Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - „Ich freue mich hier zu sein, denn die Berlinale ist das schönste Festival der Welt“, bekannte Steven Spielberg, als er mit dem goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. „Dafür muss ich wohl einiges richtig gemacht haben“, fügte er lächelnd hinzu.
Das gilt auch für das Leitungs-Team des 73. Filmfestivals in der Hauptstadt, obwohl die Kritik zum Beginn der Berlinale wie immer riesig war. Einiges wurde wohl richtig gemacht, denn es liefen in sämtlichen Sektionen etliche gute Filme, alle Vorstellungen waren meist ausverkauft und insgesamt wurden 120 Minuten Standing Ovations gezählt.
Die am Samstag im großen internationalen Contest vergebenen acht Gold- und Silberbären sind nicht DIE Berlinale, das muss man immer wieder betonen. Denn darüberhinaus wurden zahlreiche Filme aus anderen Sektionen offiziell prämiert, außerdem vergaben das Publikum, mehrere Zeitungen und unabhängige Komitees ihre Preise.
Selten machen die Jurys des großen Wettbewerbs der Berlinale alles richtig. Bereits Festivalleiter Carlo Chatrian meinte vorab, „man muss sich klar machen, das sind subjektive Entscheidungen.“ Auch das diesjährige Preiskomitee unter Leitung der jungen Schauspielerin Kristen Stewart gab - wie erwartet - ein abenteuerliches Votum ab. Doch durch den „Großen Preis der Jury“ ist Christian Petzolds Werk „Roter Himmel“ natürlich zu recht der beste Spielfilm.
Die schauspielerischen Leistungen der Transfrau Thea Ehre in ihrer Nebenrolle im deutschen Thriller „Bis ans Ende der Nacht“ und der achtjährigen Sofía Otero als Junge im falschen Körper in „20000 Especies “, überzeugten nicht nur die Jury. Gerade Leute, die mit dem Wirbel um Transmenschen wenig zu tun haben, wurden durch die Akteurinnen herausgefordert. Denn Sofía weckt, ganz ohne Kitsch, mit ihrer Rolle großes Verständnis: „Kann ich nicht sterben und als Mädchen wiedergeboren werden?“ Dieser Film ist der eigentliche Gewinner des Publikumsfestivals, denn er bekam in der Sektion Wettbewerb die meisten Auszeichnungen von unabhängigen Jurys, dem Publikum und den Lesenden zweier Zeitungen.
Der offizielle Hauptgewinn war ein als Goldener Bär getarnter Sozialpreis für „Sur l’Adamant“. Zwar ist es auch nach 50 Jahren Psychiatrie Enquete in Deutschland wichtig, sich für das Verständnis psychisch kranker Menschen einzusetzen. Aber ihn mit einem ersten Preis (!) in einem internationalen Filmfestival auszuzeichnen, ist cineastisch nicht gerechtfertigt.
Prämiert wurden einige uninteressante Streifen, in denen wenig Kino stattfand aber man viel redete. Stattdessen hätte das Preisgericht das bildgewaltige australischen Werk „Das Überleben der Freundlichkeit“ und zwei asiatische bzw. US-amerikanische Publikumserfolge wählen können. Dadurch wäre die völlig unnötige Dominanz des europäischen Kinos vermieden worden: Der japanische Anime „Suzume“ überzeugte auch Feinde solcher Trickfilme und das behutsame koreanisch-amerikanische Beziehungsdrama wie „Past Lives“ zwischen drei Menschen, kennen viele Zuschauende sicher bereits selber…
Politisch war die Berlinale allemal, im Kalten Krieg hatte sie ja auch ihren Ursprung als Freiheitssymbol im von Russen umzingelten Berlin. Wolodymyr Selenskyj, der Präsident der Ukraine, wurde zur Eröffnung zugeschaltet. Viele Streifen widmeten sich den Menschen und ihrem Alltag in dem leidenden Land. Iranische Filmschaffende sind in Berlin seit jeher mit ihren Werken vertreten, vom globalen Süden muss man der Berlinale nichts erzählen. Die Perserin Golshifteh Farahani war in der Jury, zahlreiche Filme wie der vielfach prämierte „Sieben Winter in Teheran“, setzten sich mit der Situation der Frauen im Iran auseinander.
Überhaupt die Frauen, auch sie waren wieder die Gewinner dieser Berlinale. Schon lange waren sie als Filmschaffende - in allen Bereichen mit etwa einem Drittel - stärker als bei anderen großen Filmfestivals vertreten. In diesem Jahr sind zwar die nicht-binären Menschen dazu gekommen, aber die Frauenanteile noch größer geworden.
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Oben: Preisverleihung, übertragen ins Pressezentrum © Hanswerner Kruse