Die DVD/Blu-ray über den immer noch fußballspielenden Ibrahimovic
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Muß man ihn noch vorstellen, den von sich sehr überzeugten schwedischen Fußballspieler, dessen Temperament deutlich den Süden, hier das ehemalige Jugoslawien durchscheinen läßt. Ach ja, der Name auch. Was sich einst mit diesem Namen an Draufgängertum, ja ziemlich rohen Sitten verband, ist schon aufgrund dessen, daß er, der am 3. Oktober 41 Jahre alt wird, noch immer Fußball spielt, zum zweiten Mal beim AC Mailand, also der Serie A in Italien - Meister 2022 - einem gewissen Respekt gewichen.
Den fordert er allerdings für sein ganzes Leben ein. Dabei fällt einem auf, welchen ‚Aufstieg‘ derzeit das Wort ‚Respekt‘ genommen hat, wo es doch Zeiten gab, wo respektlos zu sein, angesagt war, nämlich den hohlen Autoritäten gegenüber. Wie sich Zeiten wandeln und mit ihnen die Wörter. Über den Film, über den zu berichten ist, liegt einem auf der Zunge: „ Schauen Sie sich ihn an.“ Man kann ihn jedermann und jederfrau empfehlen, denn die Filmemacher - Regie von Jens Sjögren, Drehbuch David Lagercrantz und Jakob Beckman) haben etwas sehr Kluges getan. Sie haben aus der literarischen Grundlage ICH BIN ZLATAN IBRAHIMOVIC. Meine Geschichte erzählt von David Lagercrantz eigentlich nur die Kindheit und Jugend herausgenommen und auf die Leinwand gebracht, die dann paradigmatisch für alle Kinder steht, deren Eltern aus anderen Ländern in eine wohlsituierte Gesellschaft wie Schweden geflüchtet sind, dort mit Sprache, Arbeit, sozialem Status und Erziehung der Kinder riesige Probleme haben, die entweder durch nicht nachlassende Energie, auch Härte überwunden werden, oder durch sehr viel Alkohol nur noch verdämmernd wahrgenommen werden.
Seien wir ehrlich, jedes Kind, daß sich aus den vorgeformten Bahnen befreit, sich eine eigene Welt schafft, in der er brillieren will und gesellschaftlich aufsteigen auch, jedes solche Kind verdient unsere Anerkennung. Das ist unsere Alltagsweisheit. Der Film aber nun vermag aus soziologischen Erfahrungen richtiges Leben in das schwedische Armenviertel und die kleinen Amateurfußballvereine auf die Leinwand zu zaubern. Ich bin wirklich sehr angetan, wie es Drehbuch und Verfilmung gelungen ist, Rosengård, das Problemviertel von Malmö, für die 80ziger und 90ziger Jahre zum Leben zu erwecken. Warum das dort Aufwachsen so wichtig ist, sagt Zlatan in jedem zweiten Interview: „Ich bin dort zu Hause“, auch wenn er längst in Nobelvillen zwischen Mailand und Stockholm pendelt und noch immer seit den Amsterdamer Zeiten seinen Berater Mino Raiola (Emmanuele Aita ) als wichtigsten Freund und Lebensratgeber an seiner Seite hat.
Im Film erleben wir den Elfjährigen (Dominic Andersson Bajraktati ) bis hin zum Siebzehnjährigen (Granit Rushiti . Es wird nichts ausgelassen. Nicht seine Impertinenz jeglicher Autorität über, nicht sein Klauen, seine Gewalt gegen andere, die unaufhörlichen Konflikte, die sich seine Eltern – früh schon getrennt, er wächst mit der Schwester bei der Mutter Jurka Gravic (Merima Dizdarevic) auf, die von früh bis spät arbeitet, während der allein lebende Vater Sefik Ibrahimovic (Cedomir Glisovic ) lange arbeitslos ist und den Alkohol als Begleiter wählt – in der Schule anhören müssen, aber doch längst wissen, daß sie gegenüber diesem Jungen keine Befehlsgewalt haben. Dies schafft allein der Fußball. Und ohne theatralisch zu werden oder moralinsauer, gibt der Film das wieder, was Zlatan von sich selbst sagt und alle um ihn herum: das Fußballspielen hat ihn gezähmt, hat ihm eine Orientierung gegeben, denn er wollte, wollte, wollte ab irgendwann nur eines: der berühmteste Fußballspieler der Welt werden. Das ist von heute her gesagt, der Film aber geht weitaus bescheidener vor. Er zeigt uns einfach, wie das ist, wenn ein Knirps von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, die Amateurtrainer aber schnell erkennen, daß hier eine Ballsicherheit herrscht, eine Übersicht über das Fußballspiel und einfach eine pure Lust am Fußballspielen – und am Gewinnen!
Doch doch, es wird auch über seine spätere Karriere berichtet, wo er international mit Ajax Amsterdam begann, zu Juventus Turin wechselte, zu Inter Mailand, AC Mailand, zu Barcelona, Paris-Saint-Germain, auch Manchester United und eben wieder Italien, wie heute beim AC Mailand.
Ja, es ist eine Aufsteigergeschichte, aber eben auch ein wichtiger Hinweis darauf, daß jeder Mensch in sich Begabungen hat, auch spürt, denen man nachgehen sollte, auch wenn es nicht so spektakulär ist. Und so ergibt sich fast ein Paradox: Während das Leben und die Karriere des Zlatan Ibrahimovic ziemlich einzig ist, könnte die aus den Jugendjahren in diesem Film gezogene Erfahrung jedem nutzen: jedem Kind, jedem Jugendlichen, aber auch Eltern und Lehrer, wie wichtig es ist, jedem ein Angebot auf sein Besonderssein zu eröffnen, egal in welchem Bereich und Metier. Es geht um das Gefühl von Lebendigkeit beim Aufwachsen, um das Gefühl von Wert der eigenen Person gegenüber.
Foto:
Umschlagbild
Info:
In der deutschen Fassung dürfen sich Fans auch über die Stimme von Marcel Reif freuen, der eine Synchronrolle als Fußballkommentator besetzt.
"I am Zlatan"
Genre Biopic
Erscheinungsjahr 2022
Schauspieler in der Rolle von Zlatan
Granit Rushiti, Dominic Andersson Bajraktati
Regisseur Jens Sjögren
Kinostart in Deutschland war am 19. Mai 2022
Start der DVD und Blu-ray am 1. September 2022