claude12Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. Juli 2022, Teil 8

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - Brot Die Geschichte des Brotes ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Das Grundnahrungsmittel, das aus Wasser, Mehl, Backtriebmittel und anderen Zutaten hergestellt wird – ganz nach individuellem Geschmack – hat es in sich. An der Frage, welches B. denn nun am besten schmeckt, kann man sich nämlich ähnlich die Zähne ausbeißen wie an einer alten Roggenkruste. Weizen-, Vollkorn- oder doch Knäckebrot? Manchmal hilft nur der Gang zum Bäcker des Vertrauens. Auch wenn der knusprige drei Kilometer von der eigenen Haustür entfernt liegt. Über 300 B.-sorten soll es allein in Deutschland geben. So gilt es auch in Sachen B., Toleranz walten zu lassen. Gehen und essen lassen, das ist die Devise, von der sich auch so manche übers B. besorgte Bürger eine Scheibe abschneiden sollten. Eine Scheibe Westfälischer Pumpernickel oder eine Stange französisches Baguette und schon ist das heimische Abendessen so viel mehr als nur Stulle mit B.


Elektrische Hyänen

In ihrer Jugend waren die Elektrischen Hyänen aufstrebende Sterne am internationalen Rockhimmel. Zugegeben: Zu Weltruhm haben es die algerischen Gitarrenhelden dann doch nicht gebracht. Um genau zu sein, kennt sie selbst im heimischen Algiers so gut wie niemand. In den Köpfen der Bandmitglieder lebt der Rockstar-Traum jedoch ungebrochen fort und welcher Ort wäre besser für ein Comeback geeignet als die Sause zu Monsieur Claudes Rubin-Hochzeit. Wer diese Crowd zum Tanzen bringt, dem steht nichts mehr im Weg. Nächste Station, Rock-Olymp – vorausgesetzt, jemand holt die Hyänen vom Bahnhof ab.


Fest

Egal, ob Geburtstag oder Junggesellinnen-Abschied: Feste muss man feiern, wie sie fallen. Wenn es sich um die eigene → Rubin-Hochzeit handelt, dann gilt das umso mehr. Am liebsten in kleinem Rahmen beim Abendessen mit der geliebten Ehefrau fernab von omnipräsenten → Nachbarn und ohne böse → Überraschungen. Dumm nur, dass Monsieur Claude auf die Gestaltung seines eigenen F. ebenso wenig Einfluss hat wie einst auf die Männerwahl seiner Töchter.


Gastfreundschaft

Gastfreundschaft hin oder her, „die Hölle, das sind die anderen“. Das wusste schon Sartre und besser hätte es Monsieur Claude nicht formulieren können. Der wahre Sinn der G. liegt doch bekanntermaßen darin, das eigene Verhältnis zum Fremden möglichst schmerzfrei abarbeiten zu können. Als mittlerweile gut eingeübter Gastfreund kennt Monsieur Claude alle Tricks gelebter Willkommenskultur. Mit aufgesetzter Fröhlichkeit weiß der rüstige Franzose sich als Freund des Gastes gekonnt in Szene zu setzen. Doch auch wenn es ihm oft darum geht, die ungeliebte MehrkulturenVerwandtschaft möglichst schnell und ohne Widerworte wieder hinauszukomplimentieren, kann er sich bisweilen einer tatsächlich gelebten Freundschaft nicht erwehren.


Gedärm

Das menschliche G. in all seiner Gewundenheit versprühte bereits im 15. Jahrhundert seinen künstlerischen Charme. Leonardo da Vinci zählte zu den Pionieren, die mit Feder, Tinte und Rötel kunstvoll das Innere nach außen zeichneten. Und auch im Zeitgenössischen scheint die Gedärmkunst immer wieder zu faszinieren. Der Aktionskünstler Hermann Nitsch fesselt die Szene seit den 1960ern mit roten Bodenschüttbildern aus Blut und Gedärm. Und auch der belgische Künstler Wim Delvoye schuf mit „Cloaca“ eine mechanische Nachbildung des menschlichen Verdauungsapparats - ausgestellt in zahlreichen Metropolen wie New York, Antwerpen, Zürich, Wien und zuletzt Lyon. Und nicht zuletzt platzierten die Künstlerinnen Anetta Mona Chiea und Lucia Tkámová eine überdimensionale Bronzeskulptur, die den Darm von Karl Marx darstellt, in einen Chemnitzer Park. Da soll noch einer sagen, zeitgenössische Kunst sei schwer zu verdauen.

