Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. September 2022, Teil 4
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Das junge englische Ehepaar Alice (Florence Pugh) und Jack Chambers (Harry Styles) leben in den 1950er Jahren in einer modernen amerikanischen Siedlung namens Victory, die von einer Wüste umgeben ist. Jack arbeitet, ebenso wie alle Männer in der Nachbarschaft, am streng geheimen Victory-Projekt des Unternehmers Frank (Chris Pine).
Alle (Ehe-)Männer fahren morgens mit dem Auto zur Arbeit in die Victory-Projektzentrale, die sich auf einem Hügel in der Nähe des Ortes befindet und über die sie nie im Beisein ihrer Ehepartnerinnen sprechen. Von den Frauen arbeitet keine, sondern sie versorgen schon am Morgen perfekt gestylt den Haushalt und treffen sich anschließend mit den anderen Hausfrauen wie Bunny (Olivia Wilde), Peg (Kate Berlant) oder Shelley (Gemma Chan), die als Partnerin von Frank allerdings eine bevorzugte Stellung hat am Pool oder zu gemeinsamen Ballettstunden. Abends steht natürlich das Essen pünktlich auf dem Tisch und man hat Zeit für ausgiebigen Sex.
Alice hat allerdings immer wieder seltsame Träume, in denen u.a. eine Tänzerin auftritt. Doch dann schneidet sich ihre Nachbarin Margaret (KiKi Layne), die durch eine seltsame Aktion zur Außenseiterin geworden ist, vor ihren Augen die Kehle durch und Alice wird von Männern in roten Overalls weggezerrt. Als Alice danach erzählt wird, dass Margaret nur gestürzt sei, kommen der jungen Frau doch die ersten Zweifel.
Danach will Alice erst einmal in der Wüste spazieren gehen und deshalb bis zur Endstation der Straßenbahn fahren. Alls sie aber unterwegs den Absturz eines roten Flugzeuges beobachtet, will sie helfen, und landet in einem Gebiet, das ihr wohl verboten ist. Von den Männern wird dies heruntergespielt und Alice muss feststellen, dass solche Nachforschungen offensichtlich nicht erwünscht sind. Sie werden notfalls auch durch den Siedlungs-Arzt Dr. Collins (Timothy Simons) mit Pillen unterbunden.
Als bei einer Feier beim Victory Gründer Frank die Ereignisse und Alices Fragen herunter gespielt werden und Jack von Frank kurz entschlossen zu einem seiner Vize-Chefs befördert, kann sich Alice nicht freuen, denn sie sieht, wie Frank ihren Mann im wahrsten Sinne des Wortes antanzen lässt und so zum Affen macht.
Bei einem weiteren Essen bei den Chambers zu Hause findet Alice heraus, dass beinahe alle Paare des Ortes stets eine von nur drei verschiedenen Kennenlerngeschichten erzählen. Dadurch wird ihr Misstrauen noch größer und sie wird von Frank herausgefordert, ob sie in der Lage ist, hinter sein Geheimnis zu schauen.
Alice möchte mit Jack zusammen das Village verlassen, doch endet ihre Flucht kurz darauf. Für Alice bedeutet das, was ist sie bereit zu verlieren, um dahinter zu kommen, was in dem vermeintlichen Paradies tatsächlich geschieht?
″Don’t Worry Darling″ ist die zweite Regiearbeit der amerikanischen Schauspielerin Olivia Wilde nach der sehr erfolgreichen Indipendent-Produktion "Booksmart″ (2019). Im hier besprochenen Thriller verfilmt Wilde das Drehbuch von Katie Silberman und den Brüdern Carey und Shane Van Dyke.
Der Film soll in den 1950er Jahren spielen, in dem in einer typischen amerikanischen Vorstadt-Siedlung die Männer als Familienoberhäupter alle zusammen - aber jeder in seinem eigenen Auto - täglich zur Arbeit in die Victory-Zentrale die Wüste fahren und die Frauen inzwischen mit dem Haushalt beschäftigt sind und sich danach zu gemeinsamen Veranstaltungen treffen. Olivia Wilde zelebriert diesen hochglänzenden Look wie aus einem 1950er Werbeprospekt, denn man sieht vor allem Alice häufig beim Putzen von Badewanne und Fensterscheiben. Dazu gibt es noch Szenen, in denen sie wie in einer Waschmittelwerbung beim Wäscheaufhängen im Garten gefilmt wird, in denen man auch mit im Wind wehenden Hemden und eine durch die Wäsche scheinende Sonne sieht.
