Geheime Garten TV1Deutsche Free-TV Premiere am Freitag, 6. Januar 2023 im BR Fernsehen

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die 10jährige Mary Lennox (Dixie Egerickx) lebt 1947 während der Teilung und den damit verbundenen Unruhen in Indien. Sie ist ein recht verwöhntes Kind, das hauptsächlich von einer indischen Kinderfrau aufgezogen wird. Als ihre beiden Eltern während einer Cholera-Epidemie sterben wird die privilegierte und etwas überhebliche Waise zusammen mit anderen englischen Kindern per Schiff nach England und weiter mit der Eisenbahn nach Yorkshire geschickt, damit sie bei ihrem einzigen lebenden Verwandten - ihrem Onkel Archibald Craven (Colin Firth) - leben kann.



Mary wird von der unfreundlichen und wortkargen Mrs. Medlock (Julie Walters) am Schiff abgeholt und erhält unterwegs die Anweisungen, dass sie sich nicht im Haus herumtreiben darf. Misselthwaite Manor ist ein düsteres altes Herrenhaus in einer einsamen Gegend am Rande eines Moores in Yorkshire, das während des 2. Weltkrieges als Lazarett gedient hat und in dem das elektrische Licht immer mal wieder ausfällt.

Weder ihr Onkel, dessen verstorbene Frau Grace die Zwillingsschwester von Marys Mutter Alice war, noch Mrs. Medlock interessieren sich für das Kind. Sie hat eigentlich nur Kontakt zum Hausmädchen Martha (Isis Davis), die ihr allerdings klar macht, dass es nicht ihre Aufgabe ist, Mary als persönliches Kindermädchen zu dienen, wie die es von Indien her gewöhnt war.

Da sich niemand um das Mädchen kümmert, beginnt Mary sich in den vielen verschlossenen Zimmern im Haus umzusehen, außerdem stromert sie viel im nahegelegenen Wald und am Rande des Moores herum. Bei den einsamen Spaziergängen trifft sie auf einen streunenden Hund mit dem sie sich anfreundet. Eines Tages folgt Mary dem Hund und trifft auf eine mit Efeu bewachsene Mauer. Als sie über die Mauer klettert, findet sie dahinter einen riesigen verwunschenen und zugewachsenen Garten.

Bei ihren Erkundungen im Haus hört sie immer wieder Weinen aus einem der Zimmer. Als sie dann doch einmal hinter die Tür schaut, findet sie in einem Bett einen etwa gleichaltrigen Jungen, der sich als ihren Cousin Colin (Edan Hayhurst) herausstellt. Nach eigener Aussage hat er einen Buckel, ist gelähmt und wird bald sterben. Mary kann allerdings keinen Buckel feststellen und hält ihn auch sonst für etwas wehleidig.

Als das Mädchen den Hund aus einer Falle am Rande des Moors befreien muss, lernt sie auch Marthas jüngeren Bruder Dickon (Amir Wilson) kennen, der sich tagsüber in der Gegend herumtreibt. Gemeinsam beginnen die beiden Kinder den geheimen Garten zu erkunden, der seit zehn Jahren nicht mehr betreten worden ist. Durch ein Rotkehlchen, das Mary schon bei ihrer Ankunft zum ersten Mal gesehen hat, findet sie den Schlüssel zur Tür des Gartens und hinter einer Efeuwand auch eine Tür.

Mary und Dickon beschließen auch Colin in seinem Rollstuhl mit in den Garten zu nehmen. Durch Briefe, die Mary findet, erfahren die Kinder, dass Colins Mutter Grace den magischen Garten angelegt hat und dass sowohl Colin als auch Mary frühere Erinnerungen an diesen Garten haben.

Langsam entwickelt sich zwischen den drei Kindern und dem Hund, den sie letztendlich Hector nennen, eine Freundschaft. Gemeinsam entdecken sie eine farbenprächtige und magische Welt, die Mary hilft, ihre eigene Mutter besser zu verstehen, und die auch Colin dazu bringt, Selbstbewusstsein zu entwickeln und Versuche zu unternehmen, den Rollstuhl zu verlassen.

Doch was wird geschehen, wenn Mr. Craven dahinter kommt, dass die Kinder den geheimen Garten entdeckt haben und sich dort regelmäßig aufhalten?