 
Jesus Christus

Er ist der Messias! Zumindest laut dem Neuen Testament. In den Schriften des Urchristentums forschen Historiker schon seit Jahrhunderten nach Quellen zu Jesus von Nazareth, seinerzeit jüdischer Wanderprediger oder auch, je nach religiöser Gesinnung, der zur Erlösung aller Menschen gesandte Sohn Gottes. Selbst nach über 2000 Jahren: keine Einigkeit in Sicht. Auch wenn es um die Hautfarbe geht – die ist doch schon immer schwarz gewesen, oder? Einige Kirchengemeinden nehmen es da nicht mehr so genau. Ein schwarzer J., ein chinesischer J., ein fi dschianischer J. – in vielen Kirchen schon eine Selbstverständlichkeit. Für andere wiederum Sakrileg. Und das obwohl unser aller Erlöser doch ursprünglich aus dem Nahen Osten stammte. Himmel hilf!


Jurte

Die Jurte (türkisch Yurt ‚Heim‘) dient schon über 2000 Jahre als traditionelle Behausung nomadisierender Völker Zentralasiens. Westlich „salonfähig“ wurde die J. bereits Ende der 1960er Jahre in den USA, als die Bewegung Yurt People die runden „tiny homes“ als originelle Wohn-Attraktion völlig neu etablierten. Heute sind nicht nur Minimalisten und naturverbundene Touristen völlig aus dem Häuschen, wenn es um die runden vier Wände geht: Glamping heißt das neue Luxusversprechen der Reiseanbieter. Da ist eine aufblasbare J. eigentlich ein Geniestreich. Jedoch kann eine unerwartete Ausquartierung in eine J. bei weniger trendbewussten Menschen völlig nach hinten losgehen. Noch dazu, wenn man sein luxuriöses Zimmer an andere Gäste abtreten muss – Losentscheidung hin oder her!


Koriander

Pflanzenart aus der Familie der Doldenblütler, die zu Gewürz- und auch Heilzwecken verwendet wird. Schon die Bibel erwähnt den K., der auch oft als „Asiatische Petersilie“ bezeichnet wird – der er zwar zum Verwechseln ähnlich sieht, das gleichfalls grüne Küchenkraut aber natürlich nicht ersetzen kann. In europäischen Küchen hatte es der K. lange schwer. Da hilft es auch nicht, wenn er schon im Kindesalter von fetten, schwerwiegenden Äpfeln bedroht wird, die wie Zuckerbomben vom Himmel fallen und Grenzgebiete diesund jenseits des Gartenzaunes in vermintes geopolitisches Terrain verwandeln. Dabei versprach der K. in China einst Unsterblichkeit. Davon kann der französische Durchschnittsapfel ja nur träumen.


Loire

Als längster Fluss Frankreich durchzieht die Loire unser westliches Nachbarland auf 1.006 Kilometern Länge von den Alpen bis zur Atlantikküste. Zahlreiche Prunkbauten wie das Schloss Chambord säumen die malerischen Ufer der L. und machen die Region zum beliebten Reiseziel. Ein perfektes bürgerliches Idyll, das nicht einmal durch die Anreise einer multikulturellen Hochzeitsgesellschaft und den Bau einer → Jurte im heimischen Garten gestört werden kann... oder etwa doch? Nachbar Liebe deinen Nachbarn, das sagte schon → Jesus. Zumindest so ähnlich. Mit der in unmittelbarer Nähe wohnenden Person sollte man es wirklich nicht verscherzen. Zwischen idyllischer Gemeinschaft und fiesester Feindseligkeit, zwischen beruhigender Vertrautheit und stoisch bleibender Fremdheit ist die Nachbarschaft schließlich ein ganz besonderes Exemplar menschlicher Beziehungen. Davon können die sich in schillernder Feindschaft und doch auch in leidgeprüfter Solidarität verbundenen Schwiegersöhne David und Rachid ein Liedchen singen – im Kanon gewissermaßen mit dem großen territorialen Nachbarsschaftsstreit, in dem beide aufgewachsen sind. Ein gestörtes Nachbarschaftsverhältnis kann schließlich auch dafür sorgen, dass der eigene Haussegen in Schieflage gerät. Deswegen: Liebe deine(n) N. – oder so ähnlich.


Rubin-Hochzeit

Am Anfang war der Diamant. Rein und unschuldig, so dachte man es sich wohl mal, sind die Gatten, wenn es erstmals ans Jasagen geht. Nach 40 Jahren Ehe
weicht der Diamant dem feurigen Rubin. Wer also 40 gemeinsame Jahre überstanden hat, bei dem lodern nach allen Regeln der Statistik die Flammen der Liebe immer noch und erstrahlen in Rubinrot. Kein schlechtes Jubiläumsgeschenk, ist doch der Rubin der wertvollste unter den Edelsteinen. Rubine, vom lateinischen „ruber“ herstammend, werden als rote Steine aus dem Mineral Korund gewonnen. Doch keine Ehe ist in Stein gemeißelt. Und so hält Claude die Hoffnung auf zumindest eine kleine Scheidung seiner Töchter aufrecht. Da ahnt er noch nicht, dass er es ist, dem so manch anderer Stein in den Weg gelegt wird auf den letzten Metern zur rubinroten Eheveredelung.