Natürlich wird recht schnell klar, dass das Szenarium zu schön ist, um wahr zu sein. Während des gesamten Film erfährt der Zuschauer aber nur so viel wie die von Florence Pugh gespielte Alice selbst heraus bekommt. Dabei sind natürlich auch einige Szenen zu sehen, die den Zuschauer stutzig machen sollten, wie das rote Flugzeug am Himmel und als Spielzeug von Margrets Sohn, die Wände, die sich plötzlich zusammen ziehen sowie die gelbe Straßenbahn, die irgendwo im Niemandsland ihre Endstation hat.
Florence Pugh spielt ihre Rolle hervorragend. Sie ist absolut glaubhaft als eine junge Frau, die Jack liebt, die trotzdem beginnt an der Situation zu zweifeln und die hofft, dass ihr Mann sie unterstützt und mit ihr die Siedlung verlassen will. Doch als sie die Wahrheit hinter Victory erkennt, wird ihr plötzlich der Boden unter den Füßen weggerissen.
Die weiteren bemerkenswerten Rollen werden von Chris Pine als Frank und Harry Styles als Jack gespielt. Chris Pine zeigt als Visionär eine verstörende charmante und doch schmierige Performance und das nicht nur, wenn er auf einem Fest eine Rede wie ein Sektenführer hält, sondern auch wenn er Alice deutlich macht, dass er sie durchschaut hat und sich gerne mit ihr misst, bis zu dem Punkt, in dem sich immer mehr Risse in seiner großsprecherischen Alles-unter-Kontrolle Fassade auftun.
Harry Styles, der bisher vor allem als Sänger und Mitglieder der Pop-Gruppe One Direction bekannt geworden ist, spielt Jack als einen jungen Mann, der angeblich seine Frau liebt, der aber auch ohne Probleme mit den anderen Ehemänner so feiert, dass es seiner Frau unangenehm ist. Styles spielt Jack charmant, so dass man erst im Laufe des Film die Maske dahinter erkennt. Deshalb ist die Auflösung dann auch etwas unerwartet.
Regisseurin Olivia Wilde hat im Film selbst die Rolle von Alices Nachbarin Bunny übernommen, die mehr weiß als sie zugibt. Dabei hat übrigens ihre Tochter Daisy Sudeikis die Rolle von Bunnys kleiner Tochter Rosie gespielt.
Olivia Wilde hat einen außerordentlich gut aussehenden – aus heutiger Sicht – 1950er Albtraum geschaffen, der die damalige Idealvorstellung vom Häuschen mit dem weißen Gartenzaun incl. Hausfrau, die pünktlich mit dem Essen und einem Drink auf ihren Ehemann wartet, hervorragend karikiert.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) hat ″Don’t Worry Darling″ mit dem Prädikat "Besonders wertvoll″ ausgezeichnet, da Olivia Wilde ein Film gelungen ist, der sowohl als doppelbödiger Thriller als auch als augenzwinkernd feministischer Kommentar auf das männlich-patriarchale Herrschaftsdenken funktioniert.
Insgesamt ist ″Don’t Worry Darling″ ein gelungener Mystery-Thriller, dessen Auflösung nicht jedermann gefallen mag, der aber auf jeden Fall für spannende Diskussionen sorgen wird. Deshalb sollte man Stories vergessen, die sich rund um die Entstehung des Films mit den Schauspielern befassen, und sich den Film vorurteilsfrei ansehen.
Foto 1: Florence Pugh als Alice und Harry Styles als Jack © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.
Foto 2: Chris Pine als Frank © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.
Foto 3: Olivia Wilde als Bunny und Nick Kroll als Dean © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.
Foto 4: Gemma Chan als Shelley und Florence Pugh als Alice © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.
Info:
Don’t Worry, Darling (USA 2022)
Originaltitel: Don’t Worry Darling
Genre: Thriller, Mystery
Filmlänge: ca. 123 Min.
Regie: Olivia Wilde
Drehbuch: Katie Silberman, Carey Van Dyke, Shane Van Dyke
Darsteller: Florence Pugh, Harry Styles, Olivia Wilde, Gemma Chan, KiKi Layne, Nick Kroll, Chris Pine u.a.
Verleih: Warner Bros. Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 22.09.2022