Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag, 2. Februar 2023, Teil 10
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – DIE FRAU IM NEBEL des koreanischen Erfolgsregisseurs (Die Taschendiebin, Oldboy) Park Chan-Wook gehört zu den Filmen, die man im Anschluß an das Schauen gleich noch einmal sehen möchte, weil man sich beim Schauen sehr wohl fühlte, auch die Haupthandlung gut verstanden hat und doch ein Rest, ein großer Rest von Irritation bleibt, was man da eigentlich gesehen hat. Ist Song Seo-rae (Tang Wei) eine Mörderin, gar eine kaltblütige oder nur in unglückliche Situationen geraten.
Vermutlich wüßten wir auch nach dem zweiten und dritten Mal Schauen nicht mehr, denn es gehört zur Raffinesse des Filmemachers, daß er uns einerseits Wirklichkeit vorgaukelt, aber immer eine Spur von Fragezeichen mit vermittelt. Da haben wir den Kommissar Jang Hae-jeon (Park Hae-Il), der zu der Sorte moderner Mann gehört, den der Japaner Haruki Murakami gerne in den Mittelpunkt seiner Romane stellt: zivilisiert, kein Macho, ernsthaft, arbeitsam, aber voller Sehnsucht nach mehr. Daß der Regisseur, der auch das Drehbuch, seine Idee, mitschrieb, dann ausgerechnet Kommissar Martin Beck als Vorbild benennt, hat schon etwas Komisches. Denn der ist die Erfindung des schwedischen Ehepaares Maj Sjöwall und Per Wahlöö in den Siebziger Jahren, der leicht muffelig allein lebt, aber sich als Leiter der Stockholmer Kriminalpolizei als unbestechlicher Sachwalter der kleinen Leute kaputtarbeitet, weil er weiß, daß schlimme soziale Verhältnisse Verbrechen generieren.
Just das Gegenteil finden wir hier vor. Ein Mann ist von einer Kletterwand in den Tod gestürzt. Der Finanzbeamte galt als guter Kletterer. Der Kommissar gibt sich nicht mit Äußerlichkeiten zufrieden, wie der zerborstenen Rolexuhr, er steigt mit Seil sogar selbst hinauf. Doch er findet keinen Anhaltspunkt, der von anderem als einem Unfall kündet. Bis auf die Witwe. Die schöne und junge Song Seo-rae scheint seltsam unbeteiligt. Und schon ist er mittendrinnen, eingesponnen in den Fäden der Schönen, die ihre Anziehungskraft gerade daraus zieht, daß sie sich nicht aufdrängt, sondern zurückhaltend agiert. Und auch als er herausfindet, daß sie, eine Kranken- und Altenpflegerin schon zuvor ihrer Mutter beim Sterben geholfen hat, und daß sie kein Alibi hat, weil sie geschummelt hat, zur Tatzeit bei der alten Dame gewesen zu sein, da vernichtet der Kommissar diese Beweise.
Da kommt der Kommissar also ganz schön ins Schwimmen, er ermittelt und ermittelt, ein Teil von ihm weiß genau, was Sache ist, ein anderer möchte die Witwe unschuldig sehen. Ach ja, dazu gehört ja noch seine Ehefrau. Die beiden führen eine moderne Ehe, darauf bezogen, daß beide die Woche über weit entfernt von einander arbeiten – man muß sich dazu die fast calvinsche koreanische Arbeitssucht hinzudenken - und sich nur am Wochenende sehen. Da bleibt für den Kommissar viel Zeit für Phantasien, für Sehnsüchte.
Und nun foppt uns Park Chan-Wook erneut. Er läßt den Fall einfach offen, d.h. da keine Anklage gegen die Witwe erhoben wird, da keine Beweise vorliegen, wird der Fall, der keiner ist, zu den Akten gelegt. Und der sehnsüchtige Kommissar und die undurchsichtige Witwe? Nix da, keine Erwartung wird erfüllt, stattdessen aber eine nachdenklich machende Schlußsequenz, die es in sich hat. Ein Jahr drauf begegnet der Kommissar der Witwe erneut. Er geht mit seiner Frau spazieren und trifft auf die, die keine Witwe mehr ist, sondern mit dem nächsten Ehemann unterwegs ist. Der wird am nächsten Tag ermordet aufgefunden...
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Info:
Stab
Regie PARK CHAN-WOOK
Drehbuch CHUNG SEO-KYUNG,
Darsteller
Song Seo-rae TANG WEI
Jang Hae-joon PARK HAE-IL
Jung-an LEE JUNG-HYUN
Soo-wan GO KYUNG-PYO
Ho-shin PARK YONG-WOO
Yoo Mi-ji JUNG YI-SEO