Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. September 2022, Teil 4
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Narratologie-Expertin Dr. Alithea Binnie (Tilda Swinton) ist mit ihrem Leben umgeben von Büchern und Mythen vollauf zufrieden. Jetzt fliegt sie zu einem Kongress nach Istanbul. Während ihres Vortrags sieht sie plötzlich - nur für sie sichtbare - märchenhafte Gestalten und bricht auf der Bühne zusammen. Am nächsten Tag besucht sie zusammen mit einem Kollegen den örtlichen Basar. Dort ersteht sie in einem Antiquitätenladen - ganz gegen den Wunsch ihres türkischen Kollegen - eine kleine Flasche.
Am nächsten Morgen versucht Alithea die Flasche im Waschbecken ihres Hotelzimmers mit ihrer elektrischen Zahnbürste zu reinigen. Dabei öffnet sich der Korken und aus der Flasche entweicht ein Dschinn (Idris Elba), der anbietet, ihr drei Wünsche im Austausch für seine Freiheit zu erfüllen.
Doch Alithea zögert, auf sein Angebot einzugehen, denn erstens hält sie sich für wunschlos glücklich und zweitens kennt sie sich als Gelehrte der Geschichte und Mythologie sehr wohl mit Wünschen aus, die nicht gut ausgegangen sind.
Da der Dschinn, um endlich frei zu sein, drei Wünsche erfüllen muss, will er sie vom Gegenteil überzeugen. Er beginnt Geschichten aus seinem Leben - von seinen Abenteuern und seinen Lieben - während der letzten 3000 Jahre zu erzählen.
Er beginnt mit der Königin von Sheba (Aamito Lagum) und wie er durch eine List von König Solomon (Nicolas Mouawad) das erste Mal in einer Flasche landete. Seine zweite Geschichte handelt von der Sklavin Gulten (Ece Yüksel), die in Prinz Mustafa (Matteo Bocelli) verliebt war und sich wünschte von ihm geliebt zu werden. Doch auch hier wird der dritte Wunsch nicht erfüllt.
Seine dritte Geschichte beginnt viele Jahre später mit dem elfjährigen Murad mit dem der Dschinn hoffte eine Verbindung aufnehmen zu können, doch erst viel später landet er durch einen Zufall im Bosporus.
Da Alithea ihm nicht glaubt erzählt der Dschinn seine letzte Geschichte, über Zefir (Bucu Gölgedar), die von ihrem deutlich älteren Mann die Flasche zum Geschenk bekam und die viel lieber Mathematikerin geworden wäre. Doch der Dschinn wollte nicht, dass sie ihren dritten Wunsch ausspricht und so landet seine Flasche letztendlich in einem Basar in Istanbul.
Die Erzählungen des Dschinn lassen Alithea ihre Haltung überdenken und so trifft sie eine Entscheidung und spricht schließlich einen Wunsch aus, der ihr beider Leben für immer verändern wird...
Regisseur von "Three Thousand Years Of Longing" ist der Australier George Miller, der vor allem mit den "Mad Max" Filmen bekannt geworden ist - zuletzt "Mad Max - Fury Road" (2015), der aber z.B. auch für die Animationsfilme "Happy Feet" (2006) und "Happy Feet 2" (2011) verantwortlich war. Miller hat - wie bei vielen seiner anderen Filme - hier zusammen mit seiner Tochter Augusta Gore - das Drehbuch geschrieben, basierend auf A.S. Byatts Kurzgeschichte The Djinn in the Nightingale’s Eye (1994) - deutsch 1998 als Suhrkamp Taschenbuch unter dem Titel Der verliebe Dschinn. Der Film hatte seine Premiere im Mai 2022 in Cannes beim Filmfestival, wo er außer Konkurrenz lief.
