Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der 12jährige Ranji Ram (Shan Robitzky) träumt davon in einem Bollywood-Film zusammen mit seinem Lieblingsschauspieler Amir Roshan (Terence Lewis) aufzutreten. Doch seine Eltern Sunil (Murali Perumal) und Kalinda Ram (Sushila Sara Mai) haben andere Pläne. Sie wollen vom Mumbai nach Deutschland auswandern, wo der Vater als Mathematiker eine deutlich besser bezahlte Stelle antreten kann. Ranjis geliebter Großvater "Daada" (Irshad Panjatan) bleibt in Indien zurück, obwohl er früher einmal in Deutschland in einem Film mitgespielt hat und dafür gesorgt hat, dass sein Enkel sehr gut Deutsch spricht.
Ranji liebt Musik, Tanzen und Schauspiel aus seiner Heimat. Nach dem Willen seiner Eltern soll er sich an das Leben in seiner neuen Heimat anpassen. Leider ist der Alltag in Deutschland nicht mit den farbenfrohen und energiegeladenen Hochglanz-Videos zu vergleichen, in die sich Ranji träumt.
Das Anpassen fällt dem Jungen schwer, da er sich in der neuen Umgebung nicht wohlfühlt, denn er musste nicht nur seinen geliebten Opa in Mumbai zurücklassen, mit dem er aber regelmäßig skypt, sondern er findet auch die möblierte Wohnung in einem Berliner Hochhaus - ganz in weiß gehalten - ziemlich kalt. Daneben gibt es so engstirnige Menschen wie den Hausverwalter Schröbler (Herbert Knaup) oder Ranjis Mitschüler Marvin (Claude Heinrich), dessen Clique sich Ranji als Mobbing-Opfer ausgesucht hat.
Schon während des Fluges erfährt er, dass Amir Roshan für seinen nächsten Film durch ein Kinder-Casting Jugendliche sucht. Ranji beschließt - auch gegen den ausdrücklichen Willen seiner Eltern - sich dennoch mit einem Video zu bewerben. Außerdem lernt er seine Klassenkameradin und Nachbarin Toni Nachtmann (Annlis Krischke) kennen. Die hat ihre eigenen Probleme, denn sie muss sich um ihren recht lebensfremden Vater Frank (Simon Schwarz) kümmern, der sich als Erfinder fühlt, dessen Musikinstrumente aber leider unverkäuflich sind. Tonis Mutter Jeanette (Anne Ratte-Polle) ist vor kurzem ausgezogen weil sie von dem Traumtänzer die Nase voll hat. Toni verfolgt den Traum, ihre Eltern durch eine Romreise wieder zusammen zu bringen. Dafür benötigt sie Geld, das sie auf nicht immer ganz legale Weise versucht, zusammen zu bekommen.
Ranji will ein Tanz-Video in Berlin aufnehmen und nach Mumbai senden. Dummerweise wird sein Handy von Marvin geklaut. Dazu gibt es noch eine besondere Anforderung: es muss in dem Video ein Mädchen mittanzen. Letztendlich zeigt sich, dass Toni doch nicht so abweisend ist, denn sie ist bereit, Ranji bei seinem Video zu helfen.
Gemeinsam gelingt es Ranji und Toni, nicht nur ein neues geniales Bewerbervideo zu drehen, sondern sie erreichen, dass beide tatsächlich mit etwas Hilfe nach Indien fliegen können, wo sie Daada erwartet. Doch wird es Ranji zum Casting schaffen und wird er zusammen mit seinem großen Idol Amir Roshan in dessen neuem Film tanzen können?
"Träume sind wie wilde Tiger" ist ein Film, der im Rahmen der seit 2013 bestehenden Initiative "Der besondere Kinderfilm" entwickelt und gefördert wurde.
