Begabt - Die Gleichung eines Lebens

TV-Tipp für Sonntag, 3. Juli 2022 bei SAT.1

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Frank Adler (Chris Evans) lebt zusammen mit seiner siebenjährigen Nichte Mary (Mckenna Grace) und ihrem einäugigen Kater Felix in einem Städtchen an der Küste Floridas. Früher war er Philosophieprofessor in Boston, heute repariert er Boote.

Jetzt meint er, dass Mary eine Schule besuchen und nicht mehr zu Hause unterrichtet werden soll. Frank weiß, dass Mary - ebenso wie ihre verstorbene Mutter - ein mathematisches Genie ist. Da sich seine Schwester umgebracht hat als die Kleine sechs Monate alt war, will Frank dem Mädchen eine normale Kindheit ermöglichen.

Natürlich fällt Marys Lehrerin Bonnie Stevenson (Jenny Slate) recht schnell auf, dass das Kind ein außergewöhnliches Zahlenverständnis hat. Da Mary aber auch zu Wutausbrüchen neigt, erfährt auch die Schulleiterin von Marys Begabung und schlägt Frank vor, Mary auf eine Schule für Hochbegabte - mit vollem Stipendium - zu schicken. Frank lehnt dies ab.

Kurze Zeit später steht allerdings Franks ehrgeizige Mutter Evelyn (Lindsay Duncan) aus Boston vor der Tür und verlangt, dass Marys Fähigkeiten ebenso wie bei ihrer Mutter ausreichend gefördert werden. Sie will deshalb vor Gericht das alleinige Sorgerecht für das Mädchen erhalten. Während des Gerichtsprozesses bekommt Frank Unterstützung von seiner Nachbarin Roberta (Octavia Spencer), die immer wieder die Babysitterin für Mary gespielt hat. Nebenbei kommen sich auch Frank und Marys Lehrerin Bonnie näher.

Als Franks Rechtsanwalt fürchtet, dass Frank den Prozess verlieren könnte, kommt es zu einem Kompromiss, bei dem Mary zu Pflegeeltern kommen soll. Obwohl Mary todunglücklich ist, muss Frank dem Vergleich zustimmen.

Dann aber findet Frank zwei Dinge heraus, die die Lage vollständig ändern und ihn veranlassen einzugreifen...


Das Drehbuch zu "Begabt - Die Gleichung eines Lebens" stammt von Tom Flynn. Regisseur des Films ist Marc Webb, der mit "500 Days of Summer" (2009) zeigen konnte, dass er neben Musikvideos und Blockbustern wie "The Amazing Spider-Man" (2012) und "The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro" (2014) auch Independentfilme erfolgreich inszenieren kann. Marc Webb behandelt in dem Film seine Charaktere mit einer gelungenen Mischung aus Respekt und Realität.

"Begabt" versucht zu zeigen, dass ein spezial-begabtes Kind im normalen Unterricht in genau diesem Fach hoffnungslos unterfordert ist. Dies kann auch nicht nur dadurch aufgefangen werden, dass die Lehrerin versucht, Mary mit zusätzlichen Aufgaben zu beschäftigen. Gleichzeitig zeigt der Film aber auch Marys Defizite im Sozialverhalten und auch dass das Mädchen erst lernen muss, normal mit anderen Kindern zu kommunizieren. Marys Onkel hofft wiederum, dass Mary genau diese Verhaltensweisen in einer normalen staatlichen Schule lernen kann.

Die Charaktere im Film handeln zuerst einmal eindimensional. Frank steht der Begabtenförderung seiner Nichte vor allem deshalb kritisch gegenüber, weil er fürchtet, dass das Kind dasselbe Schicksal wie seine selbstmordgefährdete Schwester erleiden könnte. Großmutter Evelyn, die ebenfalls mathematische begabt war, gab ihre Karriere in England für die Ehe auf. Sie strebt für Tochter und Enkeltochter nach der Anerkennung und Leistung, die ihr selbst versagt geblieben ist. Dabei ist sie wenig am seelischen Wohl von Mary interessiert, genauso wenig wie sie es schon bei ihrer Tochter war. Später allerdings werden die Protagonisten versuchen, emotional nachvollziehbar und sachlich sinnvoll zu handeln.

Vor allem Chris Evans überzeugt als Frank Adler. Er gibt eine engagierte Performance, die eine wunderbare unterschwellige Wärme ausstrahlt, die er z.B. als Captain America in den Marvel-Filmen nicht zeigen konnte.

McKenna Grace bringt sowohl Charme als auch die notwenige Altklugheit für die Rolle der Mary mit, denn die Kleine weiß sich auch intellektuell durchzusetzen und kann die Erwachsenen immer mal wieder vorführen (wenn sie z.B. von der Schulleiterin fordert, Frank zu holen, damit sie die Schule verlassen kann). Drehbuchautor Tom Flynn hat als Vorbild für das Verhalten von Mary seine ebenfalls hochbegabte Schwester genutzt.

Lindsay Duncan versucht die Eindimensionalität der arroganten Oberschicht-Großmutter zu umschiffen, auch wenn sie beinahe bis zum Schluss nicht merkt, dass sie bei ihrer Enkelin auf dem besten Weg ist, dieselben Fehler zu machen, die ihre Tochter in den Selbstmord getrieben haben. In kleineren Rollen überzeugen Octavia Spencer als immer hilfsbereite Nachbarin Roberta Taylor und Jenny Slate als Marys Mathematiklehrerin Bonnie Stevenson, die sich zu Frank hingezogen fühlt.

Insgesamt ist "Begabt - Die Gleichung eines Lebens" ein gut gemachtes Drama mit einem interessanten Thema und einem außerordentlich liebenswerten Cast. Das Thema des Films mag nicht besonders originell sein und er findet auch keine endgültige Antwort auf die Frage, ob für ein spezial-begabtes Kind die intellektuelle Förderung seiner Inselbegabung wichtiger ist als eine friedliche Kindheit. Trotzdem ist der Film auf jeden Fall auch im Fernsehen sehenswert und kann auch als eine Anregung zur Diskussion zu dem Thema "Hochbegabung" gesehen werden.

Foto 1: Mary Adler (Mckenna Grace) und Frank Adler (Chris Evans) © Twentieth Century Fox Film Corporation / SAT.1
Foto 2: Roberta Taylor (Octavia Spencer) und Frank Adler (Chris Evans) © Twentieth Century Fox Film Corporation / SAT.1
Foto 3: Evelyn Adler (Lindsay Duncan) und Mary Adler (McKenna Grace) © Twentieth Century Fox Film Corporation / SAT.1

Info:
Begabt - Die Gleichung eines Lebens (USA 2017)
Originaltitel: Gifted
Genre: Drama, Hochbegabung
Filmlänge: ca. 100 Min.
Regie: Marc Webb
Drehbuch: Tom Flynn
Darsteller: Chris Evans, McKenna Grace, Octavia Spencer, Lindsay Duncan, Jenny Slate u.a.
FSK: ab 6 Jahren
"Begabt - Die Gleichung eines Lebens" läuft am Sonntag, 03.07.2022 um 20:15 Uhr bei SAT.1. Das Drama wird am Montag, 04.07.2022 um 00:35 Uhr wiederholt.