Neu auf DVD, Blu-ray und 4 K Ultra HD Steelbook ab dem 26. Januar 2023
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In einer nicht allzu entfernten Zukunft sind die Ökosysteme auf der Erde zusammengebrochen, da die Menschen versuchten, die ökologische Krise durch massive Investitionen in Gentechnologien zu verhindern. Durch die vielen künstlich hergestellten Viren und anderen Organismen, die freigesetzt wurden, wurden die meisten Populationen von Menschen, Tieren und essbaren Pflanzen ausgelöscht. Es entstand in großflächigen Gebieten ein Ökosystem, das für die Menschen giftig und gefährlich ist.
Während die normalen Menschen auf der unfruchtbaren Erde ein kärgliches Dasein führen, lebt die Oligarchie in Zitadellen genannten geschlossenen Städten. Sie profitieren von den neuesten Fortschritten in der synthetischen Biologie. Die Arbeitskräfte dort sind nicht normale Menschen, sondern Jugs, genetisch geschaffenen Wesen, die wie echte Menschen aussehen, aber nur über eine begrenzte Gehirnkapazität verfügen und ihren Herren absolut hörig sind.
Die Menschen außerhalb der Zitadellen müssen patentiertes, gentechnisch verändertes Saatgut aus den Zitadellen kaufen, denn nur das kann unter den herrschenden Umweltbedingungen gedeihen. Es muss mit dem Blut ihren Kinder bezahlt werden, womit Hormone produziert werden, da die angeblich lebensverlängernd wirken sollen.
Die 13jährige Vesper (Raffiella Chapman) lebt mit ihren gelähmten Vater Darius (Richard Brake) allein, ihre Mutter hat die Familie vor einiger Zeit verlassen. Durch einer Drohne, die mit seinem Gehirn verbunden ist, kann Darius seine Tochter auf ihren Streifzügen außerhalb ihrer Hütte begleiten und ihr mit Rat zur Seite stehen, dem sie aber häufig nicht folgt.
Vesper sucht nicht nur nach essbaren Raupen, sondern sie versucht in ihren kleinen Labor exotische, ungiftige Pflanzen zu entwickeln. Sie hofft, dass sie damit ein Chance hat, zu den Zitadellen aufsteigen zu können.
Als Vesper wieder einmal durch den Wald stromert, beobachtet sie, wie ein Gleiter aus den Zitadellen abstürzt. Sie findet eine junge blonde verletzte Passagierin (Rosy McEwen) im Wald, nimmt sie mit nach Hause und versorgt dort ihre blutenden Verletzungen mit einer selbst entwickelten Gaze.
Die junge Frau, die sich Camellia nennt, sucht nach ihrem Vater, der mit ihr zusammen abgestürzt ist. Vesper zeigt Camellia alle ihre Erfindungen und Entwicklungen und will versuchen bei ihrem Onkel Jonas (Eddie Marsan), der als einiger in der Gegend ein Funkgerät besitzt, die Zitadelle zu erreichen.
Doch Jonas, der auf seinem Hof über eine Schar von Kindern und Jugendlichen herrscht und dem jedes Mittel recht ist, um selbst so gut wie möglich über die Runden zu kommen, spielt ein falsches Spiel. Er tötet Camellias Vater und ruft von sich aus die Soldaten aus der Zitadelle.
Vesper ahnt nicht, wen sie da aus dem Gleiter gerettet hat, denn Camellia hütet ein Geheimnis, das nicht nur sie selbst, sondern alle, die von ihr wissen und mit ihr zu tun haben, in große Gefahr bringt. Doch Vesper kennt sich mit den gefährlichen Gewächsen des Waldes aus und so beginnt ein Katz- und Maus-Spiel mit den Soldaten aus der Zitadelle…
"Vesper Chronicles" ist eine litauische, französische und belgische Koproduktion. Für die Regie verantwortlich sind die litauische Regisseurin Kristina Buozyte und der Franzose Bruno Samper, die auch zusammen das Drehbuch verfasst haben und die bereits früher schon zusammen gearbeitet haben.
