Hanswerner Kruse
Frankfurt (Weltexpresso) - Vier Filme mit starken Frauen sind derzeit auf DVD oder online zu sehen: „Parallele Mütter“, „Wunderschön“, „Niemand ist bei den Kälbern“ und „Drive My Car“.
„Parallele Mütter“ heißt der jüngste Film des Regisseurs Almodóvar mit Penelope Cruz, in dem sie die allein lebende Starfotografin Janis spielt. Nach ihrem Sex mit einem forensischen Archäologen, folgt ein krasser Schnitt in die Entbindungsstation. Dort trifft die glückliche Janis auf den traurigen, durch eine Vergewaltigung schwanger gewordenen Teenager Ana (Milena Smit). Beide bringen ein Mädchen zur Welt und wir Zuschauer ahnen früh, dass die Säuglinge vertauscht werden.
Denn der verheiratete Archäologe glaubt nicht an seine Vaterschaft, verwirrt macht Janis einen - für sie negativen - Muttertest. Sie weiß nicht was sie tun soll, ist hilflos, leidet, kämpft... Der Film ist ein berührendes Melodram, setzt sich aber auch mit dem spanischen Bürgerkrieg auseinander: Der Archäologe hilft Janis, damit sie ihren Uropa und andere ermordete Sozialisten in ihrem Heimatdorf exhumieren kann, um sie würdig zu begraben. Durch diesen Rahmen bekommt der Film seine politische Verknüpfung - letztlich geht es um historische und individuelle Wahrheiten.
„Wunderschön“ ist zwar eine recht erfolgreiche Filmkomödie und lief in vielen Kinos, doch man kann das kleine cineastische und humorvolle Meisterwerk von Karoline Herfurth als Regisseurin und mit ihr als Sonja auch öfter sehen: Fünf Frauen und ein kleines Mädchen haben (mit Verlaub:) einfach die Schnauze voll. Die Mittfünfzigerin Frauke fühlt sich als Weib nicht mehr wahrgenommen. Ihre Tochter Julie, ein Model, kämpft buchstäblich bis ins Koma für ihren perfekten Körper. Schwiegertochter Sonja will nach zwei Kindern nicht länger nur noch als Hausfrau dahinleben.
Leila, die Tochter von Julies Managerin, ist scheu und übergewichtig und Kunstlehrerin Vicky hat große Bindungsängste. Alle alltäglichen Probleme, Sehnsüchte und Dramen dieser Frauen werden in einem spannenden Episodenfilm erzählt. Vicky liefert im Unterricht mit ihren - zunächst widerwilligen - Schülerinnen und Schülern gleichsam die geistreiche Unterströmung des Films. Und das kleine Mädchen? Es hat keine Mutter, schläft oft in einem Papiercontainer und freundet sich mit Julie an, für die sie Zuckernudeln kocht.
„Niemand ist bei den Kälbern“ als Christin (Saskia Rosendahl) nach gut 110 quälenden Filmminuten endlich fortgeht. Ihr eintöniges Leben, die sie umgebende flache Landschaft, das soziale Umfeld sind unglaublich trist. Christin hat noch nie woanders gelebt, traut sich keine andere Arbeit zu als die auf dem Bauernhof ihres Freundes und hat nicht einmal Träume. Als sie zufällig auf einen doppelt so alten Ingenieur trifft, gibt sie sich ihm mehrmals schamlos hin, ohne etwas von seinem hastigen Sex zu haben:
Ein Prinz ist diese Type leider nicht. Ihr Freund verprügelt Christin, sie will zu einem Bekannten flüchten, der jedoch gerade von der Polizei verhaftet wird. Als man annimmt, nun wird sie ihr Leben durch Selbstmord beenden, setzt sie sich ins Auto und verlässt die Tristesse. Die mögliche Landlust vergeht einem schnell in diesem Film, er wäre unfassbar öde und kaum ansehbar, gäbe es nicht diese überragende Schauspielerin. Ohne dramatisches Getue trägt Rosendahl ganze allein durch ihr verhaltenes Spiel die Erzählung und zieht uns Zuschauer hinein in dieses Landleben.
„Drive my car“ hat mit dem Beatles-Song nichts zu tun und im Film kommt Oto, die Frau um die es geht, nur anfangs vor. Nach dem Sex erzählt sie ihrem Mann Kafuku (Hidetoshi Nishijima), einem Regisseur, immer abstruse Geschichten, die sie am nächsten Tag vergisst. Doch ihr Mann frischt die Erinnerungen auf und sie entwickelt daraus fantastische Drehbücher. Oto hat viele Liebhaber, Kafuku sieht darüber hinweg. Sie stirbt plötzlich, er kann ihr nicht helfen, weil er zu spät kommt. Zwei Jahre später castet der Regisseur für das Tschechow-Stück „Onkel Wanja“ Akteure aus asiatischen Ländern. Sie sollen die Texte in ihren Sprachen rezitieren: japanisch, koreanisch, chinesisch, eine gehörlose Darstellerin in Gebärdensprache:
Es geht dem Regisseur ausschließlich um den Rhythmus des Stücks. Wanja besetzt er mit einem Darsteller, den er als Lover seiner Frau wiedererkennt. In Gesprächen mit ihm wird Otos Verhalten verständlich. Später kommt er seiner Fahrerin näher, die ein dunkles Geheimnis hütet. Der mehrfach preisgekrönte Film dauert drei Stunden, ist anstrengend - aber absolut sehenswert.