Schwarzwurzel

Die Scorzonera hispanica oder auch echte Schwarzwurzel ist ein heißer Tipp unter Freunden der veganen Küche. Blutdruck senkend, entzündungshemmend und ernährungsethisch einwandfrei – sogar als Heilmittel gegen Schlangengift soll der „Spargel des kleinen Mannes“ geeignet sein. Ein wahres Wunder der regionalen Küche also. Wären da nicht die infernalischen Blähungen, die nach dem Verzehr der S. das → Gedärm in Wallung bringt und Leib und Leben aller Umstehenden gefährden. Als Vorspeise zur → Rubinhochzeit daher zwar in der Theorie sympathisch, praktisch aber zumindest fragwürdig.


Timing

Ob beim ersten Kuss, bei guter Comedy oder bei einer Überraschungsparty: Timing ist alles! Denn nur mit perfektem T. wird aus einem schnöden → Fest eine echte Sause. Damit das T. passt, bedarf es eiserner Disziplin und meisterhafter Planung. Davon weiss wohl jeder, der sich schon einmal am Komödieschreiben versucht hat, ein Liedchen zu singen. In Prestissimo, wenn möglich. Da herrscht ein hartes Regime der Abläufe, Strukturen und Choreographien, in dem selbst der Zufall seine festgefügte Rolle zu spielen hat. Harte Zeiten für Spontaneität und vor allem für familiäre Querelen. Wer sich nicht an Zeit- und Sitzpläne halten kann, dem wird die → Schwarzwurzel angeboten. Wir sind ja nicht zum Spaß hier!


Überraschung
 
Überrascht zu sein, das heißt: Etwas nicht kommen sehen. Beim entspannten Stadtspaziergang den mehr oder weniger geschätzten Schwiegersohn zum Beispiel. Wobei aus jeder Ü. eingeübte Routine mit entsprechenden Abwehrmechanismen werden kann. Nicht ans Telefon gehen zum Beispiel, wenn der ungebetene Anrufer – überraschend! – zum Gespräche bittet. Manche Ü.en jedoch funktionieren wie ein Überfallkommando: ein im Geheimen eingefädeltes Familienfest zum Beispiel, das auch wirklich den entferntesten Verwandten einbezieht. So etwas sieht man nicht kommen. Will man nicht kommen sehen. Von der angenehmen Aufregung bis hin zum schrecklichen Schock – eine gut geplante und noch besser durchgeführte Ü. ist abhängig von gutem → Timing und nur durch strikteste Disziplin herzustellen. So gehört zur Ü. eine strenge Ökonomie des Geheimnisses, der generalstabsmäßig kontrollierten Preisgabe von Wissen, dem Auslegen von falschen Fährten usf.


Verwechslung

Jemanden oder etwas für etwas anderes halten, als er/es eigentlich ist. Und das ist so verwirrend, wie es klingt. Nicht umsonst heißt die V. im Französischen ganz einfach „confusion“. Konfus kann es auch schnell werden, wenn man sich in der Gesellschaft entfernter Verwandter wähnt, nur um dann festzustellen, dass man im Treppenhaus anscheinend falsch abgebogen ist – und seit einer Stunde ahnungslos die Gastfreundschaft völlig fremder Leute strapaziert. Eine klassische Verwechslung, ganz ohne böse Absichten, wohl aber mit reichlich Zähneknirschen, garniert mit einer → Überraschung der unangehmsten Sorte.

Info:
Stab
Regie ....... Philippe de Chauveron
Drehbuch ....... Guy Laurent, Philippe de Chauveron

Darsteller
Claude Verneuil ....... Christian Clavier
Marie Verneuil ....... Chantal Lauby
David Benichou ....... Ary Abittan
Rachid Benassem ....... Medi Sadoun
Chao Ling ....... Frédéric Chau
Charles Koffi ....... Noom Diawara
Isabelle Verneuil-Benassem ....... Frédérique Bel
Ségolène Verneuil-Ling ....... Émilie Caen
Laure Verneuil-Koffi ....... Élodie Fontan

Komödie
Frankreich 2021
98 Minuten

Abdruck aus dem Presseheft