Gedreht wurde von März bis Mai 2021 in der Nähe von Vilnus in Litauen. Dort ließen die Set Designer und Kameramann Feliksas Abrukauskas eine zerstörte Welt entstehen, in der kaum etwas wächst außer genetisch veränderte Pflanzen. Dazu musste der reale Wald selbst noch kahl sein und sich noch nicht frühlingshaft verändert haben.
Dadurch wurde eine dystopische Welt erschaffen, in der es zwar viele Pflanzen und auch Tiere gibt, die aber durch Genmutationen sehr giftig, gefährlich und ungenießbar geworden sind. Dafür wurden als Vorlagen reale Tiere (wie Meeresschnecken) und Pflanzen genommen, die dann aber leicht verändert und der Umwelt angepasst wurden. Viele dieser Pflanzen wie die leuchtend bunten Sumpfblumen oder das rote Feuergras wirken wie Farbkleckse in einer sonst tristen Umgebung, so als wollten die Pflanzen mit ihren Farben auf ihre Giftigkeit aufmerksam machen. Neben den Pflanzen gibt auch lange Würmer, die aus dem Boden schauen und sich um alles wickeln, was ihnen zu nahe kommt.
Die wenigen menschlichen Überlebenden leben in einer extremen Form der Klassenteilung. Da gibt die Bewohner und Bewohnerinnen der Zitadellen genannten Städte, die wohl nicht nur jeden Luxus haben (und die im Film nicht gezeigt werden) und die sich als Arbeitskräfte die nicht allzu intelligente künstlich erschaffene Jugs halten, während der Rest der Menschheit, um die kläglichen Reste kämpfen müssen.
Diese Art der Klassenteilung ist nicht neu, sondern wurde bereits in der letzten Zeit bei einigen anderen dystopischen Science-Fiction Filmen benutzt, wie bei ″Snowpiercer″ (2013) mit den vorderen Zugabteilen der Reichen, bei ″High-Rise″ (2015) mit den obersten Stockwerken, bei ″Alita: Battle Angel″ (2019) mit den Städten Iron City und Zalem oder bei der vierteiligen Filmreihe ″Die Tribute von Panem″ (2012 - 2015), bei denen das Publikum des Kapitols dem tödlichen Wettkampf der jungen Leute aus den Distrikten direkt und die übrige Bevölkerung via Fernsehen zuschaut.
Zentrum des hier besprochenen Films ist die junge Vesper wunderbar zurückhaltend gespielt von der zur Drehzeit 13jährigen Raffiella Chapman, die schon in Filmen wie ″Die Entdeckung der Unendlichkeit″ (2014) und ″Die Insel der besonderen Kinder″ (2016) mitgespielt hat.
Vesper unterhält eine innige Beziehung zu ihrem gelähmten Vater, den sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aufopferungsvoll pflegt. Daneben ist sie weit über ihr Alter hinaus selbstbewusst und abgehärtet, aber sie ist auch neugierig und hat sich eigenständig erstaunliche wissenschaftliche Fähigkeiten angeeignet, so kann sie in ihrem kleinen Labor hervorragend mit mutierten Pflanzen umgehen. Dort experimentiert Vesper unermüdlich, damit sie sich und die andern Bewohner vom Saatmonopol der Reichen und von der Kontrolle der Zitadellen befreien kann. Der kleine Garten ist ein farbiger Kontrast zu der tristen grauen Umgebung.
Eddie Marsan spielt Vespers Hauptwidersacher, ihren Onkel Jonas, den Anführer einer benachbarten Siedlung, gekonnt gefährlich, denn er hat Kontakt zur Zitadelle und eine gewaltbereite Gruppe Jugendlicher unter seiner Fuchtel. Er ist ein bedrohlicher und undurchsichtiger Gegenspieler, dem jedes Mittel recht ist, um selbst so gut wie möglich über die Runden zu kommen.