Fotos:
„Parallele Mütter“ Penelope Cruz und Milena Smit © Studiocanal
„Wunderschön“ Karoline Herfurth als frustrierte Hausfrau Sonja © Warner Bros.
„Niemand ist bei den Kälbern“ Die großartige Akteurin Saskia Rosendahl trägt allein den Film
© Filmwelt Weydemann Bros.
„Drive my car“ Hidetoshi Nishijima mit seiner Fahrerin © Rapid Eye Movies
„Wunderschön“ ist zwar eine recht erfolgreiche Filmkomödie und lief in vielen Kinos, doch man kann das kleine cineastische und humorvolle Meisterwerk von Karoline Herfurth als Regisseurin und mit ihr als Sonja auch öfter sehen: Fünf Frauen und ein kleines Mädchen haben (mit Verlaub:) einfach die Schnauze voll. Die Mittfünfzigerin Frauke fühlt sich als Weib nicht mehr wahrgenommen. Ihre Tochter Julie, ein Model, kämpft buchstäblich bis ins Koma für ihren perfekten Körper. Schwiegertochter Sonja will nach zwei Kindern nicht länger nur noch als Hausfrau dahinleben.
Leila, die Tochter von Julies Managerin, ist scheu und übergewichtig und Kunstlehrerin Vicky hat große Bindungsängste. Alle alltäglichen Probleme, Sehnsüchte und Dramen dieser Frauen werden in einem spannenden Episodenfilm erzählt. Vicky liefert im Unterricht mit ihren - zunächst widerwilligen - Schülerinnen und Schülern gleichsam die geistreiche Unterströmung des Films. Und das kleine Mädchen? Es hat keine Mutter, schläft oft in einem Papiercontainer und freundet sich mit Julie an, für die sie Zuckernudeln kocht.
„Niemand ist bei den Kälbern“ als Christin (Saskia Rosendahl) nach gut 110 quälenden Filmminuten endlich fortgeht. Ihr eintöniges Leben, die sie umgebende flache Landschaft, das soziale Umfeld sind unglaublich trist. Christin hat noch nie woanders gelebt, traut sich keine andere Arbeit zu als die auf dem Bauernhof ihres Freundes und hat nicht einmal Träume. Als sie zufällig auf einen doppelt so alten Ingenieur trifft, gibt sie sich ihm mehrmals schamlos hin, ohne etwas von seinem hastigen Sex zu haben:
Ein Prinz ist diese Type leider nicht. Ihr Freund verprügelt Christin, sie will zu einem Bekannten flüchten, der jedoch gerade von der Polizei verhaftet wird. Als man annimmt, nun wird sie ihr Leben durch Selbstmord beenden, setzt sie sich ins Auto und verlässt die Tristesse. Die mögliche Landlust vergeht einem schnell in diesem Film, er wäre unfassbar öde und kaum ansehbar, gäbe es nicht diese überragende Schauspielerin. Ohne dramatisches Getue trägt Rosendahl ganze allein durch ihr verhaltenes Spiel die Erzählung und zieht uns Zuschauer hinein in dieses Landleben.
„Drive my car“ hat mit dem Beatles-Song nichts zu tun und im Film kommt Oto, die Frau um die es geht, nur anfangs vor. Nach dem Sex erzählt sie ihrem Mann Kafuku (Hidetoshi Nishijima), einem Regisseur, immer abstruse Geschichten, die sie am nächsten Tag vergisst. Doch ihr Mann frischt die Erinnerungen auf und sie entwickelt daraus fantastische Drehbücher. Oto hat viele Liebhaber, Kafuku sieht darüber hinweg. Sie stirbt plötzlich, er kann ihr nicht helfen, weil er zu spät kommt. Zwei Jahre später castet der Regisseur für das Tschechow-Stück „Onkel Wanja“ Akteure aus asiatischen Ländern. Sie sollen die Texte in ihren Sprachen rezitieren: japanisch, koreanisch, chinesisch, eine gehörlose Darstellerin in Gebärdensprache:
Es geht dem Regisseur ausschließlich um den Rhythmus des Stücks. Wanja besetzt er mit einem Darsteller, den er als Lover seiner Frau wiedererkennt. In Gesprächen mit ihm wird Otos Verhalten verständlich. Später kommt er seiner Fahrerin näher, die ein dunkles Geheimnis hütet. Der mehrfach preisgekrönte Film dauert drei Stunden, ist anstrengend - aber absolut sehenswert.
Fotos:
„Parallele Mütter“ Penelope Cruz und Milena Smit © Studiocanal
„Wunderschön“ Karoline Herfurth als frustrierte Hausfrau Sonja © Warner Bros.
„Niemand ist bei den Kälbern“ Die großartige Akteurin Saskia Rosendahl trägt allein den Film
© Filmwelt Weydemann Bros.
„Drive my car“ Hidetoshi Nishijima mit seiner Fahrerin © Rapid Eye Movies