hivefilm116 v contentgrossSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. September 2022, Teil 3

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie bist du auf die Geschichte von Fahrije Hoti aufmerksam geworden und warum wolltest du einen Film darüber machen?

In einem Fernsehbericht hörte ich zum ersten Mal von Fahrije Hoti und von dem, was sie durchmachte. Nachdem ich sie persönlich kennenlernte, ging es mir nur noch um ihre Person, ihre Persönlichkeit, ihre Einstellung, ihre Vision und ihre Anmut. Ich wollte einen Film über sie machen, weil ich es für wichtig hielt, eine so starke Frauenfigur auf der Leinwand zu zeigen. Ihre Geschichte gab mir Hoffnung und ich war überzeugt, sie würde auch anderen Hoffnung geben und sie inspirieren.


War es einfach Fahrije zu überzeugen?

Fahrije ist nicht nur eine starke Frau, die mit Beharrlichkeit, Widerstandskraft und harter Arbeit viel erreicht hat, sie war auch in den Medien sehr präsent, hat einen Dokumentarfilm gedreht und viele Interviews gegeben. Ich dachte, dass ihre Erfahrungen es mir entweder leichter machen würden oder vielleicht auch schwerer, aber vielleicht war sie auch nur müde von all dem. Sobald ich von ihrer Geschichte hörte, sprach ich mit der Schauspielerin Yllka Gashi und erzählte ihr davon und dass ich sie gerne als Fahrije sehen würde. Yllka war sehr begeistert von der Geschichte und wir fuhren gemeinsam zu einem ersten Treffen mit Fahrije. Unser Freund und Schauspieler Armond Morina und der Fotograf Artan Korenica begleiteten uns. Fahrije kannte Yllka und Armond schon von früher, da beide sehr bekannte Schauspieler*innen hier im Kosovo sind. Sie war von Anfang an offen für unsere Ideen. Sie willigte ein, den Film zu machen und war während des gesamten Prozesses sehr hilfreich.


Mußtest du Teile von Fahrijes Geschichte für den Film ändern?

Einige Passagen wurden geändert, einige verlängert und einige für den Zweck der Geschichte dramatisiert, aber das meiste basiert auf ihren Erfahrungen.


Gab es Herausforderungen beim Dreh?

Es war eine Herausforderung, im Wasser und mit Bienen zu drehen. Yllka wurde bei der ersten Aufnahme fünfmal gestochen, was wir nicht mitbekamen. Sie brach den Take nicht ab, bis ich "Cut" sagte. Wir machten uns alle Sorgen, ob sie auf die Stiche allergisch reagieren wird. Zum Glück war sie nicht allergisch. Wir hatten dann Spritzen, um sie zu behandeln. Ich erinnere mich, dass ich in dieser Nacht nicht gut schlafen konnte, weil ich solche Angst hatte, dass ihr etwas zustoßen könnte. Es gibt immer Herausforderungen, besonders wenn man mit kleinem Budget dreht. Aber ich muss sagen, dass ich sehr unterstützende Produzenten hatte, Yll Uka, Valon Bajgora und Agon Uka. Die Zusammenarbeit mit Yllka Gashi war wunderbar, die Besetzung und die Crew waren großartig. Ich habe jeden Drehtag mit ihnen genossen. Der Schnitt war wegen der Pandemie eine Herausforderung. Unser wunderbarer Cutter Enis Saraci lebte zu der Zeit in Prag, aber wir haben es trotz der räumlichen Entfernung geschafft, sehr gut zusammenzuarbeiten.


Warum hast du dich dafür entschieden, den Kosovo-Krieg nur am Rande zu behandeln?

Diese Geschichte sollte über die Stärkung der Frauen und ihre Resilienz sein, aber alles in ihrem Leben wurde durch den Krieg beeinflusst. Ich wollte, dass die Geschichte des Krieges präsent ist, aber sie sollte aus der Erfahrung der Figuren heraus erzählt werden. Dabei wollte ich mich nicht so sehr mit dem Krieg befassen, sondern mich auf die Folgen davon konzentrieren und dennoch Hoffnung geben. Ich wollte deutlich machen, welchen Schmerz und Verlust der Krieg diesen Menschen zufügte, dass Krieg niemandem nutzen kann und hoffe, damit nicht noch mehr Hass erzeugt zu haben.