Kinder- und Jugendfilme, die im Rahmen dieser Förderung hergestellt werden, basieren nicht auf literarischen Vorlagen, sondern die Story wird speziell für den Film entwickelt. Außerdem sollen sie eng mit der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen verbunden sein, sie bedienen unterschiedliche Genres und tragen zur Steigerung der Vielfalt des Filmangebotes für ein junges Publikum bei. Frühere Filme, die vielfach ausgezeichnet wurden, waren z.B. "Winnetous Sohn" (2015), "Ente gut! Mädchen allein zu Haus" (2016), "Auf Augenhöhe" (2016), "Unheimlich perfekte Freunde" (2019), "Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar" (2019), "Into the Beat" (2020) oder "Madison - Ungebremste Girlpower" (2021). Zwei weitere Filme ("Nachtwald" und "Mission Ulja Funk") sind bereits fertig gestellt, wurden auch schon auf Filmfestivals gezeigt und sollen noch in diesem Jahr in die Kinos kommen.
Regisseur Lars Montag erzählt in "Träume sind wie wilde Tiger" nach dem Drehbuch von Murmel Clausen, Sathyan Ramesh, Ellen Schmidt und ihm selbst, eine Story mit viel Musik - wie das halt in Bollywood-Filmen üblich ist. Der von Shan Robitzky wunderbar gespielte Ranji taucht immer wieder in fantasievolle knallbunte Traumwelten ein, in denen er mit seinem großen Idol Amir Roshan zusammen auftritt oder selbst als großer Sänger und Tänzer die Leinwand (auch mal zusammen mit einer ganzen Busladung älterer Damen) erobert.
Terence Lewis, der Darsteller des Amir Roshan ist ein in Indien sehr bekannter Tänzer und Choreograph, der unter anderem der Chef der bekannten Terence Lewis Contemporary Dance Company ist. Er hat auch neben Regina Weber und Jimmie Surles die Tanz-Choreographie des Films entwickelt.
Die Songs stammen von dem Duo Peter Plate und Ulf Leo Sommer, die z.B. auch die Lieder die für die "Bibi & Tina"-Filme geschrieben haben und zu den erfolgreichsten deutschen Film-Komponisten zählen.
Neben den beiden jungen wundervollen Darstellern Shan Robitzky und Annlis Krischke sind vor allem die indischen Schauspieler zu nennen, wie der 90jährige indisch-deutsche Schauspieler und Pantomime Irshad Panjatan, der z.B. auch in Bully Herbigs "Der Schuh des Manitu" (2001) und "Bullyparade - Der Film "(2017) zu sehen war (was als Easter Egg auch im Film verwendet wird) und der als Ranjis Daada überzeugt. Murali Perumal, der als Ranjis Vater Sunil zu sehen ist, wurde in Bonn geboren und hat es sichtlich genossen, gebrochenes Deutsch zu sprechen. Neben Herbert Knaup als kleinlicher Hausmeister Herr Schröbler und Nina Petri als spirituelle Esoterikerin Patrizia, spielen noch Simon Schwarz und Anne Ratte-Polle als Tonis zerstrittene Eltern größere Rollen. In einem Cameo ist Roberto Blanco als Fluggast zu sehen, der den Rams einige Integrationstipps gibt.
"Träume sind wie wilde Tiger" ist eine Culture-Clash Komödie, die das Ankommen in einer neuen Kultur thematisiert, indem er indische und deutsche Lebensweisen aufeinanderprallen lässt. Allerdings sind gerade die deutschen Charaktere doch etwas sehr stereotyp ausgefallen. Das gilt sowohl für Ranjis neue Klassenkameraden als auch für den Hausmeister und die Nachbarin Patrizia, die ihren indischen Guru sucht. Trotzdem erzählt die Komödie von der Verwirklichung von Träumen und zeigt neue Perspektiven auf mit glaubwürdigen Charakteren, die sich innerhalb der Story weiterentwickeln und an Stärke gewinnen.
Der besondere Kinderfilm wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet, da mit Augenzwinkern und einem liebevollen Blick für Klischees die jeweiligen Eigenarten der indischen und der deutschen Kultur beschrieben werden. Die FBW Jugendfilm-Jury vergibt 4 von 5 Sternen und meint, dass der mitreißende Film durch die eindrucksvollen Bilder, die vielfältigen Tanzstile, die kreativen Ideen und die lustigen Wortspiele als farbenfroher Familienfilm für Kinder ab 6 Jahren geeignet sei.
