführungen begleiten. Das DFF kooperiert dabei mit Gruppen wie etwa „MiA – Migrantinnen fit für den Arbeitsmarkt“, „Über den Tellerrand Frankfurt“ oder dem Familienbildungszentrum „Al Karama“.

Den Auftakt macht am Freitag, 1. Juli, um 18 Uhr im Kino des DFF die Vorführung von CROSSING THE BRIDGE – THE SOUND OF ISTANBUL (DE 2005), Fatih Akins musikalische Reise nach Istanbul, den Filmpatin Nevin Bal Vagelakos zusammen mit dem Filmvermittler Julian Namé präsentiert. Mit einem kleinen Drehteam begibt sich der Komponist und Musiker Alexander Hacke auf eine musikalische Erkundung der Metropole Istanbul.

Am Freitag, 8. Juli, um 18 Uhr zeigen Laura Palys und Brygida Goryluk Pawel Pawlikowskis ZIMNA WOJNA (Cold War – Der Breitengrad der Liebe, 2018). In dem vielfach ausgezeichneten Drama lernt der Komponist Wiktor im stalinistischen Nachkriegspolen die junge, unkonventionelle Sängerin Zula kennen. Zwischen den beiden entspinnt sich eine ebenso leidenschaftliche wie tragische Liebesgeschichte, die über 15 Jahre an unterschiedlichen europäischen Schauplätzen in klassischen Schwarz-Weiß-Bildern erzählt wird.


Rundgang „Hinter die Kulissen“

Neben den öffentlichen Kinovorführungen gibt es als weiteres Format für ausgewählte Teilnehmer:innen den Rundgang  „Hinter die Kulissen“, der ins Frankfurter Bahnhofsviertel und ins DFF führt. Er findet im Laufe der kommenden Monate zweimal statt und wird gemeinsam von einer ehemaligen Teilnehmerin der Gruppe MIA, die als Stadtführerin arbeitet, und einem/einer Filmvermittler:in aus dem DFF konzipiert. Grundgedanke ist hier, die unterschiedlichen Räume der Stadt (das Frankfurter Bahnhofsviertel, das DFF), und damit auch unterschiedliche Perspektiven als „Kulissen, die die Stadt bewegen“ miteinander zu verknüpfen und so neu aufzuladen.

Ein wichtiges Ziel des Projekts ist dabei, eine Pendelbewegung zwischen den an den Stadträndern gelegenen Vierteln vieler Communities und dem in der Stadtmitte gelegenen DFF anzustoßen.

Die im „Wir“-Projekt erprobten Formate sollen langfristig ins DFF-Vermittlungsprogramm aufgenommen werden.

Foto:
Mitglieder der Gruppe "Al Karama" bei einem Besuch im DFF im November 2020
©dff.de

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