Als Nachttipp von Donnerstag 22. auf Freitag 23. Dezember 2022 bei ZDF Neo
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Der 30jährige Jean (Pio Marmaï) kommt nach vielen Jahren Abwesenheit zum ersten Mal wieder in seine Heimat Burgund und auf das Weingut seines Vaters zurück. Jean hat Frankreich nach einem Streit mit seinem Vater verlassen, weil er nicht das Weingut übernehmen wollte, wie es sein Vater für ihn als ältesten Sohn gewünscht hat. Er hat in dieser Zeit als Globetrotter viele Weingegenden besucht und kommt nun aus Australien zurück, weil sein Vater (Eric Caravaca) im Sterben liegt.
Die Weinernte steht vor der Tür und seine jüngeren Geschwister, die 27jährige Juliette (Ana Girardot) und der 24jährige Jérémie (François Civil), können seine Hilfe bei der Ernte gut gebrauchen. Außer den Geschwistern ist da noch Marcel (Jean Marc Roulot), der schon seit vielen Jahren als fester Mitarbeiter auf dem Gut arbeitet. Jérémie ist mit Océanne (Yamèe Couture) verheiratet. Die beiden haben einen drei Monate alten Sohn und wohnen auf dem florierenden Weingut der Schwiegereltern, die sich regelmäßig in das Leben der jungen Familie einmischen.
Nach dem Tod des Vaters erfahren die drei Geschwister, dass sie das Weingut zu gleichen Teilen geerbt haben. Da das Gut etwa 6 Millionen Euro wert ist, müssen sie 500000 Euro Erbschaftsteuer bezahlen.
Zur gleichen Zeit beginnt die Weinernte und Juliette, die das Weingut gerne weiterführen möchte, muss lernen, Entscheidungen zu treffen, z.B. wann welche Traubensorten auf welchen Parzellen geerntet werden, wie sie anschließend behandelt werden, wie man sich bei den Erntehelfern Respekt verschafft und sich gegen den Nachbar Gerard wehrt, der regelmäßig versucht, ihre Weinstöcke abzuernten. Jean unterstützt Juliette bei den Streitereien, zwingt sie aber, dass sie die Entscheidungen treffen muss, die sich später regelmäßig als richtig herausstellen.
Jean lebt seit einigen Jahren mit seiner argentinischen Frau Alicia (María Valverde) und seinem etwa 5jährigen Sohn Ben als Winzer in Australien. Er steckt gerade in einer Beziehungskrise und hat sich mit seinem australischen Weingut verschuldet, das für australische Verhältnisse winzig aber deutlich größer als das seiner Familie im Burgund ist.
Während des ganzen nächsten Jahres bleibt Jean auf dem Weingut der Familie, in dieser Zeit müssen die Geschwister entscheiden, ob sie das Gut oder zumindest das Haus oder einige der Parzellen verkaufen, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können. Es kommen nicht nur regelmäßig Kaufinteressenten ins Haus, sondern auch Jérémies reicher Schwiegervater streckt seine Fühler aus, um ihnen besonders gute Lagen abzukaufen. Auch der ungeliebte Nachbar beginnt schon mal auf den von ihm beanspruchten Parzellen Gift zu spritzen, obwohl Juliette mit dem Bio-Anbau beginnen will.
Die gemeinsame Arbeit während des ganzen Jahres lässt die Geschwister wieder näher zusammenrücken und sie versuchen am Ende eine für alle drei vernünftige Lösung zu finden…
Der Film "Der Wein und der Wind", der im Originaltitel "Ce qui nous lie" zu Deutsch "Was uns verbindet" heißt, spielt nicht nur im Burgund, sondern der Regisseur Cédric Klapisch, der auch zusammen mit Santiago Amigorena das Drehbuch verfasst hat, hatte auch die Möglichkeit dort über alle vier Jahreszeiten auf dem Weingut des Schauspielers Jean-Marc Roulot zu drehen, auch um Zeit zu haben, damit er alle Stationen der Weinproduktion realistisch festhalten konnte. Roulot spielt im Film nicht nur die Rolle des langjährigen Mitarbeiters Marcel, sondern er fungiert auch als Berater. Während des Jahres folgt Klapisch daneben aber auch dem Beziehungsgeflecht und den Verletzungen der drei ungleichen Geschwister.