Gerade konnten Regisseur und Autor Lars Montag sowie das Autorenteam Murmel Clausen, Sathyan Ramesh und Ellen Schmidt den begehrten Kinder-Medien-Preis Der weiße Elefant 2022 im Rahmen des Filmfests und Kinderfilmfests München in der Kategorie "Beste Kino-Regie & Autorenteam" für sich entscheiden. Lars Montag wurde bereits beim Bayerischer Filmpreis 2022 für den besten Kinderfilm ausgezeichnet.
Insgesamt ist "Träume sind wie wilde Tiger" ein Film, der gute Laune versprüht. Dabei überraschen die liebevollen Set-Design und die kreativen Spezialeffekte mit immer wieder kleinen und großen Ideen, wie auf der einen Seite das bunte Treiben in Mumbai, auf der anderen Seite die nüchtern weißen kantigen Hochhaus-Bauten in Berlin. Tanz, Farben und vor allem die Musik machen aber einfach gute Laune, denn die eingängigen Songs von Peter Plate und Ulf Leo Sommer sprechen die Sprache der Jugend, ohne sich anzubiedern.
Die Komödie ist wirklich ein "Besonderer Kinderfilm", der mit seiner überbordenden Fröhlichkeit und seinem hemmungslosen Optimismus Kinder und Erwachsene ansteckt. Der Gute-Laune-Film der Extraklasse mit seinem Plädoyer für Selbstverwirklichung und Toleranz ist auch auf DVD zu Hause unbedingt sehenswert.
Foto 1: Cover DVD © Eurovideo
Foto 2: Toni (Annlis Krischke) und Ranji (Shan Robitzky) schauen sich ihr selbstgedrehtes Video für den Casting-Aufruf von Amir Roshan (Terence Lewis) an. © Wild Bunch Germany / Eurovideo
Foto 3: Ranji (Shan Robitzky) tanzt zusammen mit seinem großen Vorbild Amir Roshan (Terence Lewis). © Wild Bunch Germany / Eurovideo
Info
"Träume sind wie wilde Tiger" ist ab dem 14.07.2022 auf DVD im Handel. Digital ist der Film bereits ab dem 04.07.2022 verfügbar. Die DVD enthält eine deutsche Fassung in Dolby Digital 5.1. Die Untertitel sind in Deutsch für Hörgeschädigte. Das Bildformat der DVD ist 16:9 (2.35:1). Die DVD hat zusätzlich eine Hörfilmfassung für Blinde und Sehbehinderte in Dolby Digital 2.0.
Extras auf der DVD sind:
Interviews mit Cast und Crew (9:04 Min.)
--- Peter Plate - Komponist
--- Ulf Leo Sommer - Komponist
--- Shan Robitzky - Hauptdarsteller
--- Lars Montag - Regisseur
Trailer (2:05 Min.)
Träume sind wie wilde Tiger (Deutschland 2021)
Genre: Der besondere Kinderfilm, Komödie, Musical, Kinder-/ Jugendfilm
Filmlänge: ca. 96 Min.
Regie: Lars Montag
Drehbuch: Murmel Clausen, Sathyan Ramesh, Lars Montag, Ellen Schmidt
Darsteller: Shan Robitzky, Annlis Krischke, Sushila Sara Mai, Murali Perumal, Irshad Panjatan, Simon Schwarz, Anne Ratte-Polle, Herbert Knaup, Nina Petri, Roberto Blanco, Terence Lewis u.a.
Vertrieb: Telepool - Eurovideo Medien
FSK: ab 6 Jahren
Eine weitere Besprechung und ergänzendes Material erschienen am 10. Juli
https://weltexpresso.de/index.php/kino/25950-traeume-sind-wie-wilde-tiger
https://weltexpresso.de/index.php/kino/25952-ein-besonderer-kinderfilm-entsteht
https://weltexpresso.de/index.php/kino/25950-traeume-sind-wie-wilde-tiger
https://weltexpresso.de/index.php/kino/25952-ein-besonderer-kinderfilm-entsteht