Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. Februar 2023, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Für mich kann es gar nicht genug Filme über die ungeheuerliche Menschenvernichtung der Nazis geben, die in deutschem Namen ihre eigenen Mitbürger umbrachten, denn auch Anne Frank war dereinst aus Frankfurt am Main nach Amsterdam geflohen, wo sich ihre Familie lange verstecken konnte, bis sie durch Verrat dann doch erst in Holland interniert, dann ins KZ Bergen-Belsen deponiert wurde, wo sie im Februar 1945 wahrscheinlich an Fleckfieber starb.
Wenn nun also ein neuer Film Anna Frank ins Gedächtnis ruft, ist das immer gut. WO IST ANNE FRANK versucht auf zwei Arten einen neuen Weg:
- Hauptfigur wird die eigentlich imaginäre KITTY, die Anne Frank sich in ihrem Tagebuch erschrieben hat.
- Ari Folman, durch seine eindrucksvolle Graphic Novel WALTZ WITH BASHIR berühmt geworden, hat nun auch hier zusammen mit dem ukrainischen Comiczeichner David Polonsky Kittys Suche im Anne-Frank-Museum nach Anne Frank herself in bewegte Bilder gebracht.
Natürlich fragen sich die, die sowohl Anne Frank wie auch die vielen Verfilmungen über sie in Verbindung mit ihrem Tagebuch kennen, warum eine fiktive Kitty erfunden werden muß, die ziemlich verwegen, aber auch seltsam nach Anne und ihrem Tagebuch sucht. Das geht damit los, daß sie im Anne-Frank-Museum über Nacht eingeschlossen wird und im Tagebuch liest. Das wird sie immer wieder tun. Aber tagsüber ist sie dort im Museum nicht sicher, denn es läuft vor Besuchern über. Witzig, wie manche Kommentare im Film die Dusseligkeit vieler Besucher markieren, ohne sie völlig zu denunzieren. Aber, welcher Humbug mit dem Namen von Anne Frank auch gemacht wird, wird dezent erfahrbar.
Wir wollen die Geschichte nicht in allen Details nacherzählen, wie sich die Suche von Kitty nach Anne konkret in den vielen Episoden gestaltet, sondern lieber auf die Struktur hinweisen und von den Zeichnungen sprechen. Mit Struktur ist gemeint, daß Kitty das unvollendete Tagebuch zum Anlaß nimmt, nach der Schreiberin zu suchen. Und völlig verschiedene Antworten erhält. Denn jeder kennt den Namen in Amsterdam und auch in anderen Städten gibt es Anne-Frank-Straßen oder Plätze, sogar Skulpturen und so viel Memoria, das dahinter die Geschichte der echten Anne Frank verschwindet, von den Devotionalien im Museum selbst ganz abgesehen, von denen das Tagebuch das wichtigste ist. Deshalb nimmt es Kitty an sich. Sie kann den Rummel und das ganze Getue nicht leiden, denn sie vermißt die Frage nach der echten Anne.
Das ist eine gute Idee, denn dadurch ergibt sich für den Weitergang einfach ein neuer Aspekt, wenn das Gedenken an Anna Frank zu sehr Schablone, zu sehr ritualisierte Besichtigung geworden ist. Um auf die eigentliche Flüchtlingssituation Annes einzugehen, nimmt der Film die heutigen Flüchtlinge, die kein Aufenthaltsrecht haben und abgeschoben werden sollen, zum Anlaß, daß Kitty deren Probleme als die von Anne erkennt und eine waghalsige Sache in Gang setzt. Sie klaut das Tagebuch und wird erst gegen die Aufenthaltsbewilligung der Flüchtlinge das Buch ans Museum zurückgeben.
Auch, wenn uns manches am Film und der Handlung nicht gefällt, ehren wir die Absicht und den Versuch, den Massenmord der Nazis durch das Schicksal der Anne Frank lebendig zu halten.
Foto:
©Verleih
Info:
Stab
Drehbuch und Regie Ari Folman
Produziert von Jani Thiltges
Produzenten Yves Kugelmann & Ari Folman
Darsteller
Sarah Tkotsch Kitty
Anni C. Salander Anne Frank
Jaron Müller Anne’s Peter
Oliver Szerkus Kitty’s Peter