Der Regisseur spart auch ein großes Problem des Weinbaus im Burgund nicht aus: Die Bodenpreise in der Region explodieren. Die Weingüter sind in kleinste Parzellen aufgeteilt. Zwar gehört noch der Großteil der Parzellen mit den Weinbergen den Einheimischen, aber am Beispiel des Schwiegervaters wird gezeigt, wie dort versucht wird, die kleineren Winzer zu verdrängen. Auch werfen immer mehr ausländische Investoren ihre Augen auf die lukrativen Weinberge.
Cédric Klapisch, der in Deutschland vor allem durch seine Filme wie "L´Auberge espagnole" (2002) und seine zwei Fortsetzungen (2005 und 2014), "So ist Paris" (2008), "Mein Stück vom Kuchen" (2011), ″Einsam Zweisam″ (2019) sowie ″Das Leben ein Tanz (2022) bekannt geworden ist, zeigt in "Der Wein und der Wind" ein hervorragend gelungenes Porträt über den Weinanbau zwischen Tradition und Moderne.
Während des gesamten Films nimmt der Regisseur dabei die Sichtweise von Jean ein, der zwar wie seine Vorfahren Winzer wurde, aber auf keinen Fall im Burgund bleiben wollte und der auch während seiner Rückkehr auf das Gut klar sieht, dass er nach 10 Jahren Abwesenheit nicht mehr dahin gehört. Besonders gelungen sind dann auch Parallel-Montagen, wenn der Zuschauer Jean als Erwachsenen mit seinem Sohn Ben und Jeans Vater mit dem jungen Jean in den gleichen Situationen sehen. Daneben werden auch immer wieder Szenen gezeigt, in denen sich Jean an seine Jugend auf dem Weingut erinnert und wie er und seine Geschwister in die Weinherstellung und auch die Verkostung eingewiesen wurden.
Obwohl der Film Fiktion ist, wirkt er oftmals dokumentarisch. Da werden wahre Geschichten in den Plot eingearbeitet (z.B. die Probleme, wenn Töchter den elterlichen Betrieb übernehmen wollen). Auch beim Weinfest hat der Regisseur zuerst ein reales Fest beobachtet und danach durften die Erntehelfer sich selbst beim Fest nach Abschluss der Erntearbeiten spielen.
Im Film werden auch ganz unaufdringlich Beispiele für biologischen Weinbau und auch die Umweltprobleme in der Region gezeigt. Da weigern sich die Geschwister ihre Weinreben mit Pestiziden zu spritzen, während der Nachbar auf seinem Traktor mit Gasmaske und Schutzanzug zu sehen ist, wie er nicht nur seine Weinstöcke spritzt, sondern auch die Parzellen von anderen vergiftet.
Insgesamt ist "Der Wein und der Wind" auch dank der hervorragenden Darsteller ein sehenswerter und empfehlenswerter Film. Er ist ein absolut gelungenes Beispiel für das französische Erzählkino, das man sich auch zu sehr später Stunde im Fernsehen oder aber in der Mediathek ansehen kann.
Foto 1: Die Geschwister Juliette (Ana Girardot l.) Jean (Pio Marmaï, M.) und Jérémie (François Civil, r.) haben ein Weingut in Burgund geerbt © ZDF / Emmanuelle Jacobson-Roques
Foto 2: Marcel (Jean-Marc Roulot) kümmert sich schon seit Jahren um den Wein auf einem Gut in Burgund © ZDF / Emmanuelle Jacobson-Roques
Foto 3: Jean (Pio Marmaï, M.), seine Frau Alicia (María Valverde, r.) und Jeans Bruder Jérémie (François Civil, l.) feiern nach der Ernte auch ein Fest auf dem Weingut von Jérémies Schwiegervater © ZDF / Emmanuelle Jacobson-Roques
Info:
Der Wein und der Wind (Frankreich 2017)
Originaltitel: Ce qui nous lie
Genre: Tragikomödie
Filmlänge: ca. 110 Min.
Regie Cédric Klapisch
Drehbuch: Santiago Amigorena, Cédric Klapisch
Darsteller: Pio Marmaï, Ana Girardot, François Civil, Jean-Marc Roulot, Yamèe Couture, María Valverde u.a.
FSK: ab 6 Jahren
″Der Wein und der Wind ″ wird in der Nacht von Do. 22.12. auf Fr.23.12.2022 um 03:10 Uhr als Spielfilm Highlight bei ZDF Neo zu sehen sein. Ab dem 23.12.2022 ist die Tragikomödie auch in der ZDF Mediathek abrufbar.