Wurde der Film auch im Kosovo gezeigt und wie waren die Reaktionen dort?

Der Film lief sechs Monate lang in den Kinos von Prishtina weil die Zuschauer ihn so liebten und das Kino zeigte ihn so lange wie es Menschen gab, die ihn sehen wollten. Er wurde im Allgemeinen sehr gut aufgenommen, und die Leute waren froh, dass wir eine Geschichte über die Stärkung der Rolle der Frau erzählten, über das Patriarchat und die Folgen des Krieges. Das hat vielen Menschen viel bedeutet. Die Vorführungen des Films auf verschiedenen Festivals hat viele Menschen glücklich gemacht und ihnen Hoffnung gegeben. Es gab nur wenige Männer aus Krusha e Madhe, die mit unserem Film und der Art und Weise, wie wir sie darstellten, nicht zufrieden waren. Aber im Großen und Ganzen wurde er von den Frauen in Krusha und allen anderen sehr gut aufgenommen.


Du bist als Kind als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Wie waren deine Erfahrungen?

Ich kam im April 1999 als Kriegsflüchtling nach Deutschland, nachdem ich an der mazedonischen Grenze ein paar Tage im Regen und dann 5 Tage in Lagern verbrachte. Am Anfang brachten sie uns in ein Heim. Es war ein interessanter Ort, es war warm und wir hatten genug zu essen und konnten duschen. Ich erinnere mich, dass ich in dieser ersten Nacht gut schlief. Da die Hälfte unserer Familie in Prishtina geblieben war, konnten wir nicht aufhören daran zu denken, was wohl mit ihnen geschehen würde. Aber wir waren in Sicherheit. Dann wurden wir in ein Haus in Brachstedt gebracht, wo uns eine deutsche Familie mit einem Mann namens Alex sehr half. Er fuhr uns mit seinem Auto zum Lebensmittelgeschäft, zum Arzt und zu allen anderen Orten. Das war wirklich nett von ihm und eine interessante Erfahrung. Wir haben auch Familie in Deutschland, mein Onkel, meine Tante und meine anderen Cousins und Cousinen kamen, um uns zu helfen und uns in ihre Häuser einzuladen. Abgesehen von der Tatsache, dass wir uns immer noch Sorgen um unsere Familien machten, waren wir in Deutschland sicher, und es gibt nichts Wichtigeres als sich sicher fühlen zu können. Als Kosovo befreit wurde, teilten wir den Behörden mit, dass wir gerne zurückkommen würden. Im August 1999 kehrten wir nach Prishtina zurück, wo wir mit der anderen Hälfte der Familie wieder zusammenkamen.


Siehst du deinen Film als feministischen Film?

Er war nicht von Anfang an als solcher gedacht. Aber es wurde ein feministischer Film, nachdem ich Fahrije persönlich kennenlernte. Mir wurde klar, was für eine starke Persönlichkeit sie hat, damit konnte sie alles überwinden und irgendwie weitermachen.


Was wünschst du dir, dass das Publikum aus deinem Film mitnimmt?

Ich hoffe, dass die Zuschauer nicht nur einen Teil unserer Geschichte und der Geschichte der Frauen von Krusha e Madhe aufgreift, sondern dass dies ihnen auch Hoffnung gibt. Die Hoffnung, dass man seine Ziele erreichen kann, wenn man hart arbeitet und beharrlich ist, egal wie groß die Hindernisse sind und egal wie groß der Schmerz ist. Ich hoffe, dass unser Film jeden dahingehend zum Nachdenken bringt, dass alle Menschen gleichberechtig behandelt werden sollen und niemand vom Krieg einen Nutzen hat.

Foto:
©Verleih

Info:
HIVE (Zgjoi)
von Blerta Basholli, Albanien/Nordmazedonien/Kosovo/CH 2021, 84 Min.
mit Yllka Gashi, Çun Lajçi, Aurita Agushi, Kumrije Hoxha, Adriana Matoshi
Drama / Start: 08.09.2022

Abdruck aus dem Presseheft