George Miller hat das Drama Corona bedingt größtenteils im heimischen Australien gedreht und nicht wie geplant in Istanbul und London und dazu wieder viele Mitarbeiter seines "Mad Max"-Teams rekrutiert. Dabei sind besonders die Bilder von Kameramann John Seale von traumwandlerischer Schönheit, denn Miller lässt den Zuschauer in den Geschichten des Dschinn in fantastische Welten eintauchen. Leider können da die Szenen im Hotelzimmer und später in London zwischen Idris Elba als Dschinn und Tilda Swinton als Alithea Binnie nicht mithalten.
Natürlich muss man bei einem Flaschengeist sofort an Aladdin und an Motive aus den Märchen aus 1001 Nacht denken, aber besonders die Gespräche zwischen dem Flaschengeist und der Wissenschaftlerin geben dem Film immer wieder eine andere Richtung.
Auch wenn der Fantasy-Film gerade in den Szenen im Hotel in Istanbul etwas langatmig geraten ist, sind die Geschichten des Dschinns eine spannende Sammlung von glücklichen und unglücklichen Ereignissen, die zur wiederholten Einkerkerung jedes Mal in eine andere Flasche geführt haben. Die Märchen werden vom Regisseur mit viel Flair und visuellen Spielereien opulent ausschmückt und sind sowohl von der Story als auch von den Bildern die Highlights des Films, denn schließlich hat der Dschinn in 3000 Jahren doch einiges erlebt, er hat geliebt und wurde betrogen oder vergessen, was dazu führte, dass er letztendlich auch viel Zeit in den Flaschen verbringen musste.
Es ist wirklich schade, dass die Szenen in der Realität zwischen den wunderbaren Erzählungen des Dschinn nicht mit dem erzählten Märchen mithalten können. Leider fehlt die Chemie zwischen Idris Elba und Tilda Swinton, obwohl beide eigentlich hervorragende Schauspieler sind, auch wenn man im Laufe der Story etwas mehr über die Wissenschaftlerin selbst erfährt, die durch die Erzählungen erkennt, was ihr selbst fehlt und wie sie gleichzeitig dem Dschinn helfen kann. Dass sich Alitheas Sehnsüchte dann allerdings auf den Dschinn richten, ist dann doch etwas abrupt und unglaubwürdig. Aber das Verhalten kann natürlich auch damit erklärt werden, dass auch dies ein Märchen ist.
Insgesamt ist "Three Thousand Years Of Longing" bei aller Kritik ein gelungener und unerwartet zauberhafter und unterhaltender Film über die Macht des Geschichtenerzählens. Es sind ganz sicher nicht alle Teile des Dramas gleich gut gelungen und einige der Szenen sind zugegeben auch etwas langatmig. Trotz allem ist der Film ein wundervoll überbordendes Fantasy-Spektakel, in dessen Bilderfluten und märchenhaften Anekdoten man sich als Zuschauer wunderbar verlieren kann, denn die 3000 Jahre umspannenden Liebesgeschichten eines Flaschengeistes ist absolut erfrischend und wird nicht nur Fans von Märchen und Sagen Spaß machen.
Foto 1: Dr. Alithea Binnie (Tilda Swinton) entdeckt auf dem Basar in Istanbul eine alte Glasflasche © LEONINE Distribution GmbH
Foto 2: Der Dschinn (Idris Elba) © LEONINE Distribution GmbH
Foto 3: Alithea (Tilda Swinton) lauscht im Hotelzimmer den Geschichten des Djinn (Idris Elba) © LEONINE Distribution GmbH
Info:
Three Thousand Years Of Longing (Australien, USA 2022)
Originaltitel: Three Thousand Years Of Longing
Genre: Drama, Fantasy, Romanze
Filmlänge: ca. 108 Min.
Regie: George Miller
Drehbuch: George Miller, Augusta Gore
Darsteller: Tilda Swinton, Idris Elba, Aamito Lagum, Nicolas Mouawad, Ece Yüksel, Matteo Bocelli, Lachy Hulme, Burcu Gölgedar u.a.
Verleih: LEONINE Distribution GmbH
FSK: ab 16 Jahren
Kinostart: 01.09.2022