Geheime Garten TV2Das von Jack Thorne verfasste Drehbuch zu "Der geheime Garten" beruht auf dem gleichnamigen klassischen Jugendroman von Frances Hodgson Burnett, der 1911 erstmals als Buch erschienen ist. Die Regie des Films hat Marc Munden übernommen.

Die Popularität des Buches ist vor allem in England und Amerika so groß, dass der Stoff bereits vier Mal fürs Kino verfilmt wurde. Zudem inspirierte die Geschichte des verwunschenen Gartens ein Broadway-Stück und vier Fernsehadaptionen. Die bekanntesten früheren Verfilmungen stammen von 1949 von Regisseur Fred M. Wilcox, in dem die Szenen im Garten in Farbe und außerhalb in schwarz/weiß gedreht wurden, und von 1993, bei dem Agniezka Holland Regie geführt hat und der u.a. von Francis Ford Coppola produziert wurde. Beide Kinofilme werden auch heute noch regelmäßig im Fernsehen gezeigt.

Der hier besprochene Film wurde allerdings in soweit geändert, dass die Handlung nicht - wie im Buch - zu Beginn des 20 Jahrhunderts, sondern direkt nach dem 2. Weltkrieg spielt. Dabei wurden aber die Probleme, die durch die Teilung Indiens und Pakistans aufgetreten sind, nur am Rande behandelt. Auch dass Misselthwaite Manor während des Krieges als Lazarett gedient hat, wird immer wieder kurz angesprochen. Außerdem sieht man, dass Mr. Craven immer wieder zurückgebliebene Gegenstände aus dem Haus wirft.

Wie schon vorher betont, nimmt sich die neue Adaption große Freiheiten bei der Erzählung heraus. So wird z.B. der Unfalltod von Cravens Frau in eine fortschreitende Krankheit umgewandelt, daneben wird der Garten zu einem magischen Ort aus Marys Fantasie, den nicht die Kinder wieder in Ordnung bringen, sondern in dem Pflanzen erblühen und im Handumdrehen wieder verwelken, je nachdem in welcher Stimmung Mary ist. Das macht den Garten unwirklich und zauberhaft, er ist dadurch eher ein mystisches Wunderland als ein gepflegter englischer Garten. Die Aufnahmen entstanden übrigens in vielen Gärten in England. Dass nicht alle Pflanzen echt sind, sondern im Computer entstanden sind, mag man kritisieren, es stört aber nicht, sondern unterstützt eher das Besondere und Mystische des Gartens.

Technisch ist der Film ganz sicher gelungen, denn da sind zum einen die zauberhaften, sonnen durchtränkten und lustvollen Aufnahmen des Gartens. Wenn Mary, Colin und Dickon zwischen halb verdorrten Blumen und riesigen Blättern entlanglaufen, und sich dabei die Blüten öffnen und farbenprächtige Landschaften entstehen oder plötzlich wieder verdorren, wird die Magie des Gartens auch für den Zuschauer spürbar. Natürlich hat der Garten auch einen Bach, einen Teich, in dem die Kinder baden, eine Ruine und einen geheimnisvollen Baum mit einer Schaukel, der in der Erinnerung von Mary eine große Rolle spielt. Dazwischen gibt es auch immer wieder kleine Szenen, in denen z.B. Äste Mary beim Klettern über die Mauer unterstützen oder Pflanzen, die sich in Richtung der drei Hauptfiguren bewegen.

Daneben taucht das Rotkehlchen immer wieder auf, dem man zwar die Herstellung im Computer anmerkt, das aber wie im Buch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat, denn Mary trifft den Vogel nicht nur bei ihren Ankunft, sondern durch das Rotkehlchen findet Mary auch den Schlüssel zum verborgenen Gartentor.

Neben dem sonnigen Garten spielen aber große Teile des Films im unwohnlichen, dunklen und kalten Herrenhaus und dessen genauso unfreundlicher Umgebung, z.B. im nahe gelegenen Moor mit den andauernden Nebelschwaden, die es dem Zuschauer unmöglich machen, in die Ferne zu sehen. Dazu gibt es viele düstere Szenen, die auch aus einem Horrorfilm stammen könnten, z.B. während Mary durch das Haus stromert. Der Film zeigt aber auch sehr ruhige Momente, in denen sich alle drei Kinder mit dem Thema Tod auseinandersetzen müssen, denn nicht nur Mary und Colin haben einen Verlust erlitten, sondern auch Dickons Vater ist verstorben.

