Ennio online3VERSO SUD 28, das Festival des italienischen Films im Deutschen Filminstitut und Filmmuseum Frankfurt (DFF), Teil 12

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diesmal hat VERSO SUD die Nase vorne, denn dieser italienische Film über den berühmten Komponisten, der mit der Filmmusik zu SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD , Regie Sergio Leone, 1968, weltweit Kult wurde, läuft in den deutschen Kinos erst am 22. Dezember an. Sonntagmittag lief er im Kino des Filmmuseums und morgen, am Dienstag , 6. Dezember um 20.15 h wird ENNIO wiederholt. Man sollte dies nutzen.

Im Ernst, völlig verblüfft kam ich nach 150 Minuten Kino aus dem Saal, weil ich noch stundenlang hätte zuschauen und vor allem zuhören können. Es geht einem das Herz auf, wenn man bestimmte Filmmelodien wieder hört und erst recht, wenn man mitbekommt, was man bisher alles nicht gehört hatte, aber sofort hören möchte. Und – was mir selten passiert -  ich bedauerte zutiefst, daß ich mich nicht darum bemüht hatte, Ennio Morricone und sein kompositorisches Werk umfassend vor seinem Tod kennengelernt zu haben. Ich bin sicher, daß es anderen Zuschauern dieses wunderbaren Films genauso geht und man zumindest bald eine CD der in diesem Film gespielten Ennio-Musik bekommt.

Wie er, der am 10. November 1928 in Rom Geborene, zu dem wurde, was er dann bis zu seinem Tod – ein Sturz mit Oberschenkenhalsbruch und tödlichen Folgen - am 6. Juli 2020 in Rom blieb: ein bedeutender Komponist, Dirigent und als Filmkomponist von über 500 Filmen auch Oscarpreisträger, schildert der Film derart intensiv, daß man gebannt auf die Leinwand schaut, was dieser Teufelskerl nun schon wieder auftut, denn er war wirklich unaufhörlich produktiv. Er liebte die Musik! Das wird aus jeder Szene deutlich, immerhin konnte der Regisseur auf Gespräche mit ENNIO von 44 Stunden bauen, die den Film grundsätzlich als besonders authentisch erscheinen lassen. 

Der Film spricht nicht darüber, erklärt seine unglaubliche Schaffenskraft – was das  heißt, allein die Filmmusik von fünfhundert Filmen, ab den Sechzigern je 15 Filme pro Jahr und das ohne die anderen, ihm wichtigeren Kompositionen! -, erklärt also seine Dynamik und Kreativität nicht weiter, sondern stellt sie dar, aber der Zuschauer muß einfach in Ennio Morricone einen sehen, dessen für ihn eigentliches Talent als zeitgenössischer Komponist von dem, der ihm Lehrer und Vorbild war: Goffredo Petrassi, nicht ausreichend anerkannt wurde, was ihm lebenslang wie ein Stachel im Fleisch antrieb, es dem Meister doch zu zeigen. Dieser wurde selbst am Conservatorio di Santa Cecila  ausgebildet, deren Akademiemitglied er später wurde und dort die Meisterklasse für Komponisten abhielt, in der Morricone sein Schüler wurde – und auch nach dem Abschluß zeitlebens blieb. Er war es auch, der Ennio zu den „Internationalen Ferienkursen für Neue Musik“ in Darmstadt mitnahm, dem Mekka der Avantgardisten, wo er Luigi Nono, John Cage, Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen u.a. kennen- und schätzen lernte. Auf diesem Level fühlte sich Morricone zugehörig, was durch seine Erfolge mit Filmmusik lange konterkariert wurde.

Aber diese, für einen echten Komponisten schon schmerzhafte Situation für etwas Lorbeeren zu erhalten, was einem weniger wert ist, und nicht genügend wahrgenommen zu werden, wo man sich zugehörig fühlt, hat Ennio zum Besten gewandelt. Zudem war er persönlich überaus glücklich mit seiner Frau und vier Kindern, hatte also eine Basis, aus der heraus er – wie es heißt – unermüdlich schaffen konnte. Dabei gelang ihm, Neue Musik einschließlich Zwölftonmusik melodisch mit italienischen Weisen, ja mit Volksmusik zu vereinen.

Man hat den Eindruck, daß sich Regisseur Giuseppe Tornatore bei seiner Hauptfigur – der Film wurde im Todesjahr 2020 fertig – viel abgeguckt hat. Denn erstens geht es auch im Film rasant zu, eine Einstellung, ein musikalischer Inhalt, eine Information nach der anderen und alles integrierend in das Bild eines Mannes, vor dem ich am Schluß den nicht vorhandenen Hut ziehen möchte und mir fest vornehme, Morricones klassische serielle Kompositionen endlich zu würdigen – aber mir auch mindestens eine CD der Filmmusik zu gönnen. Und mich auf die DVD des Films schon zu freuen – denn so viel Gehalt und so viel Musik möchte ich noch mal in Ruhe genießen.

Foto: 
©Verleih

Info:
VERSO SUD
28. Festival des italienischen Films | 25.11.-7.12.2022
Das gesamte Programm finden Sie im PDF des Festivalkatalogs https://www.dff.film/wp-content/uploads/2022/11/dff_versosud28_programmheft-2022_WEB.pdf und auf der Webseite www.dff.film.
Tickets für alle Vorführungen können Sie ab sofort kaufen.

Wiederholungen der Vitti-Hommage
Samstag, 10.12. 20:00 Uhr L’ECLISSE
Mittwoch, 14.12. 20:30 Uhr LA RAGAZZA CON LA PISTOLA
Donnerstag, 22.12. 20:30 Uhr  IL DESERTO ROSSO
Montag, 26.12. 17:30 Uhr L’AVVENTURA
Mittwoch, 28.12. 20:30 Uhr DRAMMA DELLA GELOSIA
Freitag, 30.12.18:00 Uhr LA NOTTE

WIEDERHOLUNG von ENNIO am Dienstag, 6. Dezember, 20.15 Uhr