Die dritte zentrale Person ist Camellia, gespielt von Rosy McEwen. Camellia sucht zu Beginn nur nach ihrem mit ihr verunglückten Vater, der wohl die einzige Person war, mit der sie bisher Kontakt hatte. Erst im Laufe des Films lernt sie eine eigenständige Person zu werden und erst langsam lernt auch der Zuschauer, wer oder was sie ist und welches brisante Geheimnis sie in sich trägt.
″Vesper Chronicles″ ist ein ungewöhnliches und warmherziges Coming-of-Age Endzeitmärchen über Hoffnung und Freundschaft in dunklen Zeiten, aber der Film erzählt auch vom Loslassen und von der Emanzipation der beiden weiblichen Hauptcharaktere. Der Science-Fiction Film zeigt dabei beim Design eine bemerkenswerte Kreativität. So sieht man zwar die litauischen Wälder und Sümpfe, dort haben sich aber neue Pflanzenarten und Würmer und anderes Getier angesiedelt, die vermutlich andauernd auf der Suche nach Beute sind. Die beiden Regisseure Kristina Buozyte und Bruno Samper haben eine eigene und neuartige Welt geschaffen, in der man ganz sicher nicht leben aber in die man gerne tiefer eintauchen möchte und die man noch länger in Erinnerung behält. Deshalb würde man gerne mehr von dieser geheimnisvollen Welt erfahren. Das alles macht das dystopische Drama im Home-Entertainment unbedingt sehenswert.
Zusatz: Die beiden Regisseure erzählen während des Interviews auf der Disc, dass sie Vespers Welt gerne erweitern würden, da Vesper ihre engere Umgebung verlassen soll. Man kann nur hoffen, dass ″Vesper Chronicles″ genug Interesse beim Publikum findet, dass es eine Fortsetzung geben kann.
Foto 1: Cover Blu-ray © Plaion Pictures
Foto 2: Raffiella Chapman als Vesper © Plaion Pictures
Foto 3: Rosy McEwen als Camellia © Plaion Pictures
Foto 4: Eddie Marsan als Jonas © Plaion Pictures
Info:
"Vesper Chronicles" ist ab dem 26.01.2023 als DVD, Blu-ray und 4K Ultra HD Steelbook im Handel verfügbar. Das Science-Fiction Abenteuer ist bereits am 21.12.2022 als EST und TVOD erschienen.
Die Blu-ray Disc enthält eine deutsche und englische Sprachfassung in DTS-HD MA 7.1. Die Untertitel sind in Deutsch. Das Bildformat ist 1920x1080. Die BD enthält keine deutsche Hörfilmfassung.
Extras auf der Blu-ray sind (in Englisch mit deutschen Untertiteln):
Interview mit den Regisseuren Kristina Buozyte & Bruno Samper (23:17)
Behind the Scenes - Dreh-Tagebuch (11:00)
--- 22. März - 14. Mai 2021 bei Vilnus, Litauen
Die Welt von Vesper Chronicles (7:05)
--- Wing glider
--- La forêt
--- Le laboratoire de Vesper
--- Le jardin de Vesper
--- La serre de Jonas
--- Le vieux labo
--- Le soldats de la Citadelle
--- Le village de Pèlerins
Englischer Kino-Trailer (1:56)
Vesper Chronicles (Litauen / Frankreich / Belgien 2022)
Originaltitel: Vesper
Genre: Science-Fiction, Drama, Abenteuer
Filmlänge: ca. 114 Min.
Regie: Kristina Buozyte & Bruno Samper
Drehbuch: Kristina Buozyte & Bruno Samper
Darsteller: Raffiella Chapman, Eddie Marsan, Rosy McEwen, Richard Brake u.a.
Verleih: Plaion Pictures
FSK: ab 16 Jahren