Bildschirmfoto 2022 12 03 um 01.10.05VERSO SUD 28, das Festival des italienischen Films im Deutschen Filminstitut und Filmmuseum Frankfurt (DFF), Teil 8

Patrizia Carrano

Rom (Weltexpresso) – Um Monica Vitti wirklich zu verstehen, muss man sich ihren Nachnamen vor Augen halten: Ceciarelli. In Italien ein beliebter, plebejischer Nachname, der durch Assonanz an den Nachnamen einer Figur erinnert, die durch die erste große italienische komische Schauspielerin berühmt wurde: Franca Valeri. In ihrer bewundernswerten Galerie von Figuren hatte Valeri großen Erfolg als „Schwester Cesira, verheiratete Cecioni“. Phonetisch gesehen praktisch enge Verwandte und Vorgängerin der oben erwähnten Ceciarelli. Ceciarelli ist ein Familienname aus der italienischen Komödie, aus dem Volksmund. Ein Nachname, der perfekt für das Blumenmädchen in DRAMMA DELLA GELOSIA, Adelaide Ciafrocchi, geeignet gewesen wäre. Man denkt dabei an eine Trattoria, an die Vorstadt und an bescheidene Träume.

Dennoch begann Monica Vitti als ernsthafte Schauspielerin. Sie spielte klassische Stücke und entdeckte zufällig ihre komische Berufung, als sie mit Sergio Tofano, ihrem Lehrer an der Akademie, am Theater arbeitete. Er war es, der ihr vorschlug, einen Künstlernamen anzunehmen. So „amputierte“ Monica den Nachnamen ihrer Mutter, Vittiglia, und machte ihn zu Vitti. Dabei änderte sie nicht nur ihren Nachnamen, sondern auch ihren Vornamen: aus Maria Luisa wurde Monica.

Diese beiden Nachnamen, Vitti auf der einen und Ceciarelli auf der anderen Seite, zeichnen die beiden großen Linien ihrer Schauspielerei: die erste ist die nachdenklichere, kultiviertere, elegantere, kühlere, deren großer Architekt Michelangelo Antonioni war, ihr langjähriger Lebensgefährte. Filme wie L’AVVENTURA, LA NOTTE, L’ECLISSE und IL DESERTO ROSSO gehören zu dieser Phase. Die zweite, die ironische, manchmal unverschämt komische, die sie – in einem Kino, das von vier Generälen der Komik, Vittorio Gassmann, Nino Manfredi, Alberto Sordi und Ugo Tognazzi, geleitet wurde – zur einzigen „Generalin“ machte. Zwischen IL DESERTO ROSSO von 1964 und Mario Monicellis LA RAGAZZA CON LA PISTOLA, mit dem sie beim breiten Publikum bekannt wird, liegen vier Jahre. In jener Zeit ist Monica Vitti, die sich von Antonioni getrennt hat, auf der Suche nach einem neuen Ich. Sie spielte in Episodenfilmen, in denen sie ihre alte Berufung zur Komödie erprobte; sie machte einen Fehlgriff mit Francesco Maselli, der eine neue Art von Komödie einführen wollte und stattdessen mit der Regie von FAI IN FRETTA AD UCCIDERMI HO FREDDO einen Misserfolg landete; sie verfeinerte ihre ironischen Mittel mit LA CINTURA DI CASTITÀ von Pasquale Festa Campanile, der hier versuchte, den Erfolg von UNA VERGINE PER IL PRINCIPE zu wiederholen, in dem die schöne Virna Lisi mit unerwartet komischer Verve agierte.

In der Verflechtung zwischen Kino, Komödie und Weiblichkeit kam etwas in Bewegung. Im italienischen Film war die weibliche Komik bis dahin das bescheidene Vorrecht einiger weniger Charakterdarstellerinnen gewesen, von Ave Ninchi über Tina Pica bis hin zu Franca Valeri, der Cousine von Sophia Loren in Dino Risis IL SEGNO DI VENERE. (Im Drehbuch sollten sie eigentlich Schwestern sein, aber Valeri weigerte sich, da eine so enge verwandtschaftliche Beziehung angesichts ihres so unterschiedlichen Aussehens absolut unwahrscheinlich schien). In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre öffneten sich weitere Möglichkeiten, und Vitti, die den Zug der Zeit erkannte, wurde zu LA RAGAZZA CON LA PISTOLA. Das schicksalhafte Jahr 1968, geliebte und geschmähte Zeit großer politischer und sozialer Umwälzungen, wurde auch das Jahr der neuen Monica Vitti, die alle überraschte mit der Figur der Assunta Patanè, einer jungen Sizilianerin, die ihren Entführer bis nach England verfolgt und, nachdem sie sich selbst verwandelt hat, dem „pflichtgemäßen“ Ehrenmord abschwört.

Vitti war die Schauspielerin, die alles verkörpern kann, was das italienische Kino zu dieser Zeit brauchte: Sie war witzig, selbstironisch, eine moderne Schönheit, sie sprach nicht nur die Männer an, sondern auch Frauen. Das neurotische und unglückliche Unbehagen, deren Vestalin sie in Antonionis Filmen war, wird durch ihre Leichtigkeit gemildert: Vitti ist eine Meisterin darin, von sich selbst zu reden zu machen, ohne etwas preiszugeben, sich von Klatsch und Tratsch fernzuhalten, und dabei das Bild einer modernen Frau jenseits der Tradition zu zeichnen. Keine Ehe, keine Kinder, stattdessen Neugier, Unabhängigkeit und die Koketterie, ihre Kurzsichtigkeit offen zu zeigen, eine sehr moderne Mischung aus Stärke und Zerbrechlichkeit...

Auszug aus der Einführung zur Hommage Monica Vitti im Progammheft des DFF
https://www.dff.film/wp-content/uploads/2022/11/dff_versosud28_programmheft-2022_WEB.pdf


F
oto:
©dff.de
 
Info:
VERSO SUD
28. Festival des italienischen Films | 25.11.-7.12.2022
Das gesamte Programm finden Sie im PDF des Festivalkatalogs https://www.dff.film/wp-content/uploads/2022/11/dff_versosud28_programmheft-2022_WEB.pdf und auf der Webseite www.dff.film.
Tickets für alle Vorführungen können Sie ab sofort kaufen.

Abdruck dieser Einführung  mit freundlicher Genehmigung der Autorin und DFF

Wiederholungen der Vitti-Hommage
Samstag, 10.12. 20:00 Uhr L’ECLISSE
Mittwoch, 14.12. 20:30 Uhr LA RAGAZZA CON LA PISTOLA
Donnerstag, 22.12. 20:30 Uhr  IL DESERTO ROSSO
Montag, 26.12. 17:30 Uhr L’AVVENTURA
Mittwoch, 28.12. 20:30 Uhr DRAMMA DELLA GELOSIA
Freitag, 30.12.18:00 Uhr LA NOTTE