23. goEast Filmfestival vom 26.April bis 2. Mai in Wiesbaden, Teil 2
Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) - Wenn es dieses Festival nicht schon gäbe, müßte es nach dem Überfall Rußlands auf die Ukraine erfunden werden, denn spätestens seit diesem Krieg liegen auch unsere Versäumnisse, die West- und Mitteleuropas dicht vor unseren Augen. Es ist doch absurd, daß wir zu Zeiten des Kalten Krieges besser über die Teilstaaten der damaligen UdSSR Bescheid wußten, als nach deren Unabhängigkeit nach dem Zerfall der Sowjetunion. Damals gab es einen kulturellen Austausch, es wurde sowohl die offizielle sowjetische Kunst und Kultur wie auch die Untergrundkultur, in der Literatur Samisdat, wahrgenommen und hier kommentiert.
Der Krieg in und gegen die Ukraine führt zumindest dazu, daß die Literatur häufiger übersetzt und in den Buchhandlungen erwerbbar ist. Aber Kunst, d.h. die Künstler? Ein Fiasko. Musiker, Sänger? Nur die, die sich auf den internationalen Bühnen durchsetzen. Filme? Fast gar nicht und das betrifft alle ehemaligen Ostblockstaaten, schon Tschechien, Polen, einst als Filmland ein Geheimtip, noch nicht einmal diese Nachbarn werden hier wahrgenommen, während die westlichen Nachbarn, Frankreich und England gut vertreten sind, in allem aber: Film, Literatur, Kunst, Pop Bands und Gesang die USA auch hier den Ton vorgeben.
Warum das so gekommen ist, ist eine andere Frage. Heute geht es darum, wie wichtig auf diesen Hintergrund das Filmfestival goEast ist.Teilnehmende Länder, d.h. woher Produzenten, meist auch die Regisseure der 110 Festivalfilme kommen, sind: Ungarn, Polen, Ukraine, Litauen, Kasachstan, Lettland, Serbien, Slowenien, Kroatien, Tschechien, Slowakei, Kirgisistan sowie als Kooperationspartner Italien, Frankreich, Schweden, Norwegen, Japan und die Niederlande. Ein einziger Film kommt aus Rußland und das ist der politischen Situation geschuldet, denn fast überall wird die Produktion von Filmen durch staatliche Stellen gefördert. Dies aber unterliegt grundsätzlich den EU-Sanktionen, ganz abgesehen davon, wie die Filme sind und ob man ihnen die Förderung ‚ansieht‘.
Der einzige russische Film heißt MANIFESTO aus dem Jahr 2022 und ist eine Social-Media-Montage, Regie Angie Vinchito, gezeigt im Caligari am 1. Mai und im Apollo am 2. Mai, beide Male um 19 Uhr und als Deutschlandpremiere. Er ist Teil der 16 Wettbewerbsfilme, die das Gerüst jedes Festivals sind, denn wer die Preise gewinnt, hat einfach auf dem internationalen Filmmarkt bessere Chancen.
Diese drei Preise sind
- DIE GOLDENE LILIE mit 10 000 Euro dotiert
- Preis für die BESTE REGIE der Landeshauptstadt Wiesbaden 7 500 Euro
- CEEOL Preis für den besten Dokumentarfilm.
Die Preise verteilt die Wettbewerbsjury, deren Vorsitzende die Regisseurin und Festivalkuratorin Rada Šešić ist, die ein Filmfestival in Sarajevo gründete und heute in den Niederlanden lehrt. Es ist guter Brauch, daß in Jurys auch diejenigen sitzen, die in den Vorjahren goEast Preise errungen haben. So Kaltrina Krasniqi, die im vergangenen Jahr die Goldenen Lilie erhielt.
Der Regisseur Mikhail Borodin kommt aus Usbekistan, seine Filme liefen auf der Berlinale und in Wiesbaden. Auch der belarusische Dokumentarfilmer und Kameramann Andrei Kutsila, der derzeit in Polen lebt, gehört zur Jury; sein Film, der 2019 in Wiesbaden dabei war, hatte den FIPRESCI-Preis gewonnen. Die internationalen Filmkritiker haben eine eigene dreiköpfige Jury und verteilen zwei Preise.
Doch bei der diesjährigen Wettbewerbsjury fehlt noch Justine Waddell aus Südafrika. Sie hat auch als Schauspielerin gearbeitet, aber arbeitet inzwischen als Produzentin und gründete die Online-Plattform Klassiki, wo man sich Filme aus Osteuropa, dem Baltikum und Zentralasien verfügbar machen kann.
Was sonst noch los ist, berichten wir ein andermal weiter. Auf jeden Fall ist auch das 23. goEast Filmfestival gut bestückt und man darf sich jetzt schon freuen, daran teilzunehmen.
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Info:
goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films wird vom DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum veranstaltet und von zahlreichen Partnern unterstützt. Hauptförderer sind die HessenFilm und Medien GmbH, die Landeshauptstadt Wiesbaden, der Kulturfonds Frankfurt RheinMain, die Filmfestivalförderung des Goethe-Instituts in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, Renovabis, Stadt Eschborn, Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds, die Central and Eastern European Online Library GmbH / CEEOL. Hauptmedienpartner sind 3sat, Deutschlandfunk Kultur und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
www.filmfestival-goEast.de