"Der Geheime Garten" ist eine Story über die Trauer, wie sie uns verwundet und wie wir mit der richtigen Betreuung wieder zu einem lebenswerten Leben zurück kehren können. Dies kann Colin Firth als Archibald Craven deutlich besser darstellen als die jungen teilweise recht unerfahrenen Darsteller. Colin Firth hat seiner Rolle neben der Arroganz auch eine wunderbare Sensibilität verliehen. Er bietet mit wenig Dialog und nur in einer Handvoll Szenen dem Publikum einen tiefen Einblick in Archibald Cravens Trauer nur mit seinen Augen und einem gemurmelten Wort. Julie Walters spielt die Haushälterin Mrs. Medlock als kurz angebundene scharfzüngige Frau, die Kinder eigentlich überflüssig findet.

Die drei jugendlichen Darsteller machen ihre Sache gut, denn man nimmt ihnen sehr wohl die Entwicklungen ab und erkennt, dass auch die Kinder ihren Frieden gefunden haben, auch wenn sie noch nicht die schauspielerischen Fähigkeiten des Oscar-Preisträgers Colin Firth haben. Marys Probleme mit dem Tod ihrer Eltern werden eigentlich mehr durch ihre Träumereien über ihre Vergangenheit dargestellt, die immer wieder in den Filmverlauf eingestreut werden und die sich vor allem durch die leuchtenden Farben vom Rest des Films abgrenzen, die auch deutlich sonniger sind als die Farben des Gartens.

Dass neben der zeitlichen Einordnung auch das Ende des Romans geändert wurde, mag man negativ sehen, aber jeder Drehbuchautor und jeder Regisseur hat das Recht, den Film den Gegebenheiten und dem Zeitgeschmack anzupassen und manche Szenen etwas aufregender darzustellen. Vor allem die Wandlung der Charaktere am Ende ist dadurch doch etwas spektakulär geraten.

Regisseur Marc Munden nimmt den klassischen literarischen Jugendroman von Frances Hodgson Burnett zwar als Vorlage, interpretiert ihn allerdings in einem neuen filmischen Licht. Dabei adaptiert er die vor allem in angelsächsischen Ländern sehr bekannte Erzählung für eine neue Generation von jungen und älteren Zuschauern. Dadurch schafft es der Film - trotz einiger kleiner Längen - mit seinen visuell magischen Bildern, seiner von Herzen kommenden Sentimentalität und seinen thematischen Schwerpunkten bezaubernd zu wirken.

Geheime Garten TV3Die Literaturverfilmung wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet, da die magische Welt der Vorlage perfekt in die Filmsprache übersetzt wird. Dabei sind die Figuren ambivalent gezeichnet, denn keiner der Charaktere ist wirklich böse oder eindeutig gut, es gibt kein Schwarz und Weiß und die Konflikte der Kinder werden ernst genommen.

Insgesamt ist "Der geheime Garten" ein gelungener Jugendfilm, der die düsteren Seiten nicht auslässt und sie auch für Kinder verständlich verpackt. Das macht den Film auch zu Hause zum nachmittäglichen Fernsehgenuss für die ganze Familie..

Foto 1: Mary (Dixie Egerickx) entdeckt den geheimen Garten © Studiocanal GmbH
Foto 2: Dickon (Amir Wilson) © Studiocanal GmbH
Foto 3: Colin Craven (Edan Hayhurst) © Studiocanal GmbH

Info:
Der geheime Garten (Großbritannien 2020)
Originaltitel: The Secret Garden
Genre: Literaturverfilmung, Drama, Fantasy, Kinder- und Familienfilm
Filmlänge: ca. 99 Min.
Regie: Marc Munden
Drehbuch: Jack Thorne nach dem gleichnamigen Roman von Frances Hodgson Burnett (1911)
Darsteller: Dixie Egerickx, Edan Hayhurst, Amir Wilson, Colin Firth, Julie Walters, Isis Davis u.a.
FSK: ab 6 Jahren
Die aufwendige und prominent besetzte Verfilmung wird als deutsche Free-TV Premiere am Fr. 06.01.2023 um 14:20 Uhr in Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt. Anschließend ist ″Der geheime Garten″ noch für 30 Tage in der ARD Mediathek abrufbar.